Der Kommentar am Sonntag in DNEWS24.

Gedankenmacher: Sorgearbeit als gesellschaftliche Herausforderung

Immer mehr Frauen leisten Sorgearbeit – weil der Staat versagt. Und so entsteht fast sicher Altersarmut.

Saskia Esken (SPD) weiß genau, wie der Arbeitskräftemangel in Deutschland behoben werden kann. Frauen sollen stärker gefördert werden und arbeiten, dann wird alles gut, so die Co-Vorsitzende der Sozialdemokraten. Ach, Frau Esken, wenn es so einfach wäre. Was soll diese Aussage denn bedeuten? Sind Frauen faul oder dumm und arbeiten deswegen nicht? Oder arbeiten sie nicht, weil es an Kindergarten-Plätzen und Pflege-Einrichtungen fehlt? Frauen sind deshalb häufig nicht sozialversicherungspflichtig tätig, weil sie es auf sich nehmen, die Defizite der Politik auszugleichen.

Trotz des Rechtsanspruchs auf Betreuung in einer Kita fehlen bundesweit immer noch 384.000 Kitaplätze und zudem 308.000 Erzieher. Das zeigt eine Studie der Bertelsmann Stiftung vom Oktober 2022. Laut Kultusministerkonferenz fehlen bis 2025 darüber hinaus rund 25.000 Lehrkräfte an den Schulen. Aufgrund der demografischen Entwicklung und deshalb einer wachsenden Anzahl von Pflegebedürftigen werden in Deutschland Schätzungen zufolge etwa 160.000 zusätzliche Pflegeplätze allein bis 2030 gebraucht. Von derzeit 4,1 Mio. Pflegebedürftigen werden 20 % vollstationär versorgt. Bis 2040 wird die Zahl der Pflegebedürftigen auf 5,59 Mio. steigen und voraussichtlich 1,39 Mio., Menschen werden eine stationäre Pflege benötigen. Aus den weiter steigenden Pflegequoten im Alter sowie den Eintritt der Babyboomer-Generation ins Rentenalter lässt sich in den nächsten Jahren ein stark wachsender Bedarf in der Pflege wie auch in professionellen Versorgungsinstitutionen ableiten.

Die Ampelregierung hat vor der parlamentarischen Sommerpause beschlossen, dass das Pflegegeld, das an Pflegebedürftige ausgezahlt wird, ab dem kommenden Jahr um fünf Prozent steigen soll – bei einer Inflationsrate von mehr als 6 Prozent verlieren die Bürger also weiter Geld und Kaufkraft. Das Pflegegeld liegt derzeit je nach Pflegegrad zwischen 316 und 901 Euro im Monat.

Das Versagen der Politik in Deutschland in Sachen Demografie ist evident. Die demografische Entwicklung ist seit 50 Jahren bekannt, die Entwicklung der Bevölkerung statistisch aus allen Daten ablesbar. Sowohl der Arbeitskräftemangel als auch fehlende Versorgungseinrichtungen werden von Fachleuten seit Jahren prognostiziert.

Es sind vor allem Frauen, die die krassen Defizite der deutschen Bildungs- und Gesundheits-Politik ausgleichen. Es sind vor allem Frauen, die die Kinder betreuen und ihnen helfen, schulische Mängel auszugleichen. Und es sind vor allem Frauen, die sich um Verwandte kümmern, die zu Hause gepflegt und betreut werden wollen und müssen.

Oft sind diese Frauen noch zusätzlich in Teilzeit beschäftigt, als Kassiererin im Supermarkt oder wo auch immer. Sie haben eine Doppelbelastung, ohne die allerdings ihre Familie finanziell nicht überleben würde.

Weil also die Frauen in Sorgearbeit gar nicht bezahlt werden oder aufgrund einer Teilzeit-Beschäftigung nur ein geringes eigenes Einkommen haben, bekommen sie im Alter auch nur eine schmale Rente. Nach einem aufopferungsvollen Leben und Arbeit für die Familie erhalten sie die Quittung – die Altersarmut.

Der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Tino Sorge, hat nun einen Vorschlag gemacht, der vielen Frauen in Sorgearbeit Hoffnung geben kann. Sorge will eine Lösung schaffen, wie es sie beim Elterngeld schon gibt, wo zwei Drittel des vorherigen Einkommens der Eltern für eine gewisse Zeit bezahlt wird.

Die Idee ist gut, muss aber noch „feingetuned“ werden. Denn wie schon gesagt, geht für viele Frauen die Sorgearbeit von der Kinderbetreuung zur Pflegebetreuung nahtlos über. Ein staatliches Entgelt für die Sorgearbeit muss auskömmlich und angemessen sein, sonst wird die drohende Altersarmut nur wieder übertüncht.

Der Autor

Uwe-Matthias Müller ist Gründer und Vorstand des Bundesverband Initiative 50Plus, des Bundesverband Initiative 50Plus Austria und Sprecher des European Center of Competence for Demography.

Bis 1996 hat er mit seiner Frau und den beiden Töchtern in (West-)Berlin gelebt. Nach zwei Jahren im Ausland lebt er heute in Bayern.

Uwe-Matthias Müller kommt viel und gern nach Berlin. „Als Berliner auf Zeit geniesst man nur die Vorteile der Hauptstadt und kann die vielen Unzulänglichkeiten, unter denen die Bewohner täglich leiden, einfach ignorieren.“

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