So (wie geplant) wird die Grundrente nicht kommen

Bis zum Ende des Monats wollte Bundesarbeitsminister Heil in einem abgekürzten Verfahren seinen Gesetzentwurf zur Grundrente durch das Kabinett bringen. Doch es gibt heftige Kritik von vielen Seiten. Es kommt zu Verzögerungen.

Die Kritik an der geplanten Grundrente fokussiert sich vor allem auf drei Kernbereiche: die ungeklärte Finanzierung der Grundrente, drohende Rechtsrisiken wegen Ungleichbehandlung, enormer zusätzlicher Verwaltungsaufwand.

Die Finanzierung ist nicht gesichert

Der von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil vorgelegte Gesetzentwurf  zur Grundrente beziffert die Mehrkosten für die Grundrente im ersten Jahr auf 1,4 Milliarden Euro. Dieser Aufwand steigt dann bis 2025 auf 1,7 Milliarden Euro an. Die zusätzlichen Beträge sollen aus dem Bundeshaushalt kommen, aus den Einnahmen der seit 2008 geplanten Finanztransaktionssteuer. Doch der Bundesfinanzminister kommt auf europäischer Ebene mit dem Projekt nicht voran. So hat der Bundeskanzler der Republik Österreich Sebastian Kurz im Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel noch einmal bekräftigt, dass Österreich der vorliegende Entwurf des Scholz-Gesetzes nicht weit genug geht und daher abgelehnt wird. Auch Christian von Stetten, mittelstandspolitischer Sprecher der CDU/CSU-Bundestags-Fraktion, lehnt das Projekt in seiner derzeitigen Form ab. Die von Bundesfinanzminister Scholz geplante Finanztransaktionssteuer sei ein Torso, da sie Hochfrequenz-Trader und andere Institutionelle nicht erfasse. Durch den Gesetz-Entwurf seien ausschließlich Klein-Anleger betroffen, was ein Rückschlag für die dringend notwendige Private Altersvorsorge sei. Die Finanzierung beruht also bislang auf einem ungedeckten Scheck. Notfalls kann sich der Finanzminister auch einen deutschen Alleingang vorstellen. Auch dagegen wehrt sich jedoch Koalitionspartner CDU.

Zu wenig verlässliche Daten

Weitere Kritikpunkte zur Finanzierung: Die Schätzungen des finanziellen Aufwandes der Grundrente sind zu kurzfristig und zu unsicher. Bei einschneidenden Rentenreformen war es in der Vergangenheit üblich, Prognosen weit in die Zukunft zu erstellen. Für die Grundrente hat das Bundesarbeitsministerium gerade einmal bis 2025 gerechnet. Außerdem zweifeln Experten an der Stichhaltigkeit der Aufwandsschätzungen. Aus der Rentenversicherung war zu vernehmen, die Kosten ließen sich im Augenblick noch gar nicht zuverlässig erheben. So macht sich die Furcht breit, dass am Ende die Grundrente doch aus der Rentenkasse bezahlt werden muss.

Das Damoklesschwert der Ungleichbehandlung

Zweiter gravierender Einwand: Es droht der Vorwurf der Ungleichbehandlung. So können zum Beispiel Einkünfte von Rentnern, die im Ausland leben, nicht ohne weiteres und kaum in Gänze erfasst werden. Wenn sich eine Leistung der sozialen Sicherung aber allein durch den Wohnsitz im In- oder Ausland unterscheidet, lässt sich schnell eine sachwidrige Ungleichbehandlung vermuten. Doch der Wohnort ist nicht die einzige Quelle für unterschiedliches Vorgehen. Kapitalerträge, auf die bereits Abgeltungssteuer erhoben wurde, fallen bei der Einkommensprüfung in der geplanten Form unter den Tisch. Das Gleiche gilt für Einkommen aus pauschal besteuerten Minijobs. Sollte einer der beiden Ehepartner einem Minijob nachgehen, so fließt dessen Einkommen nicht in die Prüfung mit ein.

Nicht-eheliche Gemeinschaft wäre im Vorteil

Ähnlich liegt der Fall, wenn zusammenlebende Paare weder verheiratet noch verpartnert sind. Von diesem gemeinsamen Haushalt hat weder das Finanzamt noch die Rentenversicherung Kenntnis. Daher erhalten sie einen Vorteil gegenüber verheirateten Paaren, der sich obendrein noch als Verstoß gegen den besonderen Schutz von Ehe und Familie herausstellen dürfte. Eheleute könnten demnach Urteile des Bundesverfassungsgerichts ins Feld führen, mit denen eine Benachteiligung der Ehe im Verhältnis zu nicht-ehelichen Lebensgemeinschaften beanstandet wurde.

Starttermin 2021 ist nicht zu halten

Dritter Kritikpunkt: Der Verwaltungsaufwand für die Prüfung und Auszahlung der Grundrente ist enorm. Die Rentenversicherung selbst spricht von mehreren 100 Millionen Euro beziehungsweise mehr als 25 Prozent der Leistungsausgaben. Das wäre deutlich mehr als der Verwaltungskostensatz, den die Rentenversicherung bislang hat. Doch es entsteht neben dem eigentlichen Kostenproblem noch ein personelles und ein zeitliches. Die Rentenversicherung hat schon signalisiert, dass sich der für die Einkommensprüfung geplante Datenaustausch mit den Finanzämtern bis 2021 nicht aufbauen lässt. Für den notwendigen Stellenaufbau wegen des erhöhten Verwaltungsaufwandes gebe es kurzfristig kein Personal. Damit droht aus Sicht des sozialdemokratischen Arbeitsministers der GAU. Der Starttermin für die Grundrente lässt sich nicht wie geplant halten. Sie sollte schon ab Januar 2021 gezahlt werden, zeitlich passend zum Wahljahr.


Quelle: Deutsches Institut für Altersvorsorge (https://www.dia-vorsorge.de/)

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