Der Kommentar am Sonntag in DNEWS24.

Gedankenmacher: Da ist er wieder

Zu Beginn des Wahlkampfjahres 2024 beginnt der Streit in der Union. Es geht nicht nur um den Kanzlerkandidaten, es geht um das Grundsätzliche. Das kann für die größte Oppositionspartei und unsere Demokratie kreuzgefährlich werden.

Es ist Aschermittwoch in Passau. Die Drei-Flüsse-Stadt ist Gastgeber des größten politischen Stammtisches der Republik. Mehr als 4.000 CSU-Funktionäre und -Fans sowie Medienvertreter sind gekommen, um die Witterung aufzunehmen. Wohin geht die CSU in 2024?

Zu Beginn wird ein Imagefilm gezeigt, der die Stimmung in der modern-kühlen Dreiländerhalle anheizen soll. Ganz viel FJS, ein bisschen Stoiber und drei Sekunden Seehofer – und natürlich episch Markus Superstar, wie ein Bannerträger unverdrossen im Saal stolzierend demonstriert. Dabei wird klar, was MS von FJS unterscheidet: Gefühl und Leidenschaft. Wo FJS Maß für Maß zulegte, scheint MS nur so zu tun, als gingen mit ihm die Gäule durch. Vielleicht haben sich die Zeiten auch geändert, vielleicht zählt heute die zitierfähige kurze Headline für die Medien mehr als das Mitreißen der Menschen vor Ort.

Die Söder-Rede beim Politischen Aschermittwoch in Passau war gespickt mit Wahlkampf-Ankündigungen und Klassifizierungen des politischen Gegners. Und der klaren Benennung des politischen Feindes. Niemals mit der AfD – das sagt Markus Söder ganz klar, schnörkellos. AfD-Wähler ja, AfD-Funktionäre nein. EU- und NATO-Austritt, nicht mit der CSU.

Der Kernpunkt der Söder-Rede aber war die Total-Absage an eine Zusammenarbeit mit den Grünen. Was richtig und logisch erscheint. Denn welcher bürgerliche Wähler wird für die Union stimmen, wenn die nicht das Heizungsgesetz abschafft und die ungeregelte Migrationspolitik stoppt? Eine erneuerte Union der Post-Merkel-Ära hat nur dann eine Chance zur Mehrheit, wenn sie Bürger rechts der Mitte und die der Mitte abholt. Links der Mitte zu fischen, macht nach Ende der Merkel-Ära erkennbar keinen Sinn, das stärkt nur weiter die AfD.

Söder scheint das verstanden zu haben. Sein Kollege von der CDU nicht. Friedrich Merz will sich die Macht-Option Schwarz/Grün offenhalten. Noch einmal: welcher Wähler, der vom unheilbringenden Gewürge der Ampel unter Habeck, Özdemir, Lemke und Baerbock genug hat, wird sich eine  Fortsetzung mit Merz statt Scholz wünschen? Jedenfalls nicht die konservativ-bürgerlichen Kräfte der CDU, die Merz vor 2 Jahren im dritten Anlauf zum Vorsitzenden der CDU gewählt haben.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann baut gerade ein neues Grundsatz-Programm der einzig verbliebenen Volkspartei. Kern-Punkte sind das Individuum, nicht der Staat, Soziale Marktwirtschaft, nicht sozial nicht abgefederte Staatslenkung. Das passt offenkundig mit dem Staats- und Regierungsverständnis der Grünen nicht zusammen. Die Kompromiss-Nöte wären in einer Koalition zu groß. Der Markenkern der CDU würde in einer Koalition mit den Grünen weiter geschwächt.

So ist der fundamentale Richtungsstreit zwischen CSU und CDU vorprogrammiert. Zwischen Mitte-Links der CDU und Mitte-Rechts der CSU. Wenn Markus Söder wirklich meint, was er am Aschermittwoch in Passau gesagt hat und er die CSU niemals in eine Koalition mit den Grünen ließe, kann das das Schisma der Union bedeuten. Da zeichnet sich am Horizont des beginnenden Wahlkampfes nicht nur ein Streit um den schönsten Kanzlerkandidaten ab, es geht um mehr. Es geht um die Renaissance der Union. Die hat Friedrich Merz versprochen und bisher nicht geliefert. Sein Spiel mit den Grünen ist ein Spiel mit dem Feuer, in dem seine Kanzler-Ambitionen verrauchen könnten. Söder hat in seiner Aschermittwoch-Rede darauf hingewiesen, dass die von der Ampelregierung beschlossene Wahlrechtsreform einseitig zu Lasten der CSU geht. Damit würde der Einfluss der Bayern in Berlin weiter minimiert. Das kann die selbstbewusste CSU kaum zulassen. Ein Ausweg aus der Bedeutungslosigkeit in Berlin könnte sein, sich aus der regionalen Aufteilung und der Fraktionsbindung mit der CDU zu lösen und einen bundesweiten Auftritt (doch) zu wagen.

Zum Schluss des Politischen Aschermittwochs tobt der Saal. Na ja, vielleicht haben die CSU-Jünger nicht gerade getobt. Immerhin gab es minutenlange Standing Ovations und Gesänge aus der Fan-Kurve: „Oh, wie ist das schön!“. Mal abwarten, was die Wallfahrer singen, wenn sie merken, dass der Unions-Streit wieder alle Regierungs-Hoffnungen der CDU und oder CSU zerstört.


Bild: DNEWS24

Der Autor

Uwe-Matthias Müller ist Gründer und Vorstand des Bundesverband Initiative 50Plus, des Bundesverband Initiative 50Plus Austria und Sprecher des European Center of Competence for Demography.

Bis 1996 hat er mit seiner Frau und den beiden Töchtern in (West-)Berlin gelebt. Nach zwei Jahren im Ausland lebt er heute in Bayern.

Uwe-Matthias Müller kommt viel und gern nach Berlin. „Als Berliner auf Zeit geniesst man nur die Vorteile der Hauptstadt und kann die vielen Unzulänglichkeiten, unter denen die Bewohner täglich leiden, einfach ignorieren.“

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