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Per Gyrocopter über die Schönheit des Wattenmeeres zur DEA-Ölplattform. Von Petra Fritz

In den letzten Tagen sind die Nordseeküste und das Wattenmeer gerade noch einer beispiellosen Katastrophe entronnen. Das Bersten der Freemantle Highway hätte das Naturschutzgebiet auf Jahre zerstört. Das Wattenmeer und eine Öl-Plattform hat sich Petra Fritz bei einem Gyrocopter-Flug angeschaut.

Apropos Fliegen: Mein Gyrocopter, auch Tragschrauber genannt, ist ein Zweisitzer, d.h. nur der Pilot und ein Passagier finden darin Platz. Geflogen werden kann mit und ohne Plexiglashaube. Da er u.a. sehr bodennah und auch langsam fliegen kann, ist er das perfekte Gerät, um spezielle Plätze bequem zu besuchen. Die mittlere Reisegeschwindigkeit beträgt um die 150 Stundenkilometer, die Reichweite liegt bei ca. 500 Kilometern. Der Antrieb ist ein sog. ROTAX 914 UL mit Turbo-4-Takt-BoxerMotor (115 PS), Flüssigkeits-/Luft-gekühlt. Seine Standard Rotorblätter sind je 8,50 Meter lang.

Wie sieht es mit der Sicherheit eines Gyrocopters aus?

Im Gegensatz zu einem Hubschrauber wird der Rotor eines Gyrocopters nicht aktiv angetrieben, sondern dreht sich durch den Fahrtwind. Das Prinzip nennt sich Autorotation und sorgt dafür, dass selbst bei einem Triebwerksausfall der Gyrocopter lange stabil bleibt und sich weitgehend sicher landen lässt. Hinzu kommt seine viel kürzere Start-/ Landestrecke, die nur 2 bis 20 Meter beträgt.

Ein Strömungsabriss wie er bei Flächenflugzeugen auftreten kann, wenn eine Mindestgeschwindigkeit unterschritten wird, kann ebenfalls nicht auftreten. Dadurch sind auch extreme Langsamflüge um die 40 km/Std bis hin zum (Fast-)Stillstand in der Luft möglich. Schon deshalb werden Gyrocopter gerne für Foto- und Filmaufnahmen gebucht. Überdies sind die leichten Fluggeräte wesentlich günstiger als z.B. ein Hubschrauberflug. Die Kosten pro Minute betragen hier in Büsum aktuell nur um die EURO 3,80 pro Minute. www.fs-sh.de/gyrocopter.php

Das Einzige, was nicht passieren darf, ist ein Defekt oder gar Verlust eines Rotorblattes, dann … „naja sind wir mal ehrlich, das Leben war schon immer lebensgefährlich“ (frei nach Erich Kästner). Umso wichtiger ist letztlich der Pilot. Mit Gerd Hinz habe ich mehr als einen Experten an meiner Seite. Er kennt sich nicht nur mit der Technik aus, er ist auch ein wahrer Insider was Land und Leute dieser Region betrifft.

Pünktlich um 11.00 Uhr treffen wir uns am Rollfeld, denn um diese Uhrzeit ist EbbeTiefstand und die Wattlandschaft optimal zu sehen. Nach kurzer Einweisung hinsichtlich des links neben mir transparent sichtbar Tankstandes und des Sprechkontaktes zwischen Pilot und Passagier sowie mit dem Tower, heißt es

Einsteigen. Noch schnell die Kopfhörer auf und schon rollt das leichte Gefährt mit
Gerd in Front und mir auf dem Rücksitz auf die Startbahn. Noch ein kurzer CrossCheck, ein Prüfen des Öldrucks, die Startfreigabe des Towers und schon heben wir mit einem leichten Vibrieren vom Boden ab. Nach einer schwungvollen Rechtskurve liegt der Küstenstreifen schon gut sichtbar voraus.

Das Wattenmeer aus der Vogelperspektive

Gerd beginnt sofort mit umfänglichen Erklärungen bezüglich Flora und Fauna. Da gerade Brutzeit ist, sind besonders viele Vogelarten (wie z.B. Eiderenten, Brandgänse, Mantelmöwen) im Revier des Vogelschutzgebietes unterwegs. Auf den ersten Blick aber noch faszinierender sind das Blau der Nordsee und das helle Beige der vielen Sandbänke, die sich zwischen den Prielen und Senken abzeichnen. Sie alle haben Namen und sind genau kartographiert.

