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Kleider machen Leute – Live-Eindrücke von der Milano Fashion Week 2023 von Petra Fritz

Kleider machen Leute. Eigentlich müsste es heißen: Leute machen Kleider, denn darum geht es, wenn die internationalen Top Labels jeweils zweimal bzw. viermal im Jahr in London, Paris, New York und Mailand ihre Kollektionen präsentieren. Bereits Ende Januar war die Herrenmode dran, nunmehr standen Ende Februar die Damen im Mittelpunkt.

Da geben sich Gucci, Prada, Fendi, Armani, Missoni oder Moschino bis hin zu Dolce & Gabbana auf dem roten Teppich die Klinke; zum ersten Mal gab es dieses Mal auch die Black Carpet Awards. Zwischen dem 21. und 27. Februar fanden hinter gut gesicherten Mauern rund 60 Laufstegshows statt, wobei das große Modeereignis ganz im Licht von Rekordgewinnen der Vermarktungsgruppen LVMH und Kering stand.

Wo genau die Schauen stattfinden, wird oft möglichst lange geheim gehalten, um Menschenaufläufe und Gaffer von den geladenen Gästen fernzuhalten. Meist aber finden sie in den schönsten Palazzi der Stadt statt oder auch in den eigenen Couture-Häusern. Manchmal aber auch bewusst an verwunschenen Orten bzw. sog. Lost Places; quasi als Kontrast zu den edlen Roben.

Einige der Laufsteg-Shows kann man per Live-Stream im Internet oder vor dem großen Bildschirm am Dom verfolgen. In der angrenzenden Galerie „Vittorio Emanuele“ befinden sich ohnehin Filialen der italienischen Top-Labels Fendi, Gucci, Prada & Co. Die Flagship Stores dieser großen Modehäuser sind meist im Umfeld der Via Montenapoleone im Stadtteil Brera angesiedelt.

Fernab von Paparazzi und Promi-Hype um aufgespritzte Lippen und runderneuerte Körper geht es mir um die Sache. Was tut sich auf dem Modemarkt, wie steht es um die so oft zitierte Nachhaltigkeit, was ist für Normalbürger tragbar, welche Trends zeichnen sich ab? Schließlich wird hier die Herbst-/ Wintermode 2023/ 24 vorgeführt, d.h. die aktuell auf der Fashion Week gezeigten Roben und Accessoires repräsentieren die Looks immer ein Jahr im Voraus.

Die Ausgabe von 2023 stand m.E. ganz im Zeichen von Afro-Fashion-Designern und nachhaltiger Modeproduktion. U.a. wurde ein Galaabend von der Afro Fashion Association organisiert, um die neue Vielfalt zu feiern, was nach Meinung von Experten in Milano lange überfällig war.

Trotz Energiekrise und weltweiter Unsicherheit durch die Ukrainekrise boomt das Geschäft der
Luxusmarken

Der französische Riese LVMH (gemeint ist die börsennotierte LVMH Louis Vuitton – Moët Hennessy SE, also der weltweite Branchenführer der Luxusgüterindustrie), zu dem u.a. die Marken Fendi und Bvlgari gehören, meldete für 2022 eine Rekord-Umsatzsteigerung von 23 Prozent und eine Nettogewinn-Steigerung von 17 Prozent (https://de.wikipedia.org/wiki/LVMH).

Der Rivale Kering (Sitz in Paris, https://de.wikipedia.org/wiki/Kering_(Unternehmen) meldete seinerseits einen 14-prozentigen Anstieg seines Nettogewinns bei einem Umsatzplus von 15 Prozent, trotz der angeblich schlechten Leistungen der Flagschiffmarken Gucci und Balenciaga.

Die Zahlen der nationalen Modekammer Italiens (CNMI) bestätigen jenen Positivtrend. Insgesamt ist von einem Umsatz in Höhe von 104 Milliarden US-Dollar (98,3 Milliarden Euro) und einer 18-Prozent-Steigerung gegenüber Vorjahr die Rede. Trotz steigender Energiekosten und Inflationsdepression wird für 2023 immerhin noch 4% Wachstum prognostiziert.

