Neulich in Berlin: Was hat Autofahren mit Demografie zu tun?
Nach dem schrecklichen Unglück mit einem Porsche-SUV in Berlin. Von Uwe-Matthias Müller.
In Berlin hat vor ein paar Tagen ein 42-jähriger Fahrer eines Porsche-SUV einen schweren Unfall verursacht, bei dem mehrere Menschen starben. In einem ersten Reflex fordern Politiker der Grünen und die Deutsche Umwelthilfe ein Fahrverbot für SUV in Städten. Anwohner wollen mittels Online-Petition das Tempo auf 30 KM/h drosseln.
Autos sind Waffen
Ob Unfall oder Anschlag, ob SUV, LKW oder Mini – jedes Auto ist eine Waffe. Masse + Geschwindigkeit = potentielle Gefahr. Dies gilt für ALLE Fahrzeuge, die schneller und kräftiger als der schwächste Mensch – ob Kind, Erwachsener oder Senior – sind.
Mit gutem Grund steht in § 1 der Strassenverkehrsordnung (STVO):
Die Teilnahme am Straßenverkehr erfordert ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksicht.
Wer am Verkehr teilnimmt, hat sich so zu verhalten, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder, mehr als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird.
Also, alles klar? Leider nicht.
Rücksichtnahme im Strassenverkehr? Zunehmend Fehlanzeige!
Tiefergelegte Poser-Autos mit Formel-1-Lautstärke, rechthaberisch-aggressive Kampfradler und spaßorientierte E-Scooter-Anarchos auf Gehwegen – Fussgänger werden immer stärker in die Opfer-Rolle gedrängt und die Staats-„Macht“ schaut weg. Alibi-Aktionen wie auf dem Berliner Kurfürstendamm gegen „Auto-Poser“ bleiben die punktuelle Ausnahme. Massnahmen gegen andere und auch sich gefährdende Radfahrer und E-Scooter-Nutzer konnte ich überhaupt noch nicht beobachten.
Fahrverbot für Senioren?
Der Verursacher des Unfalls in Berlin ist 42 Jahre alt. Wäre er 82 Jahre alt gewesen, gäbe es nicht nur laute Rufe nach einem Fahrverbot für SUV, sondern auch noch die Forderung nach einem generellen Fahrverbot für Senioren.
Wäre das gerechtfertigt? Männliche Verkehrsteilnehmer im Alter zwischen 45 und 55 Jahren waren im Jahr 2018 am häufigsten an Verkehrsunfällen mit Personenschaden beteiligt – insgesamt waren es rund 68.000. Bei den Frauen waren die 25- bis 35-Jährigen besonders häufig in Unfälle mit Personenschaden im Straßenverkehr involviert.
Anzahl der Beteiligten an Verkehrsunfällen mit Personenschaden in Deutschland im Jahr 2018 nach Altersgruppen und Geschlecht
Plädoyer für mehr Kontrolle
In den ersten Monaten des Jahres 1945 kann ein im Jahr 1924 Geborener bei der Wehrmacht seinen Führerschein gemacht haben – und heute noch immer aktiv am Auto-Verkehr teilnehmen. Ohne jegliche Nachprüfung. Wer heute mit 18 seinen Führerschein macht und nicht auffällig wird, kann 60, 65 Jahre lang automobilisieren, ohne dass geprüft wird, ob er noch ausreichend hören, sehen oder sonst reagieren kann. Epileptiker sollen nicht Autofahren, verboten ist es ihnen aber nicht ausdrücklich.
Das kann nicht sein!
Daher ist meine Forderung: Regelmäßige (Folge-)Prüfungen für alle Autofahrer, Radfahrer und E-Scooter-Fahrer.
Unabhängig vom Alter!
Ob mit verschärften Gesetzen oder ohne sollte jedenfalls gelten: Mehr Aufmerksamkeit, mehr Achtsamkeit, dem Schwächeren gebührt Rücksichtnahme. Wie wir mit Kindern und Senioren, Schwächeren und Behinderten umgehen sagt alles über den Zustand unserer Gesellschaft.
Seid nett zueinander!
Der Autor Uwe-Matthias Müller
Uwe-Matthias Müller ist Gründer und Vorstand des Bundesverband Initiative 50Plus. Bis 1996 hat er mit seiner Frau und den beiden Töchtern in (West-)Berlin gelebt. Nach zwei Jahren im Ausland lebt er heute in Bayern.
Uwe-Matthias Müller kommt viel und gern nach Berlin. „Als Berliner auf Zeit geniesst man nur die Vorteile der Hauptstadt und kann die vielen Unzulänglichkeiten, unter denen die Bewohner täglich leiden, einfach ignorieren.“
Mit „Neulich in Berlin…“ erzählt „UMM“ Erlebnisse und Eindrücke aus der Stadt, die sich selbst als arm aber sexy beschreibt und der Gesellschaft, die dem demografischen Wandel unterliegt.