Die Memoiren des einstigen Chefs der DDR

Egon Krenz: Aufbruch und Aufstieg – Buchtipp

Die aktuellen Erinnerungen eines Ewiggestrigen.

„Stell ihn Dir in Unterhose vor, dann ist alles nicht so schlimm!“ Diesen Tipp, Lampenfieber und Menschen-Scheu zu überwinden, habe ich noch nie angewandt. Und dennoch. Ich habe ihn einmal persönlich gesehen, sozusagen am Gartenzaun getroffen. Und: er stand vor mir – im Unterhemd. Es muss 1990 im Frühjahr gewesen sein. Als gebürtiger und gelernter West-Berliner war ich zwar regelmäßig mehrmals im Jahr in Ost-Berlin gewesen, aber immer nur in Mitte. Nach Pankow, in die Bonzen-Siedlung des Villen-Viertels am Majakowski-Ring verschlug es mich aus Neugier erst nach dem Fall der Mauer. Ich wollte einfach mal sehen, wie die wohnten, die nicht in der Waldsiedlung Wandlitz abgeschirmt hausten. Und während ich da so langspazierte, entdeckte ich Egon Krenz. Im Unterhemd, bei der Gartenarbeit. Sein Blick war nicht freundlich, nicht offen, eher erschreckt und abwehrend. Wer weiß, was der langjährige Kronprinz der DDR und deren Chef für 6 Wochen so alles schon an Pöbeleien erlebt hatte…

Egon Krenz, 1937 in Kolberg geboren, kam 1944 mit seiner Mutter nach Mecklenburg. Sie flüchteten vor den Russen, deren Politik sich Egon seit seiner Schulzeit verschrieb. Krenz wurde ein Polit-Funktionär, wie es ihn heute viele gibt. Sie haben nie einen Brotberuf ausgeübt, nie das „wirkliche“ Leben kennengelernt. Sie sitzen in allen Parlamenten, man schaue nur in die Biografien und Gesichter der „MdB“. Damals aber – Anfang der 1950iger Jahre – war dieses Phänomen neu. Krenz absolvierte Schritt für Schritt den Weg vom Lokal- zum Staats-Funktionär. Er muss so geschmeidig und linientreu gewesen sein, dass er gefühlt länger der Kronprinz von Erich Honecker war, als Prince Charles auf die Besteigung des Throns in England wartet.

Am Ende hatte er sich mit seinem Mentor überworfen und half dabei, Honecker zu stürzen. Seine offensichtliche Verstrickung in das staatlich verordnete Unrecht der DDR und seine glanzlosen, uninspirierten Auftritte als Partei- und Staats-Chef machten Gregor Gysi und Co klar, dass mit Krenz die DDR nicht zu retten war. So stürzten sie ihn Anfang Dezember 1989 vom Thron, um Macht, Einfluss und Geld der SED und DDR zu konservieren.

In seinem Memoirenbuch greift Egon Krenz die ersten 35 Jahre seines Lebens auf, schweift aber auch immer in sein späteres Leben ab. Getreu dm Motto „Früher war alles besser“ zeichnet er ein Bild von der DDR, wie sie hätte sein können, nicht, wie sie war.

Dennoch ist das Buch ein lesenswertes Stück Zeitgeschichte und zu empfehlen. Bleibt zu hoffen, dass dem 85jährigen Krenz genügend Zeit für den Folge-Band verbleibt.

Bibliografie:

  • Autor: Egon Krenz
  • Verlag: Edition Ost
  • Seiten: 352
  • ISBN: 978-3-360-02805-1
  • Preis: 24,00 Euro

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