Ein bisschen Sehnsucht nach der guten „alten“ Zeit

Früher war alles besser? Sicher nicht, es war anders. Doch ab einem gewissen Alter trägt diesbezüglich jeder seine ganz eigenen objektiven und subjektiven Empfindungen oder Überzeugungen zur Vergangenheit in sich. Auch der Begriff früher bedeutet für jeden etwas anderes, man glaubt oft nur von derselben Sache oder demselben Zeitraum zu reden. Meist sind es Änderungen der äußeren Umstände, die den täglichen, vertrauten und bequem gewordenen Lebensrhythmus aus dem Takt bringen (die Rede ist hier nicht von Corona!). Jede Umstellung erfordert Anstrengung und bedeutet meist ein Brechen mit lieb gewordenen Gewohnheiten. Von Petra Fritz

Ein ganz spezielles „Damals-Kleinod“ läßt sich im Inselstädtchen MALCHOW entdecken, das wunderschön an der Mecklenburger Seenplatte liegt.

Unweit der Drehbrücke, wo im Sommer beim Passieren mehrmals täglich ein regelrechter Bootscorso abläuft, titelt ein graues Gebäude mit „DDR-Museum“. Das Museum in der Kirchenstraße 25 ist ein echter „Seinerzeit-Ort“ und befindet sich im Gebäude des alten Filmpalastes aus dem Jahr 1957. Es beschäftigt sich ausschließlich mit dem facettenreichen Alltagsleben in der DDR – jenseits der Politik.

Erinnerungen an das Alltagsleben in der DDR

Die 1999 eröffnete Ausstellung zeigt Erinnerungsstücke aus 40 Jahren DDR, also Exponate zu Themen wie: Hochzeit, Schule, Jugendweihe, Arbeitsleben, Haushaltswaren, Kleidung (einschl. blauem FDJ-Blüschen), Foto-/Film-/Radio-Technik, Kinderland uvm. Alles liebevoll zusammengetragen und sorgsam platziert. Einiges befindet sich in Glasvitrinen, andere Räume enthalten komplette Wohnzimmer-, Badezimmer- oder Kiosk-Ausstattungen. Dabei gibt es so viele Details zu entdecken, daß man als „Wessi“ erst einmal ein Auge dafür entwickeln muß. In einer Vitrine im Erdgeschoß fällt sofort ein großer Präsentkorb auf, wie er seinerzeit in Ost und West üblich war und gerne zu runden Geburtstagen oder Firmenjubiläen verschenkt wurde. Darunter diverse „Kaffeesorten“ wie Mocca-Fix oder Kaffee-Mix. Mitunter ist auch seinerzeit erhältliche „Westware“ ausgestellt, wie z.B. Kölnisch-Wasser oder Lux-Seife. Beides war offensichtlich als Geschenk zur Jugendweihe, dem nicht-religiöses Gegenstück zur Konfirmation, recht beliebt.

Ein Trabant an der Wand und vieles mehr

Im Treppenaufgang zum 1. OG prangt an der Wand – im typischen Hellblau – die komplette Kühlerhaube eines „Trabbis“ plus Stoßstange. So einen „Zweitakter-Knatterfrosch“ bin ich einmal selbst Probe gefahren. Stockschaltung und Kupplung sind schon sehr gewöhnungsbedürftig und bei Anstiegen tat er sich recht schwer. Und ohne Servo-Lenkung und Bremsverstärkung ist Autofahren auf die Dauer recht anstrengend, aber wenn man will, geht alles. Gleich gegenüber sind eine Original-Zapfsäule und zwei Minol-Tankwartuniformen positioniert. Anfassen ist hier ausdrücklich erlaubt. An dieser Stelle komme ich mit einem anderen Besucher der Ausstellung ins Gespräch. Mit heftigem Kopfnicken bestätigt der Mittfünfziger, daß dies wirklich alles authentisch sei, alles genauso ausgesehen habe. Dabei lächelt er ein wenig wehmütig. Natürlich sei die sog. „Trabbi-Rennpappe“ nicht aus Pappe, sondern aus „Duroplast“ gewesen, einer mehrfach verklebten Kunststoffschichtung ähnlich Glasfieber. So klein das Auto auch war, damit hätte man alles machen und transportieren können, berichtet er weiter. Das Ding sei quasi „unkaputtbar“ und zumindest für Tüftler immer reparierbar gewesen. Wer fixe Hände und ein paar Beziehungen hatte, für den sei „früher“ vieles möglich gewesen. Gut dran wäre auch derjenige gewesen, der auf dem Land lebte oder ein eigenes Gärtchen (Datsche) hatte. Heute müsse alles teuer bezahlt werden … Er spricht aus, was er denkt und das gefällt mir.

