Der Kommentar am Sonntag in DNEWS24.

Gedankenmacher: Die Woche des Trübsinns

Es ist nicht allein der Winterblues, es ist die traurige Realsatire in der Hauptstadt, der die Gedanken schwer werden lässt.

Er bekam viel Vorschusslorbeeren. Er kann Minister, er ist ein kraftvoller und erfolgreicher Politiker, hieß es. Die Rede ist von Boris Pistorius, seit Donnerstag vom Innenminister in Hannover zum Verteidigungsminister in Berlin befördert. Dass er nicht die erste Wahl von Bundeskanzler Scholz war, pfeifen die Presse-Spatzen von den Berliner Dächern. So hätte Pistorius vor seiner Zusage Scholz die politische Pistole auf die Brust setzen und verlangen können, die seit Wochen diskutierte Panzer-Lieferung an die Ukraine entscheiden zu dürfen. Hat er aber nicht. Stattdessen laviert sich Pistorius an Tag 2 seiner Dienstzeit in Ramstein von Halbwahrheit über Unwahrheit zu Unmöglichkeit. Der Neue im Bendler-Block lässt die staunende Öffentlichkeit wissen, niemand hätte die Absicht, einen Panzer zu liefern. Mit Verlaub: das ist Quatsch. Polen und Spanien wollen genau dies, Großbritannien tut dies. Dann plaudert Pistorius noch, alles müsse genau überlegt sein. OK, wie lange braucht es dafür? Wie viele Ukrainer müssen noch sterben, wie viele Ukrainerinnen müssen noch vergewaltigt werden, wie viele Kinder müssen noch entführt werden, bis die Herren Scholz und Pistorius entscheiden können?

Und dann sagt der Verteidigungsminister die Sätze, die entweder ihn und die Bundesregierung endgültig disqualifizieren oder die Beamten im Bendler-Bloch diskreditieren: „Ich will vor die Lage kommen. Daher habe ich den Prüfauftrag erteilt zu zählen, wie viele Panzer vorhanden sind.“ WIE BITTE? Der Bundesverteidigungsminister weiß nicht, wie viele Panzer die Bundeswehr hat, wie ihr Zustand ist und wie viele Panzer die Industrie noch auf dem Hof zu stehen hat? Das klingt so unglaublich und unglaubwürdig, dass man sich darauf gar keinen Reim machen kann. (Inzwischen schreibt der SPIEGEL, die Panzer-Liste gäbe es seit Sommer 2022. Wusste Herr Pistorius das in Ramstein nicht?).

Ich will nicht irgendwem irgendwas liefern.

Boris Pistorius, Bundesverteidigungsminister

Offensichtlich ist die larmoyante Schlampigkeit in Berlin nicht nur ein Problem der unfähigen Christine Lambrecht gewesen. Weder im Bundeskanzleramt noch auf Sachbearbeiter-Ebene in der Stauffenbergstraße scheint man über die tägliche Mittagspause hinaus zu denken. Welche Reaktion dieses Schwurbeln, diese Inkompetenz in den 49 Hauptstädten der Staaten, die noch in Ramstein vertreten waren, auslöst, kann sich jeder vorstellen.

Diese Bundesregierung tut nicht alles, um den Krieg in der Ukraine so schnell wie möglich zu beenden. Warum? Vielleicht wäre es falsch, Panzer in die Ukraine zu liefern. Dann soll es auch klar und deutlich gesagt werden. So jedenfalls, wie es jetzt ist, gewinnt der Beobachter den Eindruck, die in Berlin seien nicht ganz sauber. Diesen Eindruck verstärken Äußerungen von Vertretern der Grünen und der FDP, zum Beispiel Agnes Strack-Zimmermann. Die wiederum wird vom Fraktionsvorsitzenden der SPD, Rolf Mützenich, als Kriegstreiberin diffamiert.

Warum lassen FDP und Bündnis 90/Grüne den Zauderkanzler gewähren? Kritik am Zaudern des Bundeskanzlers gibt es genug. Es gibt aber keine Handlungs-Konsequenzen. Was ist aus dem legendären Satz des FDP-Chefs Christian Lindner geworden „Lieber nicht regieren als schlecht regieren.“ Gilt dieser Satz in Kriegszeiten nicht mehr? Welche Bedeutung misst die Völkerrechtlerin Baerbock der feministischen und wertebasierten Außenpolitik wirklich zu?

Diese Bundesregierung schadet dem Ansehen Deutschlands. Das ist verschmerzbar. Nicht zu entschuldigen ist, dass durch das Zaudern und Lavieren der Bundesregierung jeden Tag mehr Menschen zu Schaden kommen. Das muss aufhören. JETZT!

Silvesterkrawalle ohne Folgen

Der Bundestag debattierte über die Silvesterkrawalle in Berlin und deren Folgen. Die 70 Minuten waren offensichtlich nur eine Pflichtveranstaltung ohne Anspruch auf Substanz. Das zeigte sich nicht nur an den alten Argumenten, die erneut ausgetaucht wurden, dies zeigte auch die Redner-Liste der Unions-Fraktion, die die zweite und dritte Garnitur in die Diskussion schickte. Die Grünen – immerhin – ließen die Familienministerien Lisa Paus reden.

So, liebe CDU/CSU gewinnt man keine Wähler und auch nicht das Vertrauen der Lokalpolitiker und der Beamten.

Der Ball rollt wieder

Nun spucken und rotzen sie wieder, ständig und auch in Großaufnahme im TV. Die Bundesliga startet in die Rückrunde und die Bling-Bling-Rumpelfüßler stolpern übers Grün. Dazu zündeln die Hooligans Pyro-Technik, was auch keiner verhindert. Wem das gefällt, der kann jetzt bis ins Frühjahr beobachten, wie der FC Bayern wieder mal Meister wird und die üblich-verdächtigen Paternoster-Teams in die 2. Liga rutschen.

Nicht alles ist übel

Ich werde heute mit einem sehr leckeren Essen verwöhnt werden. Die (Vor-)Freude hat etwas vom Pretwitter-Biedermeier. Die geistige Flucht ins Private schafft etwas Ruhe, bevor der Wahnsinn weitergeht…

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Der Autor

Uwe-Matthias Müller ist Gründer und Vorstand des Bundesverband Initiative 50Plus, des Bundesverband Initiative 50Plus Austria und Sprecher des European Center of Competence for Demography.

Bis 1996 hat er mit seiner Frau und den beiden Töchtern in (West-)Berlin gelebt. Nach zwei Jahren im Ausland lebt er heute in Bayern.

Uwe-Matthias Müller kommt viel und gern nach Berlin. „Als Berliner auf Zeit geniesst man nur die Vorteile der Hauptstadt und kann die vielen Unzulänglichkeiten, unter denen die Bewohner täglich leiden, einfach ignorieren.“

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