Mittendrin statt nur dabei

Ein Reise-Buch im Corona-Lockdown? Sehnsucht nach schönen Destinationen und Stay-at-Home? Das vor wenigen Monaten unter dem Synonym Jantra Friedrich erschienene Buch mit dem Titel Mittendrin statt nur dabei punktet als eine gelungene Kombination aus unterhaltsamer Erlebnislektüre und Reiseführer; zudem ist es ein sehr persönliches Statement der Bestager-Autorin.

Frau Fritz, warum dann der Entschluss gerade 2021 ein solches Buch bzw. überhaupt ein Buch mit eben diesem Titel zu schreiben?

(sie lächelt, als habe sie genau diese Frage erwartet) Nein, es war nicht die Langeweile in der Corona-Krise. Es war vielmehr ein spontaner Entschluß, als ich mal wieder mit unseren Nachbarn uber Gott und die Welt bzw. einige kuriose Reiseabenteuer plauderte. Beide sind ebenfalls viel herum gekommen und vom Fach bzw. seit Jahren im Verlagswesen tätig. Anfangs zweifelte ich daran, ob meine Reise-Anekdoten und Tipps rund um den Globus fur Jedermann interessant sein könnten, letztlich wurde ich aber von den beiden Profis darin bestärkt, mit dem Abfassen der unterhaltsamen Lekture zu beginnen. Das Konzept war schnell erdacht. Es sollte ein Zwitter aus Biographie und Erlebnissen, kurzum ein neues Genre, eine „Reise-Biographie“ werden. Für das Taschenbuch habe ich gezielt nur kuriose Reisemomente und Aktivitäten ausgewählt, nicht die Schönsten. Die ublichen Beschreibungen von Städten, (Traum)Stränden und Kulturen gibt es ohnehin schon genug. In vielen Fällen war ich beruflich und längere Zeit an den besagten Orten unterwegs und daher „mittendrin“.

Sie haben auf Ihren Reisen mehrfach die Erde umrundet und sind mehr als einmal aufgewacht ohne gleich zu wissen, wo Sie sich befinden. Würden Sie sich als rastlos bezeichnen?

Nicht als rastlos, eher „lebenshungrig auf Ortsveränderung“. Da ich nicht in einer internationalen Metropole aufgewachsen bin, hatte ich immer das Gefühl etwas zu verpassen. Reisen und die Entdeckung fremder Kulturen waren schon von Kindheit an meine entscheidende Triebfeder.

Und gerade in immer restriktiver werdenden Zeiten des „Betreuten Denkens“ von Apps, Mainstream-Einerlei und zunehmender staatlicher Regulierung, lebe ich bewusst nach dem Motto: „Entdecke die Möglichkeiten und tausche nie die Freiheit gegen die Bequemlichkeit ein“. Eben lieber mittendrin, als nur dabei. Auf der Suche nach einem erfüllten Leben begegnet man dabei im scheinbaren Zufälligen ganz beiläufig bemerkenswerten Menschen und so manchem Abenteuer. Dabei ist es naturlich hilfreich, wenn man mehrere Sprachen spricht.

Sie haben Betriebswirtschaft nicht Journalismus oder Tourismus studiert. Sind Sie eine klassische Weltenbummlerin?

Nicht als Weltenbummler, sondern eher als „Mittler“ zwischen den Welten oder Beobachter. Und jeder der reist, gibt an den betreffenden Orten schließlich auch seine bzw. die „Visitenkarte“ seines Herkunftslandes ab. Bei allem Pflichtbewusstsein, Wissensdurst und Tatendrang sollte der Spaß im Leben und das sich Ausprobieren nie zu kurz kommen. Reisen kann durchaus harte Arbeit sein und Reibungspunkte liefern, was auch im Buch Niederschlag findet. Dennoch: Reisen bzw. dem intensiven Erleben fremder Kulturen, Landschaften und Klimazonen räume ich dabei stets großen Raum ein. Es genügt meines Erachtens nicht zu WISSEN, dass es am Äquator 40 Grad bei hoher Luftfeuchtigkeit hat und Eisblizzards einem die Luft zum Atmen nehmen. Ich möchte diese Phänomene fühlen, weil man nur dann mitreden kann (sollte). Leute, die in extrem heißen Ländern oder Landstrichen leben und Mittagssiesta halten, sind nicht chronisch faul. Ein dauerhaftes Durcharbeiten ist bei diesen Temperaturen – nicht erst seit dem Klimawandel – physisch einfach nicht möglich und gesundheitsschädlich. Gleiches gilt übrigens fur das Erleben von Geschmäckern und Gerüchen. Da gibt es z.B. in Mumbay oder Dakha Stadtviertel, wo man sich – zumindest als Europäer – beherrschen muss, um sich nicht zu übergeben. (sie hält inne und sucht nach einem Vergleich) … dort riecht es so, als ob man fermentierten Hai, eine isländische Spezialität, oder schwedischen „Surströmming“ (in Dosen fermentierter Fisch) auf dem Teller hat. Schmecken tun die „Fischlein“ – bei geschlossener Nase – allerdings köstlich.

