Der Kommentar am Sonntag in DNEWS24.

Gedankenmacher: Der Teflon-Wahlkämpfer

Für Bundeskanzler Olaf Scholz geht das Wohl seiner Partei vor das Wohl unseres Landes. Dieser Eindruck drängt sich auf, wenn man den Mann im Bundestag und in den Medien beobachtet.

Haben sich alle geirrt, die Olaf Scholz für einen tumben Tor halten? Der Scholzomat, der „schlumpfig grinst“ (Markus Söder) bedient sich einer Rhetorik, die noch unterirdischer ist als die Helmut Kohls und Angela Merkels. Aber: vielleicht ist der Mann doch gewiefter als er wirkt und genießt es, unterschätzt und angefeindet zu werden.

Immerhin ist Scholz Innensenator und Bürgermeister in Hamburg gewesen (7 Jahre), er war Bundesminister (6 Jahre). Und er ist seit mehr als 2 Jahren Bundeskanzler.

Auch in seiner Partei ist Scholz eine große Nummer. Zwar wollten ihn die SPD-Mitglieder in einer Befragung nicht als Parteivorsitzenden. Für die Rolle des Kanzlerkandidaten aber hat es gereicht. Der linke Flügel unter Saskia Esken, Kevin Kühnert und Rolf Mützenich hat Scholz in der SPD durchgesetzt und stützt ihn seit seiner Wahl bedingungslos im Bundestag.

Immer stärker drängt sich der Eindruck auf, dass Scholz im Fokus seiner Politik die nächsten Bundestagswahlen hat. Seine zögerliche Unterstützung des Abwehrkampfes des tapferen ukrainischen Volkes gegen die russischen Aggressoren nimmt groteske Zuge an. Scholz verweist zwar gern darauf, dass Deutschland der stärkste Unterstützer der Ukraine sei. Man muss aber solchen Thesen genau zuhören. Es geht bei Scholz immer um gelieferte und zugesagte Leistungen. Zugesagt ist aber eben nicht geliefert… Scholz behauptet, dass das Versprechen der Bundesregierung von 2014, 2 Prozent des Bruttosozialproduktes für die Bundeswehr zu investieren, erfüllt würde. Das ist nicht wahr, sagt selbst der Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD). Scholz hat bisher noch nie gesagt, die Ukraine müsse den ihr aufgezwungenen Krieg gewinnen. Sie dürfe nicht verlieren, so Scholz. Was das konkret bedeuten soll, bleibt im Dunkeln, wie vieles, was der Kanzler der Ampelregierung sagt. Vielleicht sagt ein Satz sehr viel über das Denken von Olaf Scholz. 1988 versicherte eine von Scholz geführte Juso-Delegation ihren hochrangigen SED-Gesprächspartnern in der DDR, „dass die wahren Feinde des Friedens (…) im Militär-Industrie-Komplex der USA“ sowie in der „Stahlhelm-Fraktion“ der Unionsparteien zu suchen seien.

Es ist nicht auszuschließen, dass es Scholz im Kern seines Handelns darum geht, die Angst der Deutschen vor einem Krieg mit dem Russland Putins zu schüren und den latenten links-grünen Appeaser-Pazifismus zu bedienen. Es ist bemerkenswert, dass Scholz in der Bundestags-Debatte über die Lieferung von Taurus-Marschflugkörpern nicht nur Unterstützung durch den SPD-Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich („Krieg einfrieren“) erhielt, sondern auch von Sahra Wagenknecht, BSW, Tino Chrupalla, AfD, und Robert Farle, MdB parteilos, gelobt wurde. Sprecher der Fraktionen Bündnis 90/Die Grünen und FDP dagegen stellten sich gegen den Bundeskanzler.