Zutritt zu den Top Haute Couture Schauen ist für Normalsterbliche ohnehin nicht zu bekommen; schon gar nicht gegen Eintrittsgeld. Jeglicher Zugang erfolgt ausschließlich auf Einladung der betreffenden „Häuser“. Glücklicherweise konnte ich am Eröffnungstag Zugang zu einem Sonder-Event der „Camera Nationale della Moda Italiana“ (ggr. 1958, CNMI-Präsident ist Carlo Capasa) im Palazzo Giureconsulti erhalten, dem sog. Milan Fashion Hub. Der Schwerpunkt lag dabei auf ausgewählten Newcomern der Branche, d.h. bereits seit einigen Jahren etablierten aufstrebenden Modemarken mit großem Potential.

Auch hier heißt es erst einmal Schlange stehen, denn der Einlaß erfolgt nur nach Listenprüfung. Ohne reichlich Security geht es natürlich auch hier nicht.

Drinnen geht es gelassen zu. Kein Gedrängel, keine Selfi-Orgien oder wüstes Kameraklicken. Gleich am Eingang werden im Foyer Drinks und Häppchen gereicht; im ersten Stock legt ein DJ dezente Bässe auf.

Den verdunkelten Showroom im Erdgeschoß teilen sich mit Zsigmond und Pinetime gleich zwei in Ungarn ansässige Unternehmen. Die nachhaltig – fast ausschließlich aus recyceltem Materialien – produzierten Jacken, Sweaters und Hoodies geben sich strapazierfähig und farbenfroh und positionieren sich im Freizeit- bzw. Outdoor-Segment. Immer zur Stelle sind Repräsentanten der Unternehmen, teils stehen auch die Designer selbst Rede und Antwort.

Schnell komme ich mit Gallagher von Pinetime (ggr. 2012) ins Gespräch. Er beteuert, daß jedes Kleidungsstück umweltbewusst und ethisch vertretbar in Ungarn hergestellt werde. Die organischen und recycelten Stoffe würden ausschließlich von transparenten, qualifizierten europäischen Herstellern gekauft und auch Reste aus Überproduktionen von Luxusmarken verwendet. Die Mission sei es, dauerhafte und zeitlose Kleidungsstücke mit viel Liebe zum Detail herzustellen: „Evergreen Goods for Urban Explorers“.

Weiter geht es die elegante Treppe hinauf in den ersten Stock, wo entlang des Hauptflures und in den einzelnen Suiten diverse weitere Marken mit ihren Ausstellungsstücken platziert sind. Die Bandbreite der dargebotenen Mode überrascht. Hinsichtlich Farbe, Stil und Materialmix läßt sich – zumindest für mich – kein Trend erkennen. Vielmehr scheinen die Designer mehr auf Individualität und Wiedererkennungswert abzuzielen. Egal ob Strick, Seide, Plissé, Metall-Pailletten oder Stretch, alles scheint „in“ und eine bestimmte Botschaft zu publizieren.

Besonders beeindruckend scheint mir das Bestreben nach neuen Stoff-Kompositionen. Wie z.B. Jeansstoffe durchsetzt mit transparenten Stoffbahnen. Also nicht nur Couture-Design, sondern auch Couture-Stoffe.

Spricht man mit den Repräsentanten, informieren diese selbstbewusst über die Ideenfindung, ihre Anliegen und den Umsetzungsprozess. Manches mag auf den ersten Blick etwas seltsam aussehen oder gar altmodisch anmuten; Puffärmel und Gehäkeltes sind einfach mein Ding. Aber über Geschmack lässt sich bekanntlich ja nicht streiten.

In einer der größeren Suiten stechen mir bei Eintritt sofort mehrere innovative Stücke ins Auge. Ausgefallenen Schnitte, hochwertige Materialien mit einem Touch Unisex – ganz mein Stil. Die besagten dort positionierten Marken heißen DIOTIMA (Designerin Rachel Scott, Jamaika), TORLOWEI (Nigeria) und POTTS aus den USA.

Letzter lebt in New York, kreiert Damen- und Herrenmode und ist ein sympathischer Enddreißiger (https://www.apottscollection.com/about). Schon seine Skizzen zeigen, dass er nicht nur ein guter Zeichner, sondern auch höchst kreativ ist und zeitlose Mode schafft ( https://www.apottscollection.com/apotts-sketches-by-aaron-potts).

