Der Kommentar am Sonntag in DNEWS24.

Gedankenmacher: AfD ante Portas

Die AfD will für die nächste Bundestagswahl einen Kanzlerkandidaten nominieren. Ein normaler Vorgang für eine Partei, die sich anschickt, zweitstärkste politische Kraft im Bundestag zu werden.

Wer ein oder zwei Jahre abgeschaltet hat und keine Nachrichten in Deutschland gehört oder gelesen hat, reibt sich verwundert die Augen. Die AfD kommt in Umfragen seit der letzten Bundestagswahl zu immer erstaunlicheren Umfrage-Erfolgen. Die Partei, die als rechtsextremistisch, fremdenfeindlich und demokratiefern abgestempelt wird, hat Die Linke, die FDP, die Grünen und – in manchen Umfragen – sogar die SPD hinter sich gelassen.

Und nun, 27 Monate vor der nächsten regulären Wahl zum Deutschen Bundestag, will die AfD einen eigenen Kanzlerkandidaten nominieren und damit ihren Machtanspruch dokumentieren. Was zunächst verblüffend, gar lächerlich erscheint, hat historische Parallelen. 2002 versuchte die FDP mit ihrer „Strategie 18“ und dem Kanzlerkandidaten Guido Westerwelle, Profil zu gewinnen.

Was will uns die AfD mit ihrer wahltaktischen Attacke sagen? So unbeholfen und abstoßend manche Äußerungen der AfD-Repräsentanten klingen und wirken, so klug handelt die Partei, wenn es darum geht, ihre Konkurrenz in die Enge zu treiben. Die AfD hat als ihren Hauptgegner nicht die Parteien der Ampelregierung ausgemacht. Die zerstreiten und zerlegen sich selbst. Das Ansehen der Ampelregierung ist auf ein historisches Tief gesunken. Nur noch 20 % der Wähler sind zufrieden mit der Ampelregierung. In der aktuellen INSA-Sonntagsumfrage kommen die Ampel-Parteien zusammen nur noch auf 41 %.

SPD und Grüne kommen als potentielle Politik-Partner für die AfD inhaltlich kaum in Frage. Anders sieht das bei der CDU aus. Sie kann von der erbärmlichen Schwäche der selbsternannten Fortschrittskoalition nicht profitieren. Viele CDU-Wähler sind verunsichert, zu wenig inhaltliche Alternativen zur Regierungs-Politik sind für sie zu erkennen. Dazu kommt ein Partei-Vorsitzender Friedrich Merz, dem die Nähe und Empathie zu fehlen scheinen. Egomanie ist selten sympathisch und bietet wenig Kuschel-Fläche. Was der angeblich so unprätentiösen Bundeskanzlerin Angela Merkel scheinbar mühelos gelang, schafft Merz nicht mal ansatzweise. Er ist vielleicht der Kandidat des Verstandes, sicher nicht der Kandidat der Herzen.

Die Ampel-Parteien können sich voller Freude die Hände reiben. Sie müssen selbst keinen Wahlkampf gegen die CDU führen. Das wird die AfD für sie erledigen. Dabei wird sie voller Wollust darauf hinweisen, dass die CDU ja gar nicht wirklich gegen die fade und fatale Politik von Rot-Gelb-Grün argumentiere. Denn nicht nur in den Landesparlamenten und -Regierungen kooperiert die CDU mit den Ampelparteien, auch im Bund unterstützt die CDU eine Vielzahl – genau 57 % – aller Initiativen der Bundesregierung. Glaubhafte und wirkungsvolle Oppositionsarbeit sieht anders aus.

Übrigens: wofür die AfD steht, was sie konkret und wie anders machen würde, wenn ihr Kanzlerkandidat Hausherr (oder Hausfrau) am Willy-Brandt-Platz in Berlin wäre, bleibt offen. Denn von der AfD weiß man nur sicher, wogegen sie ist. Wie der „gärende Haufen“ (so Alexander Gauland) die noch viertgrößte Wirtschaftsnation der Welt führen will, weiß man nicht.

Die Tatsache, dass Brüder im Geiste in vielen anderen Ländern an den Schalthebeln der Macht sitzen, ist kein ausreichender Hinweis zur Beruhigung. So hat zum Beispiel der jahrelange Populismus der Torys in Großbritannien letztlich zum Brexit geführt – aber eben auch zum dramatischen Niedergang der Wirtschaftskraft der Insel. Als Folge des Brexits ist UK heute der kranke Mann in Europa. Fast pleite, ohne Perspektive, unzulänglich auf den demografischen Wandel vorbereitet, mit maroder Infrastruktur und einem kränkelnden Gesundheitswesen ist – nein, nicht Deutschland, sondern – Großbritannien auf der gesellschaftlichen Rutschbahn nach unten.

Auch die AfD will Deutschland aus der EU austreten lassen, besser noch die EU gleich ganz auflösen. Verrückt, wer Böses dabei denkt?

Wer so etwas nicht in Deutschland erleben will, wer die AfD verhindern will, sollte sich nicht darauf beschränken, über die AfD zu meckern und Brandmauern einzufordern. Besser und effektiver wäre es, die AfD dazu zu bringen, endlich konstruktive Politik zu machen und Farbe zu bekennen.

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Der Autor

Uwe-Matthias Müller ist Gründer und Vorstand des Bundesverband Initiative 50Plus, des Bundesverband Initiative 50Plus Austria und Sprecher des European Center of Competence for Demography.

Bis 1996 hat er mit seiner Frau und den beiden Töchtern in (West-)Berlin gelebt. Nach zwei Jahren im Ausland lebt er heute in Bayern.

Uwe-Matthias Müller kommt viel und gern nach Berlin. „Als Berliner auf Zeit geniesst man nur die Vorteile der Hauptstadt und kann die vielen Unzulänglichkeiten, unter denen die Bewohner täglich leiden, einfach ignorieren.“

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