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Warm-up für die Mille Miglia 2023 – von Petra Fritz

Die Mille Miglia, also das tausend Meilen Rennen (ca. 1.600 Kilometer), zählt zu den bekanntesten Autorennen der Welt und ist ein regelmäßig stattfindendes Sommer-Event für Oldtimerbesitzer und -fans in Norditalien. Die Rallye findet stets im Frühsommer statt, wobei Ausgangs- und Zielpunkt traditionell Brescia ist. Die Etappen führen in der Regel durch attraktive Städte wie Bergamo, Siena und Rom. Showtime für die 41. Ausgabe ist dieses Jahr vom 13. bis 17. Juni. Ich mache die Probe auf’s Exempel und bin beim Warm-up Rennen im Tessin dabei, das dieses Jahr zum zweiten Mal Mitte Mai im Raum Lugano-Locarno stattfindet.

Die Entstehungsgeschichte der Mille Miglia beginnt in Brescia. 1925 beschlossen die Autonarren Graf Franco Mazzotti, Graf Aymo Maggi, Renzo Castagneto und Giovanni Canestrini, aus der kleinen Stadt in der Lombardei ein bekanntes Zentrum des Motorsports machen. Zunächst sollte es meist über unbefestigte Landstraßen gehen; erst dreizehn Jahre später kam der Wendepunkt in Rom hinzu, der bis heute stets als das absolute Highlight des Rennens gilt. Am 26. März 1927 fiel schließlich der Startschuss für die erste Mille Miglia. Nach einem schweren Unfall des Spaniers Alfonso de Portago, der mehrere Todesopfer gefordert hatte, fand das Rennen in seiner klassischen Form 1957 zum vorerst letzten Mal statt. Als Rallye mit historischen Fahrzeugen wurde die Mille Miglia 1977 wiederbelebt, wobei es seit dem nicht mehr um Höchstgeschwindigkeit, sondern um die Freude am Fahren der alten „Schätzchen“ und der vorbeiziehenden Landschaft geht. Der Begriff Auto wäre reines Understatement, denn einige dieser topgepflegten Raritäten kosten bzw. haben inzwischen einen Wert von über einer Million EURO.

Jahr für Jahr melden sich Teilnehmer bzw. Zwei-Personen-Teams aus aller Welt an und ein umfassendes Rahmenprogramm (wie z.B. Rennsimulatoren, Museen und andere Tempel des Rennsports) sorgt auch bei den Zuschauern für weitere Highlights.

Um zur Mille Miglia zugelassen zu werden, muss das Fahrzeug zwischen 1927 und 1957 gebaut sein und bereits damals an einer Mille Miglia teilgenommen haben (!). Die Veranstalter wählen dabei aus einer Liste nach einem komplizierten Schlüssel und Bedeutung des Fahrzeugs für das Straßenrennen im aktuellen Jahr aus.

Auswahl haben sie dabei reichlich: Etwa 1.500 Teams bewerben sich Jahr für Jahr um die ca. 400 Startplätze, die ggf. durch „Wildcards für Sponsoren“ reduziert werden. Insider rechnen mit etwa 250 frei verfügbaren Plätzen.

Da die alten Autos so ihre Macken und Tücken haben, stellt die lange Strecke die Fahrer vor große Herausforderungen, was das Reiseerlebnis trotz interessanter Streckenführung schon mal trüben kann. Auch, wenn der sportliche Aspekt heutzutage stärker in den Hintergrund gerückt ist und eine Teilnahme an der Mille Miglia eher als Sehen und Gesehen unter Gleichgesinnten betrachtet wird. Häufig sind daher auch Prominente mit von der Partie.

Mitten unter Oldies

Dank Insider-Hinweis postiere ich mich also am 07.05. bereits kurz nach 09.00 Uhr morgens auf dem Verzasca-Staudamm, wo im Rahmen eines Roadbook-Trainings eine Zeitnahme erfolgt. Die Kulisse ist spektakulär, denn die Bogenstaumauer der Talsperre ist 220 Meter hoch und hat eine der berühmtesten Bungee-Jumping-Anlagen der Welt. U.a. ist dieser Hotspot im Trailer des James-Bond-Films „Golden Eye“ zu sehen.