Seine New York und Detroit-inspirierten Looks zeigen, was die Marke Aaron Potts ausmacht. Nachdem er früher für andere Modehäuser wie M. Jacobs, Donna Karan, Escada oder Ungaro gearbeitet habe, wisse er es inzwischen zu schätzen, bei sich heute diejenigen Leute einzustellen, die nicht in die klassische Modewelt passen.

Gleich daneben die farbenfrohe Welt der Patience Torlowei. Die gebürtige Nigerianerin zeigt Afro-Fashion von ihrer schönsten Seite; umwerfende Styles und eine grandiose Vielfalt. Torlowei verlegte ihre gleichnamige Marke inzwischen von Belgien, wo sie ihr Handwerk erlernte, wieder zurück in ihre Heimat, um Wissen und Technologie nach Afrika zurückzubringen. Ihre Luxusmarke zeichnet sich u.a. durch kundenspezifische Details sowie ihre Vorliebe für Dessous aus. Sie selbst versteht sich als „afrikanische Marke für den globalen Markt“.

Als ich Gelegenheit habe sie anzusprechen, steht sie – ganz in Pink – gerade mit ihren beiden Models zusammen. Ich suche zunächst nur den Augenkontakt und signalisiere mit „Daumen hoch“ meine Bewunderung für Ihre Kreationen. Sie lächelt bescheiden und fragt in Englisch, wo her ich käme und was ich mit Mode zu tun hätte. Ich berichte u.a. Lifestyle- und Fashion Bloggerin für einen Bestager-Blog zu sein. Das nimmt sie mit einem interessierten Nicken zur Kenntnis. Auf Ihre Frage, welches Design mir am besten gefalle, deute ich auf das bunte Brokatstoff-Kostüm. Wiederum schmunzelt sie und erzählt, daß sie gerade von der New York Fashion Week käme und man dort ebenfalls dieses Modell ihrer Kollektion präferiert habe. Ich liebe diese edlen Brokatstoffe. Darunter versteht man aufwendig gewebte Muster, die meist in der sog. Atlasbindung gewebt werden. Für die Herstellung werden oft Baumwolle, Seide oder Viskosefilamentgarne wie Reyon verwendet.

Die Gründerin der US-Publikation „Blanc Magazine“ (Teneshia Carr) startete gemeinsam mit Stefano Tonchi während der Mailänder Modewoche eben dieses neue Präsentationsprojekt, das darauf abzielt, „unterrepräsentierten, unglaublich talentierten Designern einen Ort zu geben, an dem sie noch mehr gesehen und gehört werden. In der Tat vielleicht besser als eine schnell vorbei rauschende Runwayshow, da die so präsentierte Mode die Käufer, Interessenten und geladenen Multiplikatoren direkt erreicht. Man kann alles in Ruhe erfassen/ anfassen, ja sogar anprobieren. Das Zauberwort heißt „Matchmaking“ oder Direct-Marketing. Es soll den Kreativen helfen, sich mit großen Modemarken und Einzelhändlern zu verbinden.

Was kommt, was bleibt?

Ein bißchen Spitze (meist in sexy schwarz), voluminöse transparente Überkleider, Cargohosen und überhaupt viel lässige Oversized-Looks in Strick bis (Kunst)leder. Weiterhin sowohl Colourblockings, als auch Pastellfarben. Erlaubt ist, was gefällt. Irgendwie scheint hinsichtlich Farbe und Stil alles möglich. Warum die Strickjacke nicht einmal anderes herum tragen. Dazu werden meist klobige Plateauschuhe oder hohe Stiefel getragen. Wer hätte gedacht, daß das mal wieder kommt. Es bleibt die geahnte Erkenntnis: Alle Styles kommen wieder, sie werden nur neu kombiniert oder anderes verarbeitet.

Bestes Beispiel Fendi: Die Kollektion von Kim Jones nahm klassische Stücke und gab ihnen im wahrsten Sinne des Wortes neue Wendungen. So wurden Strickjacken um den Hals geschlungen, ein gestrickter Schal fungierte als Halbpullover über einem Spitzentop oder -kleid. Einige Kleidungsstücke erschienen doppelt, Westen wurden übereinander angezogen oder wie ein Umhang übergeworfen. Röcke wurden über Hosen und Jacken in Röcke eingearbeitet. Trendfarben hier: beige, grau, hellblau Töne.

