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Olympia 2024: En garde – die Fecht-EM als letzte Generalprobe. Von Petra Fritz

Vom 18. bis 23. Juni finden in der St. Jakobshalle in Basel die Fecht-Europameisterschaften statt. Über 420 Athletinnen und Athleten aus 36 Nationen sind Teil des Gross-Events und wetteifern um Weltrangpunkte. Als letzter Wettkampf vor den Olympischen Spielen in Paris (26. Juli – 11. August 2024) kommt der diesjährigen Europameisterschaft ein besonderer Stellenwert zu. Die Nationalteams haben hier letztmals die Möglichkeit ihre Teamzusammenstellung zu prüfen. Zum Sieg sind Perfektion und Millimeter genaue Präzision gefragt; was man hautnah zu sehen bekommt sind emotionale Duelle.

Aus Termingründen konzentriere ich mich auf das Florettfechten der Herren und das Degenfechten der Frauen. Während es in der großen Halle bei den „Degen-Damen“ relativ ruhig zugeht und allenfalls nach dem Gefecht außerhalb der Planche heftig unter den Gegnerinnen gestritten wird, kann man das Adrenalin bei den Florett-Herren schon von weitem lautstark hören. Als bester Florettfechter auf der Planche gilt derzeit der Italiener Alessio Foconi. Überhaupt ist Italien vor Frankreich und Ungarn quanti- und qualitativ die aktuelle Topnation im Fechtsport. Einen Top-Platz im Ranking hatte einst auch Deutschland inne, das nunmehr im Mittelfeld rangiert. Dennoch werde ich Zeuge eines erfolgreichen Blitzkampfes, als Felix Klein die Matte betritt. Die drei Runden beendet er souverän mit 5:0 nach sage und schreibe nur einer Minute. Spektakulär verläuft auch der Vorrundenkampf zwischen dem jungen Briten Sosnov und einem weiteren Starfechter aus Italien: Tommaso Marini aus Ancona. Auch er – der seinen Haarzopf hochgebunden unter dem Helm trägt – ist bereits mehrfacher Weltmeister.

Vier Deutsche kämpfen um noch um die Olympia-Quotenplätze. Aber dennoch wird Deutschland in Paris mit einer historisch kleinen Abordnung antreten. Da sowohl die männlichen Florettfechter sich nicht über die Teamwertung qualifizieren konnten, als auch in den anderen beiden Teildisziplinen (Säbel und Degen) kein deutsches Team die entscheidenden Ränge erreichte, bleiben nur noch besagte Einzelplätze. Bislang konnten sich nur Matyas Szabo (Säbel) und Anne Sauer (Florett) über die europäischen Einzelbestenlisten qualifizieren, was leider auch verletzungsbedingte Gründe hat. So muß ausgerechnet Europameisterin Leonie Ebert pausieren. Da Sauer bei den Olympischen Spielen nur im Einzel antreten wird, ist die 33-jährige in Basel nicht Teil der Florett-Mannschaft. Für die Mannschaft traten Carlotta Morandi, Aliya Dhuique, Leandra Behr und Kim Kischen an. Für den deutschen Alexander Kahl (30) ist die EM in Basel bereits die sechste Europameisterschaft im Senioren-Bereich. Der Sportstudent belegte vorheriges Jahr einen starken sechsten Platz und konnte sich mit der Mannschaft sogar eine Podiums-Platzierung (3. Platz) sichern. Er hat auch 2024 den Blick auf einen Podiumsplatz gerichtet. „Wenn es gelingt 2-3 wichtige Gefechte gegen starke Konkurrenten zu gewinnen, ist auch dieses Jahr eine gute Platzierung möglich“, so Kahl vor dem Wettkampf. Neben Alexander Kahl komplettieren Felix Klein, Laurenz Rieger und Paul Luca Faul das DFB-Florett-Team.

Im weiteren Verlauf der Florett-(End)runden lief es jedoch nicht mehr so rund, da in der Tat starke Gegner gegenüber standen. Rieger, Klein und Faul sind unter den letzten 64 ausgeschieden. Einzig Kahl schaffte es gegen den zuvor erwähnten Briten Sasnov bis in’s Viertelfinale, wo er schließlich auf Superstar A. Foconi traf und unterlag. Kahl beendete die EM aufgrund der starken Trefferzahl wie im Vorjahr auf Rang sechs.