Etliche Personen des Organisations-Teams warten bereits auf die Ankunft der ersten Autos. Schon wenig später rollt eine blitzsaubere Schönheit nach der anderen an mir vorbei über die Krone des Staudammes. U.a. ein Ferrari, Lancia, Alfa Romeo, Aston-Martin, Mercedes (Flügeltürer), Jaguar, Bristol (extremst selten und sieht aus wie ein Amphibienfahrzeug), Austin-Healey, Morgan etc. Fast alle sind Spezialanfertigungen für die „Insel“ und haben das Steuerrad rechts.

In der Tat sind unter den Fahrern viele Briten, aber auch einige Amerikaner und Italiener. Alle sind recht relaxed und auskunftsfreudig und fachsimpeln auch gerne untereinander. Alle tragen weiße Polos und dunkelblaue ärmellose Jacken mit dem Scuderia-Logo. Auch ein Deutscher ist dabei: der Schauspieler Stephan Luca, der mit bürgerlichem Namen Hornung heißt.

Mit zwei „Englishmen“ komme ich länger ins Gespräch: Die beiden fallen mir nicht nur auf, weil sie dem Mercedes-Flügeltürer (ein 300 SL von 1953) entsteigen, sondern weil hier ein Brite und ein Ire ein eingeschworenes Team bilden. Blickt man in die Autos, erkennt man die spartanische Sitzausstattung, die Enge und Minimaltechnik. Servolenkung, geschweige denn Schaltautomatik oder Bremskraftverstärkung gab es seinerzeit ja nicht. Kevin Quinn (GB) ist groß und kräftig, sein Compagnon Brian Fitzgerald eher klein und gedrungen. Ja, auch er sei bereits für die Mille 2023 eingeschrieben. Ein Punktesystem gebe es nicht, wer bezahlen kann und das richtige Auto habe, sei „qualifiziert“.

Auch letztes Jahr seinen es rund 400 Teams gewesen. Eigentlich habe er heute mit seinem neuen Porsche Speedster 356 (spontan zeigt er mir ein Foto davon auf dem Smartphone) dabei sein wollen, weil dieser wendiger und leichter zu fahren sei. Aber mit den Zulassungspapieren habe es bei der Jury Probleme gegeben. Naja, auch die beiden Autos, die vor ihm stehen, seien sein Eigentum.

In meinem Kopf schwirren die Zahlen, handelt es sich dabei doch um gut zwei bis drei Millionen EURO. Auf meine Frage, wie es ein Brite und ein Ire auf so engem Raum aushalten, wo es politisch zwischen beiden Nationen ansonsten doch so viel Zündstoff gibt, lächelt er und meint „Brian hat das technische und fahrerische Knowhow, ich das Geld“. Ganz unbeteiligt ist er jedoch nicht, muß er (während der Fahrt) doch das sog. Gebetsbuch“ lesen, das alle Routendetails, d.h. wichtige Streckenmerkmale wie Kurvenkrümmung, Sprungkuppen, Straßenbeschaffenheit oder Geschwindigkeitsangaben enthält.

Die teuren Fahrzeuge werden per Sondertransport auf den Kontinent geholt und bleiben nun bis zum Start der Mille Miglia in gesonderten Garagen in Lugano oder Italien.

Ähnliches bestätigt auch das italienische Vater-Sohn-Gespann Francesco und Giuseppe di Pietra (aus der Nähe von Trapani), das einen alten kirschroten Alfa Romeo aus Familienbesitz fährt. Das Auto transferiere man per Schiff von Sizilien nach Genua und wieder retour.

Weiter geht’s, denn der Zeitnehmer signalisiert Aufbruch in Richtung Locarno. Auf der Piazza Grande wolle man bei strahlendem Sonnenschein noch einen Erfrischungsstopp machen und dann zum Finale nach Lugano zurückkehren. Kurzerhand reihe ich mich hinter dem stahlblauen Jaguar XK140 mit der Nummer 13 ein, der bergab wieselflink ist. Und – viel zu schnell – durch den alten Ortskern von Locarno braust. Sicherheitsgurte hat übrigens keines der Fahrzeuge, weshalb u.a. eine gesonderte Straßenzulassung erforderlich ist.

