Immer mehr Bürger sind von Altersarmut bedroht – immer mehr Bürger schauen besorgt in die Zukunft

Rentenreformen in Hülle und Fülle, Rentensteigerungen jedes Jahr – dennoch steigt das Risiko, in die Altersarmut zu rutschen, für viele Bürger dramatisch an. Viele Bürger sehen besorgt in die eigene Zukunft. Das zeigen gleich drei neue Studien.

Selbst bei ungemindert positiven Konjunkturaussichten könnte das Armutsrisiko im Alter weiter steigen, sodass in zwanzig Jahren mehr als jeder fünfte Rentner (21,6 Prozent) in Deutschland von Altersarmut betroffen sein könnte. Zu den größten Risikogruppen gehören unter anderem Alleinstehende und Geringqualifizierte. Mit Blick auf die aktuell diskutierten Konzepte einer Grundrente zeigt sich, dass sowohl die Pläne aus dem Koalitionsvertrag, wie auch das Modell von Arbeitsminister Heil in puncto Altersarmut noch nicht ausreichend zielgenau sind. Das sind die Ergebnisse einer Untersuchung, die auf Grundlage repräsentativer Haushaltsdaten die Entwicklung der Altersarmut sowie die Wirkung aktueller Reformmodelle untersucht hat. Die Berechnungen hat das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung durchgeführt.

Altersarmut: Alleinstehende und Geringqualifizierte am stärksten betroffen

Unter der Annahme einer andauernden positiven Entwicklung am Arbeitsmarkt und einer leicht steigenden Erwerbsquote ermitteln die Studienautoren ein wachsendes Armutsrisiko und eine höhere Grundsicherungsquote bis 2039. So würde die Grundsicherungsquote, die den Anteil der Rentner angibt, die zusätzlich auf staatliche Unterstützung zur Existenzsicherung angewiesen sind, in den kommenden zwanzig Jahren von aktuell neun Prozent (2019) auf knapp 12 Prozent steigen. Hier ist zu beachten, dass in der Studie eine vollständige Inanspruchnahme der Grundsicherung unterstellt wird. Die Werte berücksichtigen somit auch die „verdeckte“ Altersarmut. Laut Studie liegt die Grundsicherungsschwelle für einen Ein-Personen-Haushalt bei etwa 777 Euro. Ebenfalls berücksichtigt ist hier, ob der Haushalt über anrechenbares Vermögen verfügt.

Auch die Armutsgefährdung im Alter würde im selben Zeitraum von aktuell 16,8 auf 21,6 Prozent klettern. Als armutsgefährdet gelten laut Studie Personen, deren monatliches Nettoeinkommen unter Berücksichtigung des Haushaltszusammenhangs unter 905 Euro liegt.

Zu den größten Risikogruppen gehören vor allem Geringqualifizierte oder Alleinstehende. Bei ihnen ist das Grundsicherungsrisiko im Alter nahezu doppelt so hoch wie im Durchschnitt. So steigt die Grundsicherungsquote bei Personen ohne Berufsschulabschluss zwischen 2019 und 2039 von rund 16 auf 21 Prozent. Bei alleinstehenden Frauen klettert die Quote im selben Zeitraum von zwölf auf fast 20 Prozent. Einen besonders starken Anstieg müssen zukünftig ostdeutsche Rentner verkraften. Liegt die Grundsicherungsquote in Ostdeutschland aktuell mit 6,5 Prozent noch deutlich unter dem Niveau in Westdeutschland (rund zehn Prozent), verdoppelt sie sich in den kommenden zwanzig Jahren auf knapp zwölf Prozent.

Vier von zehn Neueinstellungen sind befristet

Von zehn Neueinstellungen sind vier befristet. Das geht aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor. Auf die Gesamtzahl der Beschäftigten bezogen arbeitet jeder zwölfte befristet. Auszubildende sind in dieser Zahl nicht berücksichtigt.

Überdurchschnittlich häufig greifen größere Betriebe zu Befristungen. Betriebe mit mehr als 75 Beschäftigten beispielsweise stellen mit einer um neun Prozentpunkte höheren Wahrscheinlichkeit befristet ein als kleinere Betriebe. Wenig überraschend nutzen Kleinstbetriebe mit weniger als zehn Beschäftigten signifikant seltener als andere Betriebe Befristungen: Bei diesen Kleinstbetrieben gelten nicht die Regelungen des Kündigungsschutzgesetzes.

Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Stelle befristet besetzt wird, ist bei kurzfristigem Personalbedarf doppelt so hoch wie bei längerfristigem. Dennoch werden mit 85 Prozent die meisten befristeten Neueinstellungen bei längerfristigem Personalbedarf vorgenommen, da insgesamt nur jede zehnte Neueinstellung aufgrund eines vorübergehenden Bedarfs stattfindet.

