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Sonntagsfrage Europa-Wahl: Keine blaue Welle

Aktuelle Umfrage-Ergebnisse zu der bevorstehenden Europa-Wahl zeigen die vermutliche Stärke von Rechten, Linken, Liberalen und den Konservativen.

Aktuelle Sonntagsfrage zu der Europa-Wahl im Juni 2024

Die Wahlprognose zeigt, dass die beiden rechtspopulistischen bzw. nationalistischen Fraktionen nach aktuellem Stand an Boden gewinnen würden: Die Fraktion Identität und Demokratie (ID), zu der auch die AfD gehört, würde 81 Abgeordnete stellen (bislang 59). Die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer (ECR), deren größte Partei bislang die polnische PiS ist, würde von 68 auf 76 Sitze anwachsen.

Insgesamt würden diese beiden rechten Fraktionen nun mehr als ein Fünftel (21,8 %) aller gewählten Abgeordneten des EU-Parlaments stellen, ein neuer Rekord: 2019 lag dieser Wert noch bei 18 Prozent, 2014 bei 15,7 Prozent, 2009 bei 11,8 Prozent und 2004 nur bei 8,7 Prozent. Trotz dieses deutlichen Anstiegs ist der rechte Flügel aber noch weit davon entfernt, das Europäische Parlament zu dominieren.

Die Zugewinne für die radikale Rechte hängen u. a. mit dem sehr guten Ergebnis des französischen Rassemblement National (28 Sitze, +10), dem Aufstieg der deutschen AfD (15 Abgeordnete, +6) und den Umfrageerfolgen von Geert Wilders PVV in den Niederlanden (9 Sitze, +9) zusammen. Der Stimmengewinn ist jedoch kein einheitliches Phänomen in ganz Europa. In Italien z. B. stagnieren die Rechten: Die Partei Fratelli d’Italia von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni legt zwar stark zu (24 Sitze, +14), aber hauptsächlich auf Kosten der ebenfalls nationalistischen Lega von Matteo Salvini (7 Abgeordnete, -16). Und in Polen ist die PiS-Partei, die bei den Parlamentswahlen 2023 die Macht verloren hat, stark rückläufig (16 Sitze, -11).

Die Ergebnisse von Umfragen, die Infratest dimap und INSA in Sachsen und Thüringen zu den Landtagswahlen durchgeführt haben, sind eindeutig: AfD und BSW haben das Potential, die parlamentarische Arbeit zu lähmen. Und: die Parteien der Ampel werden abgestraft, die FDP wird sogar marginalisiert. Die CDU, die früher in beiden Bundesländern absolute Mehrheiten einfahren konnte, darf nur noch auf Platz 2 hoffen – abgeschlagen hinter der AfD.

Nur große Koalition würde Mehrheit im EU-Parlament erreichen

Der Vormarsch nationalistischer Parteien würde das Zentrum des nächsten Europäischen Parlaments zwar leicht nach rechts verschieben, aber das grundlegende Gleichgewicht nicht verändern. Nur eine große Koalition, bestehend aus Abgeordneten der bürgerlich-konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), der Sozialdemokraten (S&D) und der Fraktion „Renew Europe“, die liberale und zentristische Parteien vereint, würde eine Mehrheit der Sitze gewinnen (398 von 720). Während die Werte für die EVP- (177 Sitze, -1) und S&D-Fraktion (136 Abgeordnete, -4) recht stabil sind, müssen die Liberalen mit starken Verlusten rechnen (85 Sitze, -17).

Die Fraktion der Grünen/EFA, die häufig den vom Parlament angenommenen Texten zustimmt, wird wahrscheinlich ebenfalls viele Sitze verlieren (55, -17) und würde damit ihr Rekordergebnis von 2019 nicht bestätigen.

Alternative Koalitionen wären wahrscheinlich nicht auf Dauer tragfähig. Eine Mitte-Rechts-Koalition (EVP, Renew, ECR) hätte mit nur 338 von 720 Abgeordneten keine Mehrheit im Europäischen Parlament. Eine Rechtskoalition (EVP, ID, ECR), würde laut Prognose 334 Sitze erhalten.

CDU/CSU als stärkste nationale Delegation gleichauf mit Le Pen

Die beiden traditionell größten Fraktionen im Europäischen Parlament, die EVP und die S&D, würden insgesamt nur 313 Abgeordnete (43,5 % der Gesamtzahl) stellen; der niedrigste Wert seit 1979. Obwohl die CDU/CSU-Gruppe mit 28 deutschen Europaabgeordneten weiterhin die stärkste nationale Delegation im nächsten EU-Parlament stellen könnte, liegt sie in der aktuellen Ipsos-Prognose inzwischen nur noch gleichauf mit dem französischen Rassemblement National. Bestätigt sich dieser Trend bei den Wahlen im Juni, könnte zum ersten Mal eine Rechtsaußenpartei die größte Delegation im Europäischen Parlament bilden.

Wahlprognose für Deutschland: Grüne verlieren, AfD und BSW legen zu

Der Blick auf die Wahlabsichten der deutschen Bevölkerung bei der Europawahl zeigt ebenfalls deutliche Verschiebungen. Die Union würde ihr Ergebnis vom Jahr 2019 mit 29 Prozent der Stimmen in etwa halten (28 Sitze, -1), ebenso wie die SPD, die bei 17 Prozent liegt und mit 16 Europaabgeordneten (±0) rechnen kann. Für die Grünen und die AfD würden sich 16 Prozent der Wahlberechtigten entscheiden, was jeweils 15 Sitzen im EU-Parlament entspricht. Während die Grünen jedoch 6 Sitze im Vergleich zur letzten EU-Wahl verlieren würden, gewinnt die AfD nach jetzigem Stand 4 Abgeordnete hinzu. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (7 %) würde aus dem Stand 7 Europaabgeordnete stellen. Die FDP (4 %) und die Linke (4 %) würden jeweils einen Sitz verlieren (4 Sitze, -1), während die Freien Wähler (3 %) mit 3 Abgeordneten vertreten wären (+1).

Ipsos hat in den 18 bevölkerungsreichsten Ländern der Europäischen Union über 25.000 wahlberechtigte Personen zu ihrer Wahlabsicht befragt. Die Ergebnisse sind repräsentativ und bilden rund 96 Prozent der EU-Bevölkerung und 89 Prozent der Europaabgeordneten ab. Es ist das erste Mal, dass eine Hochrechnung zur EU-Wahl auf der Grundlage von parallel durchgeführten nationalen Befragungen von ein und demselben Meinungsforschungsinstitut umgesetzt wurde.

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