Aber die endlose, scheinbar einsame Weite täuscht, denn selbst hier ist viel mehr los, als auf den ersten Blick sichtbar. Bewußt haben wir ein Wochenende gewählt, denn in dem Gebiet sind nicht nur Ornithologen des NABU und Muschelzüchter unterwegs. Unter der Woche ist das Gebiet bzw. der besagte Luftraum für militärische Übungen einschließlich Drohnen-Flugübungen gesperrt.

Kurz darauf überfliegen wir ein immer überflutetes Gebiet für Seebestattungen. Für einen Moment kommt mir die Schlagzeile in den Sinn: „… über Seebestattungszone abgestürzt“. Unwillkürlich muss ich schmunzeln.

Als wir uns nach nur zehn Minuten den Robbenbänken nähern berichtet Gerd, daß dort manchmal sogar Seeadler zu sehen sind. Und tatsächlich schon im ersten Vorbeiflug läßt sich am Ende einer Landzunge unmittelbar hinter einigen Seehunden ein mächtiger Seeadler erkennen. Beim zweiten Anflug gleiten einige Kegelrobben (gut zu erkennen an ihrem dunklen Pelz) behände ins Wasser; der Adler aber bleibt selbstbewusst sitzen. Offenbar geniest er gut genährt die warme Sonne.

Die Zeit vergeht sprichwörtlich wie im Flug und während wir noch an Trischen, einer kleinen Vogelschutzinsel mit Beobachtungshäuschen vorbeifliegen, kann man voraus schon deutlich die Aufbauten der DEA-Plattform auf der Mittelplatte erkennen. Fest verankert liegt sie hier auf einer Sandbank. Da die Bohrinsel bei Ebbe trockenfällt, ragen – abgesehen vom in die Tiefe gerichteten Bohrgestänge – alle Anlagen gut sichtbar aus dem Wasser. Der Tidenhub beträgt hier in der Regel um die 2,5 Meter.

Deutschlands einzige Offshore-Ölplattfom aus der Nähe

Seit 1987 fördert Wintershall DEA (Deutsche Erdöl Aktiengesellschaft gegr. 1899) hier am südlichen Rand des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer, das „schwarze Gold“ aus bis zu 3.000 Meter Tiefe. Das Volumen des Ölfeldes wird auf rund 120 Millionen Tonnen geschätzt; erst um die 40 Millionen Tonnen wurden bisher gefördert. Weitere 20 bis 30 Millionen Tonnen gelten als wirtschaftlich gewinnbar. Mithin ist sie mit Abstand Deutschlands bedeutendsten Erdölfeld und funktioniert bisher sicher und störungsfrei. Die vom Land Schleswig-Holstein erteilte Förderbewilligung läuft noch bis 2041. Der zentrale Lagerteil gilt als nahezu erschlossen; 2017 wurde daher mit der Erschließung des südlichen Teils begonnen.

Hier eine Karte sämtlicher Öl- und Gas Drilling Rigs/ Förderanlagen in der Nordsee: https://www.drillingmaps.com/North-Sea.html.

Laut Wintershall Dea wird das Vorkommen von zwei Seiten erschlossen. Von der Offshore Bohr- und Förderinsel im Wattenmeer sind bisher 21 Förderbohrungen, von dem Onshore-Bohrplatz Dieksand sieben Bohrungen realisiert worden. Auf der Bohrinsel „Mittelplate“ (benannt nach dem Gebiet) wird mit emissionsfreien elektrisch angetriebenen Bohranlagen gearbeitet. Von der Landstation Dieksand in Friedrichskoog dringen horizontal abgelenkte Bohrungen ins geologische Ziel vor; manche davon mehr als neun Kilometer lang. Um High-Tech handelt es sich auch bei den Duolateral-Bohrungen der Lagerstätten. Bei diesen Bohrungen wird aus einem Bohrloch ein zweiter Produktionsstrang abgezweigt; durch eine Pipeline gelangt das Öl dann zur Landstation Dieksand. Künftig soll zur Reduzierung der TreibhausgasEmissionen die Mittelplate-Versorgerflotte auf Wasserstoff-Hybrid-Antriebe umgerüstet werden.