Gleich zu Beginn traf ich bei der Materialkontrolle auf einen weiteren deutschen Fechter, nämlich Fabian Herzberg vom TSV Bayer 04 Leverkusen (ehemals im U20 Nationalteam), der sowohl mit dem Degen, als auch dem Florett umzugehen weiß. Etwas später komme ich an der Reparaturstation kurz mit der mehrfachen Schweizer Meisterin Angela Krieger ins Gespräch, als sie eine ihrer Klingen nochmals technisch prüfen ließ. Hier hatte ich auch Gelegenheit einmal mehr über die einzelnen Klingen zu erfahren und selbst Hand anzulegen. Je nach Vorliebe der Fechter gibt es nämlich Härtere und Weichere. Meine ist sehr geschmeidig und man muss schon sehr genau hinsehen, um das feine Kabel in der Mitte des Stahlstabes zu sehen, an dessen Spitze der nur ca. 0,4 cm große Trefferkontaktpunkt sitzt. Das Gewicht eines Floretts beträgt bei einer Gesamtlänge von 110 Zentimetern ca. 550 Gramm inklusive der „Glocke“, also dem Schalen ähnlichen Handschutz. Kostenpunkt ca. 250.- bis 300. Euro. Zu haben sind hier auch die hauchdünnen Handschuhe, die je nach Waffe – Degen, Florett oder Säbel – aus verschiedenen hochwertigen Materialien bestehen
können.

Ursprünge des Fechtsports

Fechten ist heute in erster Linie eine Kampfsportart, die derzeit von ca. 25.000 Menschen in Deutschland und rund einer Million weltweit betrieben wird. Vor ihrer Etablierung als Sportart war das Duell die klassische Austragungsform. Die historischen Ursprünge und Stile in der Renaissance gehen auf die Verfeinerung der Waffen und der Bewegungsabläufe gegenüber Schwert- und Säbelkämpfen zurück. Eine Deutsche Spitzenfechterin definierte es einmal so: „Fechten ist wie Boxen auf dem Schachbrett“. Florett bildet die Basis des modernen Fechtens und wurde im 18. Jahrhundert zu Trainingszwecken entwickelt. Ein gewöhnlicher scharfer Degen wurde entschärft, indem eine stumpfe sog. Knospe (auf Französisch „Fleuret“) über die Spitze gestülpt und die Klinge mit einer Folie umwickelt wurde.

Wie unterscheiden sich Degen-, Florett und Säbelfechten?

In Florett und Degen stellen die Fechter ihre Klinge senkrecht und der Obmann setzt ein Gewicht auf die Klingenspitze, 500 Gramm beim Florett, 750 Gramm beim Degen. Er drückt auf das Gewicht und löst so eine Trefferanzeige aus. Ist die Druckfeder der Spitze korrekt gespannt, muss die Anzeige erlöschen. Trefferpunkte beim Florett sind nur der Rumpf einschl. Rücken, nicht an Extremitäten wie Arm oder Hand. Der größte Unterschied besteht im Gewicht: Während das Florett um die 500 Gramm wiegt, beträgt das Gewicht des Degens ca. 770 Gramm. Der Klingenquerschnitt des Degens ist rechteckig, derjenige des Floretts hingegen dreikantig.

Begriffe und Regeln rund ums Fechten

Grundsätzlich gilt im Zweikampf das K.O.-System. Aufgrund der (Weltranglisten)platzierung erfolgt dann auch die «Setzung» an den olympischen Spielen. Das heißt, je nach dem Ranking wird man besser oder weniger gut gesetzt und je höher man rangiert, desto besser ist die Chance, dass man zu Beginn vielleicht schlechter rangierte Gegner erhält. In Folge dessen ist gerade dieses Jahr die EM sehr wichtig für die olympischen Spiele. Darauf hofft u.a. auch die Bonnerin Anne Sauer, die beim kürzlichen Weltcup in China eine Top-8-Platzierung erreichte. Anders als bei Weltcup-Turnieren müssen bei einer EM auch die in der Weltrangliste weiter oben platzierten Athletinnen in den Vorrunden antreten.