Apropos Erfrischung: Die „Super-Oldies“ brauchen öfters mal Luft und nach Ankunft in Locarno wird so manch ein Kühler schnell mal geöffnet und ggf. auch ein bißchen geschraubt. Bei den zwanzig WarmUp-Teams handelt es sich offensichtlich um ein erlesenes Feld, denn alle haben bereits eine Teilnahmegarantie für die Prestige-Rallye. Also dann …

„Auguri“ für die Mille Miglia im Juni

Gefahren wird wie gewohnt im Uhrzeigersinn. Auch dieses Mal wird es wieder diverse Schlauchprüfungen (die Zeitnahme löst beim Überfahren eines dünnen Schlauches aus) geben. Des weiteren Sonderprüfungen, wo bestimmte Wegstrecken in einer möglichst auf Hundertstel genauen Zeit durchfahren werden oder mit konstanter Geschwindigkeit zurückgelegt werden sollen. Klassische Geschicklichkeitsprüfungen, wie Manövrieren oder Slalom, wo es auch um Fahrzeugbeherrschung und nicht nur um die Stoppuhr geht, gibt es hingegen nicht mehr.

Außerdem sorgen fahrzeugspezifische Koeffizienten dafür, dass bestimmte Modelle oder Baujahre unterschiedliche Chancen auf gute Gesamtplatzierungen haben. Vorkriegsmodelle haben dabei bessere Koeffizienten, obwohl sie dank freistehender Räder für die Schlauchprüfungen wegen besserer Sicht eher geeignet sind. Den Spaß vermiesen kann einem – trotz teilweiser Polizeieskorte wie bei modernen Autos auch – ein simpler Stau. In Oldtimern mit schwergängiger Lenkung und eventueller Hitzeempfindlichkeit potenziert sich der Unmut da schnell.

Konkret sieht die Streckenführung 2023 folgende fünf Etappen vor:

Dienstag, 13. Juni 2023: Die „Mille“ startet in Brescia in Richtung Gardasee. Passiert werden die Orte Desenzano und Limone am Südufer des Sees. Von hier aus rollen die Teams durch die „Romeo und Julia Stadt Verona“ sowie die Weltkulturerbe-Stadt Ferrara bis nach Milano Marittima an der Adriaküste, u.a. vorbei an der berühmten Rennpiste von Imola.

Mittwoch, 14. Juni 2023: Am Morgen geht es weiter über den Kleinstaat San Marino und das Seebad Senigallia in die Provinzhauptstadt Macerata zur Lunchpause. Anschließend passiert das Teilnehmerfeld die Städte Fermo und Ascoli bevor die Etappe abends in Rom mit einer Parade entlang der berühmten Via Veneto endet.

Donnerstag, den 15. Juni 2023: Hier steht die längste Etappe des Rennens auf dem Programm. Sie führt von Rom aus nach Siena, wo die Oldtimer im Zentrum an der Piazza del Campo (dem Austragungsort des legendären „Palio-Pferderennens“) einen Lunch-Stopp einlegen. Dann geht es weiter Richtung Norden nach Pistoia (Italiens Kulturhauptstadt 2017) und der Überquerung des Passo dell’Abetone auf 1.300 Meter Höhe. Bevor die Etappe im berühmten Parma (Kulturhauptstadt 2020 und 2021) endet, passieren die Teilnehmer der Rallye noch die Städte Modena und Reggio Emilia in der Emilia Romagna.

Freitag, 16. Juni 2023: Über Stradella und Pavia geht es in das Piemont, wo in Alessandria eine Mittagspause erfolgt. Im Anschluß geht es schließlich über Asti, Vercelli und Novara zum Etappenziel Mailand.

Samstag, 17. Juni 2023: Auf der letzten Etappe passiert das Feld die Provinzhauptstadt Bergamo (gemeinsam mit Brescia Italiens Kulturhauptstadt 2023), sowie die beiden kleineren Orte Ospitaletto und Gussago.

Die Rundfahrt endet in Brescia auf der Viale Venezia.

Ein wahrlich strammes Programm, das den Fahrern und ihren Boliden alles abverlangen wird.