Mit rund 20.000 Barrel (1 Barrel rund 160 Liter) Öl pro Tag ist das hiesige Öl auch ein wichtiger Wirtschafts- und Jobmotor an der Westküste Schleswig-Holsteins. In der Raffinerie in Heide und im ChemCoast Park in Brunsbüttel wird der Rohstoff pipelinefähig aufbereitet und letztlich zu einer Vielzahl wertiger (Vor)Produkte verarbeitet. Aus der jährlichen Fördermenge lassen sich rund 650 Millionen Liter Kraftstoffe produzieren. Ein Vorteil des Mittelplate-Rohöls ist der hohe BitumenAnteil (auch Erdpech genannt), ein wichtiger Rohstoff für den Straßenbau.

p.s. Wintershall DEA beendet sein Milliarden-Joint-Venture in Rußland; nicht nur ein finanziell schmerzhafter Einschnitt: https://wintershalldea.com/de/investorrelations/ir-23-01
In Friedrichskoog (an der Deichpassage) und Büsum gibt es je ein MittelplateInfozentrum, aber selbst die besten Schautafeln können den Live-Anblick nicht ersetzen.

Über den Wolken ist die Freiheit grenzenlos

Ohne Frage gilt dies auch, wenn keine Wolke am Himmel steht. Ich hätte endlos so weiter fliegen können; zumindest bis Helgoland, was von Büsum aus per Gyro in ca. 45 Minuten erreichbar ist. Im Sprechfunk kann ich mitverfolgen, dass D-MUWO „Mike-Uniform-Whiskey-Oscar“ schon für den Landeanflug gemeldet ist. Noch einmal genieße ich den Rundblick über die Küstenlinie bis hin zum Eidersperrwerk. Nur drei Minuten später setzen wir wieder sanft auf der Piste auf.

Grundsätzlich liegt ein Gyrocopter aufgrund der mitschwingenden Rotorblätter relativ ruhig in der Luft; einzig Höhenangst sollte man nicht haben. Ein Mitflug eignet sich für jedes Alter, solange man zum Besteigen des Gyrocopters noch gelenkig genug ist.

Wie auch immer: Einmal mehr ist der Weg das Ziel.

Petra Fritz

Die Autorin ist von Beruf Dipl-Kfm (Uni Mannheim), Jahrgang 1960, verheiratet, wohnhaft in Speyer am Rhein. Sie war 4 Jahre Personalleiterin bei den US- Streitkräften (AAFES) in Stuttgart und Heidelberg, in Folge 12 Jahre tätig im Pharma-Management von BASF (Auslandsvertrieb), davon 18 Monate bei der Tochtergesellschaft Quimica Knoll in Mexico.

Die Autorin ist von Beruf Dipl-Kfm (Uni Mannheim), Jahrgang 1960, verheiratet, wohnhaft in Speyer und Locarno. Sie war 4 Jahre Personalleiterin bei den US-Streitkräften (AAFES) in Stuttgart und Heidelberg und in Folge 12 Jahre im Pharma-Management von BASF (Auslandsvertrieb) tätig, davon 18 Monate bei der Tochtergesellschaft Quimica Knoll in Mexico.

Von 2002 bis 2022 war Petra Fritz selbständige rechtliche Berufsbetreuerin (Vormund) und Verfahrenspflegerin für verschiedene Amtsgerichte in der Vorderpfalz. Seitdem widmet sie sich verstärkt ihrer Coaching- und Autorentätigkeit.

Privat war Petra Fritz Leistungssportlerin im Eis- und Rollkunstlauf (u.a. Teilnehmerin bei der Profi-WM 1978 und Top 10 1979), später 14 Jahre lang Vize-Präsidentin des Rheinland-pfälzischen Eis- und Rollsportverbandes sowie Repräsentantin „Frau im Sport“. Heute ist sie in der Freizeit gerne auf dem Wasser und auf Ski unterwegs. Ansonsten agiert sie seit 2012 auch als semi-professional Bestager-Model, Darstellerin, Moderatorin und Bloggerin für „Topagemodel.de“.

Petra Fritz hat das Buch „Mittendrin statt nur dabei“ veröffentlicht.

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