Gestatten Sie mir an dieser Stelle einen kleinen Exkurs bzw. Brückenschlag zum Thema Migration und demographischer Wandel: In Deutschland und einigen anderen führenden Industrienationen wie Japan oder Schweden steht man nicht nur vor dem Problem einer überalterten, zerrissenen Gesellschaft, sondern auch vor einer Art „Untergang der Hochkultur“, dem Ende der „guten alten Zeit“ samt Flucht in virtuelle Welten. Damit meine ich nicht unbedingt die Glorifizierung der Vergangenheit und das Festhalten an herkömmlichen Traditionen oder Errungenschaften der Arbeitswelt, sondern die zunehmende Polarisierung der Bevölkerung in „Arm und Reich“ und eigentlich auch in „Jung und Alt“. Aktuell sieht die Politik zum Erhalt des Status Quo die Lösung in der Zuwanderung. Das mag kurzfristig der Fall sein. Aber ich frage mich, ob man damit nicht weitere kontinentale Unwuchten hervorruft. Zum einen fehlt diese „Wandergeneration“ in den Heimatländern, andererseits kann eine stetig steigende Weltbevölkerung nicht „verträglich“ im Kampf um Ressourcen enden. Und klingt es nicht geradezu absurd, daß viele als „exotisch“ gepriesene Reiseziele zunehmend dort hinführen (und aus diversen Gründen vielfach gepufferten Ghetto-Arrangements ähneln), wo andere herkommen, um nicht zu sagen „auf der Flucht“ sind? Die Konsequenz sind falsch verstandene Begehrlichkeiten auf beiden Seiten.

Ein interessanter Aspekt, Frau Fritz. In den amusant erzählten Geschichten werden ja nicht nur sehr individuelle Ereignisse geschildert und ausgefallene Freizeit-Tipps gegeben, sie erlauben im Zeitablauf eben auch Einblicke in die sich rasant wandelnde Reisekultur und Konsumgesellschaft unserer Zeit.

Genauso ist es. Bis man heute an einem Ort ankommt, ist man – gerade im fortgeschrittenen Alter – von den Bedingungen und vermehrten Reglementierungen oft verunsichert und ausgelaugt oder läßt es gleich ganz. Ich denke da zum einen an den stark reduzierten Transport von erlaubten Flüssigkeiten (inkl. liquiden Medikamenten, Kühlboxen für Diabetiker-Präparaten etc.) bei Flugreisen; von einer simplen Nagelfeile im Handgepäck ganz zu schweigen. Zum anderen erinnere ich mich z. B. gut an Kreuzfahrten Ende der 80-iger/ 90-iger Jahre, wo man im Hafen gegen Vorlage eines Ausweises spontan einen Gastbesuch auf einem anderen dort vor Anker liegenden Schiff machen, sich an Bord selbständig umsehen und bis zum Ablegen einen Drink nehmen konnte. Selbst ein Cockpitbesuch im Flugzeug war mir schon möglich. Wo sind sie geblieben diese Zeiten? Seit „NineEleven“ und anderen Terroranschlägen ist dies alles Geschichte und allein die Nachfrage nach solchen Travel-Highlights erzeugt Mißtrauen und scheint verdächtig. Da lobe ich mir die letzten unerschrockenen Freigeister wie z. B. Niederländer oder Skandinavier.

Die spinnen die Finnen? Keineswegs. Nicht nur anläßlich des Winterfestivals geht es im sudfinnischen Lohja im wahrsten Sinn des Wortes rund, sondern auch bei vielen anderen Gelegenheiten. Es braucht nur einige Helfer, ausdauernde Elektrosägen und
-fräsen sowie eine Art Riesenzirkel und schon entsteht eine auf dem Eis schwimmende kreisrund ausgesägte Scheibe. Der Clou: Bringt man an ein bis zwei Stellen am Rande der Eisscheibe leistungsstarke Elektromotoren an, beginnt sich die ausgesägte Eisscheibe munter zu drehen. Je nach Durchmesser liebt es der Finne, sich auf dem Eiskarussell nicht nur im Kreis zu drehen, sondern auch allerlei Freizeit-Equipment darauf zu platzieren. Egal ob Feuerschale, Grill, Schaukel oder ein ganzes Saunahäuschen, alles ist willkommen. Manege frei!

Mehr will ich über die Stories und Aktivitäten-Tipps im Buch aber nicht verraten.

Bibliografie

  • Autorin: Jantra Friedrich
  • Verlag: Treditions-Verlag
  • Seiten: 140
  • ISBN: 978-3-347-28040-3
  • Preis: 15,99 Euro

Das Buch ist auch in Soft-Cover und als e-Book erhältlich.


Die Autorin mit ihrem Buch nach einer Sommer-Lesung in Potsdam (Bild: Petra Fritz)