Scholz will die SPD in eine Position bringen, aus der heraus sie im Herbst nächsten Jahres weiter ihn als Bundeskanzler bestimmen kann. Das Vorhaben wirkt angesichts der Umfrageergebnisse surreal, genauso absurd, wie im Sommer 2021. Das Ergebnis ist bekannt.

Zudem sind die Macht-Optionen der CDU/CSU minimal. Mit der AfD will sie nicht, mit den Grünen oder SPD zu koalieren ist für viele angestammte Unions-Wähler kaum vorstellbar. Wo bliebe da auch die notwendige Wende hin zur Sozialen Marktwirtschaft?

Es droht ein geistiges und machtpolitisches Patt. Und auch das befördert Scholz hemmungslos, denn seine Politik stärkt in Wirklichkeit die AfD – und das BSW der Sahra Wagenknecht – und schwächt die Mitte unserer Demokratie.

Scholz will im bevorstehenden Wahlkampf mit zwei weiteren Themen punkten. So versichert er, dass die Rente sicher sei und für nachfolgende Generationen attraktiv bliebe. Das Gegenteil ist richtig – aber die Lage ist kompliziert. Wer von den Wählern will schon wissen, dass heute mehr als 100 Milliarden an Steuergeldern jährlich in die gesetzliche Rente fließen. Dazu kommen weitere 80,2 Milliarden Euro für die Pensionen von Beamten (1991 waren es noch 18,6 Milliarden). Die Tendenz ist stark steigend und das sogenannte „Generationenkapital“, mit dem der Anstieg der Beitragszahlungen zur gesetzlichen Rente abgemildert werden soll, ist bestenfalls ein schuldenfinanziertes Placebo. Zudem besteht eine weitere und riesige Gefahr für das Rentensystem. Ist der Fonds des Generationenkapitals erst einmal zu stattlicher Größe angewachsen, wachsen die Begehrlichkeiten der Politiker. So hat die schwarz-grüne Regierung in Schleswig-Holstein unter Daniel Günther (CDU) jüngst in den Honigtopf der Pensionsrückstellungen gegriffen und eine Milliarde entnommen, um aktuelle Haushaltslöcher zu stopfen. Nachhaltigkeit sieht anders aus.

Dann ist da noch der Cum-Ex-Skandal. Scholz steht im Verdacht, mit der Bank Warburg gemauschelt zu haben. Das ist wohl das Thema, das den SPD-Politiker am wenigsten beunruhigt. So sagte er der Bundestagsabgeordneten Mechthilde Wittmann (CSU) am Mittwoch im Deutschen Bundestag, sie könne sich das Suchen nach Belastungsmaterial sparen. Da sei nichts zu finden. Wahrscheinlich hat Olaf Scholz auch in diesem Punkt recht. Immerhin sind Kalender und Emails verschwunden bzw. gelöscht, die Aufschluss über seine Treffen mit Christian Olearius von der Bank Warburg hätten geben können. Das Umfeld des Scholzomaten funktioniert. „OWD“ – Olaf will das, ist die Maxime des Machtapparates der SPD.

So entpuppt sich der Respekt-Kanzler als Teflon-Wahlkämpfer mit langem Atem und strategischem Geschick. Das hat zwar nichts mit dem Wohl des deutschen Volkes aber viel mit dem Wohl seiner Genossen zu tun.


Bild: SPD

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Der Autor

Uwe-Matthias Müller ist Gründer und Vorstand des Bundesverband Initiative 50Plus, des Bundesverband Initiative 50Plus Austria und Sprecher des European Center of Competence for Demography.

Bis 1996 hat er mit seiner Frau und den beiden Töchtern in (West-)Berlin gelebt. Nach zwei Jahren im Ausland lebt er heute in Bayern.

Uwe-Matthias Müller kommt viel und gern nach Berlin. „Als Berliner auf Zeit geniesst man nur die Vorteile der Hauptstadt und kann die vielen Unzulänglichkeiten, unter denen die Bewohner täglich leiden, einfach ignorieren.“

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