Manchmal hilft das eine oder andere Dejavu sich daran zu erinnern, was man selbst so alles im Schrank hat. Mir fallen dabei prompt meine hellgrauen Strick-Pulloverärmel von Gaultier ein. Hinreißend verspielt die Basttaschen der madagassischen Designerin Eileen Akbaraly mit dem Markennamen „Made For a Woman“ (ggr. 2019), die in Madagaskar mit mehr als 300 Kunsthandwerkern zusammenarbeitet (https://www.wearglobalnetwork.com/news/made-for-awoman-by-eileen-akbaraly-wins-the-green-award-for-sustainability/).

Gerne wäre ich an diesem Abend Gast bei Krizia gewesen. Die Show fand unweit des „Arco della Pace“, einem grandiosen Triumphbogen (ähnlich dem in Paris) mit zwei weißen Säulen gerahmten Nebengebäuden an der Piazza Sempione statt. Dort findet sich auch das DAZI, ein tolles „Edel-Ristorante“, wo man gerne einen Aperitivo nimmt oder den Abend in illustrer Gesellschaft geniesst.

Apropos, High-Society-News

Die Marke „Diesel“ hatte die Laufstegbühne mit 200.000 Kondomen als Botschaft für Safer Sex dekoriert.

Über den Catwalk von Bottega Venta lief erstmals ein indigenes australisches Model (in einem übergroßen Strickkleid).

Star des Catwalks von D&G war – ganz in Rot gekleidet – das Size Plus- Model Ashley Graham. Kim Kardashian soll im Schlangenlook da gewesen sein. Ebenfalls ganz in Glitzerrot bis hin zur Handtasche erschien Bloggerin Caro Daur bei Ferragamo. Die US-Schauspielerinnen Uma Thurman und Selma Hayek saßen bei Gucci in der Front Row. Die Top Models Gig Hadid und Kendall Jenner liefen für Prada. Model Laetitia Casta führte im Nadelstreifen-Look das Defile von Todt’s an. Donatella Versace war Ãœberraschungsgast bei Fendi. Und die legendäre Vogue-Chefin Anna Wintour saß mal wieder in der ersten Reihe von Armani usw.

Bei nächster Gelegenheit, also schon im September/ Oktober, würde ich mir gerne mal die Herren-Shows ansehen. Nicht von ungefähr führte mich mein Weg am Vormittag desselben Tages noch in eine Garnspinnerei , die Filatura Bertoglio in Biella. Dem italienischen Stoff-Mekka schlechthin, wo auch Cerruti und Zegna ansässig sind. Ein Bericht darüber folgt.

Petra Fritz

Die Autorin ist von Beruf Dipl-Kfm (Uni Mannheim), Jahrgang 1960, verheiratet, wohnhaft in Speyer am Rhein. Sie war 4 Jahre Personalleiterin bei den US- Streitkräften (AAFES) in Stuttgart und Heidelberg, in Folge 12 Jahre tätig im Pharma-Management von BASF (Auslandsvertrieb), davon 18 Monate bei der Tochtergesellschaft Quimica Knoll in Mexico.

Seit 2002 ist Petra Fritz selbständige rechtliche Berufsbetreuerin (Vormund) und Verfahrenspflegerin für die Amtsgerichte Speyer, Ludwigshafen und Germersheim (teils ehrenamtliche Fallberatung).

Privat war Petra Fritz Leistungssportlerin im Eis- und Rollkunstlauf (u.a. Profi-WM 1978 und 1979), später 14 Jahre lang Vize-Präsidentin des Rheinland-pfälzischen Eis- und Rollsportverbandes sowie Repräsentantin „Frau im Sport“. Heute ist sie in der Freizeit gerne auf dem Wasser und auf Ski unterwegs. Ansonsten vielseitig interessiert und seit 2012 auch wieder semi-professional als Bestager-Model, Darstellerin, Moderatorin und Bloggerin für „Topagemodel.de“ tätig. Petra Fritz hat das Buch „Mittendrin statt nur dabei“ veröffentlicht.

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