Die Cavation ist eine im Fechtsport verwendete Aktion. In einer Vorwärtsbewegung führt dabei die Spitze der Klinge eine Kreis ähnliche Bewegung um die gegnerische Waffe aus. Die Cavation (auch Umgehung genannt) wird verwendet, um der gegnerischen Waffe auszuweichen oder sich aus einer Bindung zu lösen.

Zu Beginn eines Gefechtes müssen mindestens zwei intakte Waffen sowie zwei Körperkabel auf die Fechtbahn mitgebracht werden. D.h. zusätzlich zur Waffe, mit der gefochten wird, müssen eine Ersatzwaffe und ein Ersatzkabel vorhanden sein. Am Glockenstecker oder am Ende des Körperkabels muss eine Haltevorrichtung sein.

Der sog. Paukhelm schützt die Kopfoberseite mit einer massiv verstärkten Lederkappe und das Gesicht mit einem Metallgitter. Unterhalb des Gitters, das innen individuell ausgepolstert sein kann, befindet sich ein lederner Latz zum Schutz des Halses.

Degen-Fechtkämpfe bestehen aus insgesamt drei Runden, die jeweils drei Minuten dauern. Das Gefecht dauert so lange, bis 15 Punkte erzielt wurden. Wenn alle drei Runden beendet sind und noch niemand 15 Punkte erreicht hat, gewinnt der/die Fechter*in mit der höchsten Punktzahl.

Als Mensur bezeichnet den Abstand der Fechter*innen zueinander. Man unterscheidet man zwischen naher, mittlerer und weiter Mensur. Die Kampfleiter*in eines Gefechtes nennt man Obmann oder Obfrau. Zur Verwarnung gibt es gelbe, rote und – bei schweren Verstößen – schwarze Karten.

Weitere Informationen zum Fechtsport findet man unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Fechten.

Parade, Riposte – Touché. Ein wahrer Volltreffer, so spannend, vielfältig und emotional kann Fechten sein. Dabei kommen die Akteure übrigens ganz schön in’s Schwitzen, was die lange Reihung an Equipment belegt, das auf einer sonnigen Außenterrasse der St. Jakobhalle vor dem nächsten Einsatz zum Trocknen ausgelegt wurde.


Anmerkung: Fotos und Collagen von PFritz, teils mittels „Pho.to Editor“, Fremdmaterial (Bild/ Ton) ist entsprechend gekennzeichnet.

Petra Fritz

Die Autorin ist von Beruf Dipl-Kfm (Uni Mannheim), Jahrgang 1960, verheiratet, wohnhaft in Speyer und Locarno. Sie war 4 Jahre Personalleiterin bei den US-Streitkräften (AAFES) in Stuttgart und Heidelberg und in Folge 12 Jahre im Pharma-Management von BASF (Auslandsvertrieb) tätig, davon 18 Monate bei der Tochtergesellschaft Quimica Knoll in Mexico.

Von 2002 bis 2022 war Petra Fritz selbständige rechtliche Berufsbetreuerin (Vormund) und Verfahrenspflegerin für verschiedene Amtsgerichte in der Vorderpfalz. Seitdem widmet sie sich verstärkt ihrer Coaching- und Autorentätigkeit.

Privat war Petra Fritz Leistungssportlerin im Eis- und Rollkunstlauf (u.a. Teilnehmerin bei der Profi-WM 1978 und Top 10 1979), später 14 Jahre lang Vize-Präsidentin des Rheinland-pfälzischen Eis- und Rollsportverbandes sowie Repräsentantin „Frau im Sport“. Heute ist sie in der Freizeit gerne auf dem Wasser und auf Ski unterwegs. Ansonsten agiert sie seit 2012 auch als semi-professional Bestager-Model, Darstellerin, Moderatorin und Bloggerin für „Topagemodel.de“.

Petra Fritz hat das Buch „Mittendrin statt nur dabei“ veröffentlicht.

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