Die Dauer des Stellenbesetzungsprozesses ist bei befristeten Stellen im Vergleich zu unbefristeten Stellen kürzer, und es werden auch weniger finanzielle Mittel beispielsweise für Stellenanzeigen oder Personalvermittler bei der Stellenbesetzung investiert. Kürzere Stellenbesetzungsdauern aufgrund weniger intensiver Auswahlprozesse treten vornehmlich bei Neueinstellungen zur Deckung eines kurzfristigen und nur vorübergehenden Arbeitskräftebedarfs auf. Dass weniger finanzielle Mittel für die Besetzung befristeter Stellen investiert werden, gilt dagegen auch bei längerfristigem Bedarf. Befristete Neueinstellungen werden der IAB-Studie zufolge nicht nur zur Deckung eines vorübergehenden Arbeitskräftebedarfs genutzt, sondern auch als „verlängerte Probezeit“.

Bei befristeten Neueinstellungen wird häufiger als bei unbefristeten auf Berufserfahrung als Einstellungsvoraussetzung verzichtet. Zudem zeigen die IAB-Daten, dass Betriebe insbesondere bei Helfertätigkeiten deutlich häufiger Befristungen vornehmen.

Die IAB-Studie beruht auf den Daten der IAB-Stellenerhebung mit mehr als 10.000 teilnehmenden Betrieben.

Aktuelle Reformkonzepte zur Grundrente nicht zielgenau

Sowohl das bisher im Koalitionsvertrag beschriebene Modell einer Grundrente mit, als auch die Variante von Arbeitsminister Heil ohne grundsätzliche Bedürftigkeitsprüfung sind laut Studie noch nicht hinreichend zielgenau. Die Variante der Grundrente aus dem Koalitionsvertrag, die für Grundsicherungsempfänger mit 35 Versicherungsjahren eine Erhöhung des Grundsicherungsbedarfs um zehn Prozent vorsieht, kann den Anstieg der Altersarmut kaum bremsen. Laut Studie würde die Reform das Armutsrisiko bis 2039 nur um 0,4 Prozentpunkte auf dann 21,2 Prozent reduzieren. „Der Hauptgrund für diesen geringen Effekt liegt darin, dass weniger als ein Drittel der Personen mit Grundsicherungsanspruch auf die geforderten 35 Versicherungsjahre kommen“, so Studienautor Johannes Geyer vom DIW Berlin.

Das Reformkonzept von Arbeitsminister Heil kann hinsichtlich einer Reduzierung der Altersarmut durchaus mehr Wirkung entfalten. So ließe sich mit dem „Heil’schen Modell“ die Armutsrisikoquote bis 2039 auf 18,4 Prozent reduzieren. Gleichzeitig ist diese Reform aber wenig zielgenau, da hier viele Personen profitieren, deren Nettoeinkommen deutlich oberhalb der Grundsicherungsschwelle liegt. 85 Prozent der 3,1 Mio. berechtigten Personen hätten laut Studie aufgrund anderer Einkünfte im Haushalt eigentlich keinen Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung im Alter. Das mittlere individuelle Nettoeinkommen der Begünstigten liegt sogar doppelt so hoch wie die Bedürftigkeitsschwelle.

Unterschiede der beiden Modelle zeigen sich auch mit Blick auf die Kosten: Im Heil’schen Konzept würden die Mehrkosten laut Studie im Ausgangsjahr aufgrund des großen Kreises der Begünstigten mit rund sieben Milliarden zu Buche schlagen, beim Koalitionsmodell kämen dagegen nur rund eine Milliarde Mehrkosten auf die öffentlichen Kassen zu.

Rentenreformen müssen Ursachen der Altersarmut genauer ins Visier nehmen

Um die Zielgenauigkeit zu stärken, könnte laut Schiller die Heil’sche Reform um eine einfache Einkommensprüfung (ohne Vermögensprüfung) und eine etwas flexiblere Auslegung der Versicherungszeiten ergänzt werden. Durch die Einkommensprüfung könnte so sichergestellt werden, dass tatsächlich nur einkommensschwache Haushalte in den Genuss der Aufwertung der Rentenanwartschaften kommen. Eine flexiblere Auslegung der anerkannten Versicherungszeiten käme dem wachsenden Anteil von Menschen zugute, die im Lebensverlauf längere versicherungsfreie Zeiten oder Zeiten der Erwerbslosigkeit aufweisen.

In beiden Fällen ließen sich auch die Kosten der Heil’schen Reform senken. Dies ist vor allem im Hinblick auf die demografische Entwicklung entscheidend, denn mit dem Renteneintritt der sogenannten „Baby-Boomer“ werden die öffentlichen Kassen in Deutschland in den nächsten 20 Jahren auf eine große Belastungsprobe gestellt.

#Gene­ra­tion­Mitte beklagt wach­sende Aggres­si­vi­tät, Ego­is­mus und Respekt­lo­sig­keit

Der Generation zwischen 30 und 59 Jahren in Deutschland geht es wirtschaftlich so gut wie nie. Die gesellschaftlichen Entwicklungen bereiten der Generation Mitte jedoch zunehmend Sorgen, zeigt die aktuelle Allensbach-Untersuchung für den GDV.

„Aggressivität und Egoismus, immer weniger Respekt und auch eine wachsende Fremdenfeindlichkeit bereiten der mittleren Generation Sorgen“, sagte die Geschäftsführerin des Instituts für Demoskopie Allensbach, Renate Köcher, bei der Vorstellung der Studie am Donnerstag in Berlin. Vier von fünf Befragten (81 Prozent) konstatieren eine zunehmende Aggressivität im gesellschaftlichen Umgang.