Wer nicht dabei sein kann oder nicht so weit reisen möchte, kann z.B. auch im Mercedes-Benz-Museum (das Automobil-Unternehmen ist einer der Hauptsponsoren) in Stuttgart einige Klassiker und teilnehmende Fahrzeuge sehen. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Bücher, Filme und Bildbände, die sich mit der Mille Miglia beschäftigen. Natürlich kann man die legendäre Strecke auch jederzeit selber abfahren, wobei es sich anbieten würde, zumindest etappenweise, einen Oldtimer zu mieten. Ansonsten gilt: Wer zu den glücklichen Besitzern eines der begehrten Fahrzeuge aus den Jahren zwischen 1927 und 1957, das zudem bereits einmal an dem legendären Rennen teilgenommen hat, zählen darf, kann sich bereits heute für die Mille Miglia 2024 vormerken lassen. Die finale Anmeldung erfolgt jährlich ab Oktober und schließt im Dezember.

Allerdings: Neben dem passenden Oldtimer muß man auch ein Startgeld von mindestens 9.000.- Euro aufbringen. Man sagt, dass darin aber auch eine Uhr des Hauptsponsors „C“ enthalten sei.

Laut meinem Gesprächspartner und Mehrfachteilnehmer Kevin Quinn belaufen sich die Gesamtkosten der Teilnahme eher auf EURO 15.000.-, da ja auch noch Kost, Logis und eventuelle Reparaturkosten sowie die An- und Abreisekosten etc. zu berücksichtigen seien. Er empfinde das Startgeld pro Team eigentlich als zu hoch.

Diese Aussage klingt interessant, denn in Anbetracht der Fahrzeuganschaffungskosten, deren Versicherung und Unterhalt sollte dieser Betrag eher „Peanuts“ sein.

Die Atmosphäre der „Mille“ und der Hype um die Fahrzeuge sei unter den Autoverrückten Italienern jedoch großartig. Am besten natürlich, es gewinnt ein Italiener; was häufig der Fall ist.

1931 (Rudolf Caracciola mit Mercedes) und 1940 (Huschke von Hanstein mit BMW) allerdings gewann je ein Deutscher und 1955 mit Stirling Moss ein Engländer in einem Mercedes SLR 300. Dieser erreichte schon damals eine Durchschnittsgeschwindigkeit (!) von 158 Stundenkilometern. 1957 habe Taruffi angeblich nur wegen „Stallorder“ vor Graf Berghe von Trips gewonnen. Im selben Jahr überschattete eben auch der schlimmste Unfall das Rennen. Neben Fahrer (de Portago) und Beifahrer (Nelson) starben zehn weitere Menschen, als de Portago bei 280 Stundenkilometern ein Reifen platzte. Die Mille Miglia hat offensichtlich ihre eigenen Gesetze und schreibt so manche Geschichte.

Die meisten Siege holte bisher Alfa Romeo (11x), gefolgt von Ferrari (8x). Wie es wohl 2023 ausgehen wird? Wie auch immer … ein Mythos lebt.

Petra Fritz

Die Autorin ist von Beruf Dipl-Kfm (Uni Mannheim), Jahrgang 1960, verheiratet, wohnhaft in Speyer am Rhein. Sie war 4 Jahre Personalleiterin bei den US- Streitkräften (AAFES) in Stuttgart und Heidelberg, in Folge 12 Jahre tätig im Pharma-Management von BASF (Auslandsvertrieb), davon 18 Monate bei der Tochtergesellschaft Quimica Knoll in Mexico.

Seit 2002 ist Petra Fritz selbständige rechtliche Berufsbetreuerin (Vormund) und Verfahrenspflegerin für die Amtsgerichte Speyer, Ludwigshafen und Germersheim (teils ehrenamtliche Fallberatung).

Privat war Petra Fritz Leistungssportlerin im Eis- und Rollkunstlauf (u.a. Profi-WM 1978 und 1979), später 14 Jahre lang Vize-Präsidentin des Rheinland-pfälzischen Eis- und Rollsportverbandes sowie Repräsentantin „Frau im Sport“. Heute ist sie in der Freizeit gerne auf dem Wasser und auf Ski unterwegs. Ansonsten vielseitig interessiert und seit 2012 auch wieder semi-professional als Bestager-Model, Darstellerin, Moderatorin und Bloggerin für „Topagemodel.de“ tätig. Petra Fritz hat das Buch „Mittendrin statt nur dabei“ veröffentlicht.

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