Konkret erleben 90 Prozent der #GenerationMitte diese Aggressivität im Straßenverkehr. Mit rücksichtslosem und aggressivem Verhalten sehen sich zudem viele Befragte auf öffentlichen Plätzen (59 Prozent) und in öffentlichen Verkehrsmitteln (51 Prozent), aber auch im Internet (54 Prozent) konfrontiert.

Mittlere Generation sieht Fremdenfeindlichkeit auf dem Vormarsch

Zwei von drei Befragten (68 Prozent) der #GenerationMitte sind der Meinung, dass Fremdenfeindlichkeit auf dem Vormarsch ist. Ebenso viele konstatieren eine wachsende Respektlosigkeit im alltäglichen Umgang. Auch steigende Aggressivität gegenüber Polizisten und Rettungskräften wird von 74 Prozent der Befragten beobachtet.

Zunehmender Egoismus (73 Prozent) beschäftigt die #GenerationMitte bereits seit Jahren. Zwei Drittel haben den Eindruck, dass der gesellschaftliche Zusammenhalt schwach ist, lediglich 18 Prozent empfinden ihn als groß.

Ostdeutsche sehen ihre Herkunft als klares Unterscheidungsmerkmal

Die Trennlinien der Gesellschaft sind für die #GenerationMitte vor allem die soziale Schichtzugehörigkeit, das Einkommen oder ob Menschen aus Deutschland oder einem anderen Land kommen. Vor allem für die Ostdeutschen ist die Frage, ob Menschen aus Ost- oder Westdeutschland stammen, auch 30 Jahre nach dem Mauerfall ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal. Während insgesamt nur 35 Prozent der Befragten die Frage nach ost- oder westdeutscher Herkunft als trennend empfinden, sieht jeder zweite Ostdeutsche (55 Prozent) dies so (Westdeutsche: 31 Prozent).

Gleichauf liegen Ost- und West bei der Beurteilung der eigenen Finanzsituation: Insgesamt 59 Prozent der #Generation Mitte ziehen eine positive Bilanz – dies ist der höchste Wert seit Beginn der Befragung im Jahr 2013. Nur neun Prozent bewerten ihre materielle Lage eindeutig negativ.

Große Defizite bei der Gleichberechtigung von Mann und Frau

Bei der Gleichberechtigung der Geschlechter sieht die mittlere Generation weiterhin viel Nachholbedarf. Nur jeder vierte Befragte glaubt daran, dass die Gleichberechtigung weitgehend verwirklicht ist, von den Frauen sagen dies sogar nur 18 Prozent. Die größten Defizite sehen die 30- bis 59-Jährigen beim Verdienst und den Karrieremöglichkeiten.

Diskriminierungserfahrungen machen weiterhin vor allem Frauen: Während sechs von zehn Männern der mittleren Generation sich noch nie wegen ihres Geschlechts benachteiligt gefühlt haben, sagen dies nur 16 Prozent der Frauen.

Staatliche Rentenfonds sind nicht mehrheitsfähig

Die Absicherung im Alter bleibt ein weiteres Sorgenthema für die #GenerationMitte: Fast jeder zweite (44 Prozent) der 30- bis 59-Jährigen befürchtet, dass die Absicherung im Alter unzureichend ist. Als häufigste Begründungen werden eine zu geringe private Vorsorge sowie ein zu geringer Verdienst genannt. 59 Prozent plädieren für eine stärkere Unterstützung der privaten und betrieblichen Vorsorge.

Neue staatliche Vorsorgeprodukte oder ein staatlicher Rentenfonds sind nicht mehrheitsfähig: Nur 35 Prozent bzw. 29 Prozent sehen dies als geeignete politische Maßnahme, um die staatliche Altersvorsorge auch für kommende Generationen zu sichern. „Dieses Votum sollte die Politik ernst nehmen. Wir dürfen in der Altersversorgung das Rad nicht ständig neu erfinden“, sagte GDV-Präsident Wolfgang Weiler.

Ãœber die #GenerationMitte

Die mehr als 35 Millionen 30- bis 59-Jährigen in Deutschland stehen mitten im Berufsleben, erziehen Kinder und finanzieren die sozialen Sicherungssysteme. Sie stellen 70 Prozent der Erwerbstätigen dar und erwirtschaften über 80 Prozent der steuerpflichtigen Einkünfte. Die #GenerationMitte ist damit im wahrsten Sinne des Wortes der „Leistungsträger“ unserer Gesellschaft.

Der GDV beauftragt das Institut für Demoskopie Allensbach seit 2013 dieser breiten Bevölkerungsschicht einmal jährlich „den Puls zu fühlen“ und ihre Einstellungen, Erwartungen und Ängste zu erforschen. Für die repräsentative Untersuchung #GenerationMitte 2019 hat das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag des GDV im Juli 2019 insgesamt 1.103 Männer und Frauen im Alter zwischen 30 und 59 Jahren befragt.