Überhaupt fällt auf, daß sich trotz strahlenden Sonnenscheins zahlreiche Besucher hierher „verirren“. Zu meiner Überraschung sind diese fast ausschließlich aus den neuen Bundesländern. D.h. sie kommen nicht, um zu schauen, wie der DDR-Alltag seinerzeit aussah. Sie kommen, um die „untergegangene Zeit“ wieder zu finden. Ein „Ostalgie-Moment“ für diejenigen, die das alles selbst erlebt haben oder es nun ihren Enkeln zeigen möchten. „Sehnsucht nach dem Gestern“ mag der falsche Begriff dafür sein, und dennoch scheint dieses Wiedererkennen von Gegenständen und anderen Kleinigkeiten wie beispielsweise einer halb-automatischen Spülmaschine, diversen Spielzeugs oder Schulutensilien, typische freudige Reaktionen auszulösen.

Wendejahre und gewisse Seelenschmerzen

Mich erinnert das sehr an den sog. „Wiederkehr-Tourismus der Wessis“ wie man ihn in Ostpreußen oder Schlesien kennt. Die Leute kommen nicht, um zu bleiben oder die Zeit zurück zu drehen, sie wollen für einige Tage oder Stunden eher ein Stückchen (unbeschwerte) Kindheit zurückholen. Wirft man einen Blick in das Gästebuch des Museums, bestätigt sich mein Eindruck. Eine kleine Rückschau in eine Zeit, die nicht wiederkommt bzw. auf ein Alltagsleben, das nicht mehr existiert. Ich kann diese Haltung im Allgemeinen gut nachvollziehen, denn die früheren Bürger der DDR sind ja nicht bewußt in ein anderes Land ausgewandert, sie wachten von heute auf morgen einfach in einem neuen System auf. Da mußte der Umgang mit Geldautomaten, einer neuen Währung, Versicherungen, Mülltrennung oder den riesigen Einkaufswagen im Supermarkt etc. erst einmal „erlernt“ werden. Klingt banal. Ist es aber nicht, wenn alles zur gleichen Zeit passiert und möglichweise der Job in Gefahr war und eine kräftige Mietsteigerung in’s Haus stand.

„Es war nicht alles schlecht“ meint eine Dame am Ende des Rundgangs etwas schüchtern. Natürlich nicht, und das muß man auch ohne Scheu sagen dürfen. Deshalb ist man weder eine „rote Socke“, noch ein „ewig Gestriger“ oder „Ex-Regimetreuer“. Wenn dem so wäre, wäre ja auch das gelebte Leben jedes Einzelnen zu dieser Zeit grundsätzlich „schlecht“ gewesen. Sein Leben so pauschal von außen beurteilt und definiert zu wissen, ist für jeden schmerzlich und sicher unrichtig. Ohne diesen Punkt näher zu vertiefen, fallen mir dazu spontan die Stichworte Sportfördersystem, Krippenplätze oder Arbeitsplatzsicherheit ein. Bei Vergleichen von damals und heute gilt es überdies stets fair zu bleiben. Es geht hier nicht um 2021 und die antiquierte DDR anno 1980. Auch in West-Deutschland sahen Sofas und Küchen seinerzeit farblich und stilistisch aus heutiger Sicht gewöhnungsbedürftig aus. Natürlich gab es teils erhebliche Defizite. Kritisch anzumerken wären – abgesehen von den politischen Repressalien – da wohl das Minderangebot an Waren und eine wegen Rohstoffmangel reduzierte Produktqualität. Ein bißchen nach dem Motto: Was wir nicht haben, brauchen Sie nicht.

Kleine Männer überleben länger

Ach ja, eine Figur hat neben dem zackigen Ampelmännchen – wie man es heute noch/ wieder in Berlin oder Brandenburg täglich sieht – überdauert, ja man könnte sogar sagen, hat sich durchgesetzt: das ostdeutsche Sandmännchen. Während der Sandmann meiner Kindertage aus dem TV-Programm verschwunden ist, ertönt noch heute im MDR und RBB zwischen 18.00 und 19.00 Uhr regelmäßig die Melodie „Sandmann, lieber Sandmann, nun ist es gleich soweit“ .. oder ähnlich. Ein komplettes Sortiment Sandmännchen-Figuren zeigt die Ausstellung natürlich auch. So ist das kleine Alltags-Museum für alle eine spannende Zeitreise in das vorige Jahrhundert, wo jeder ein Stück seiner persönlichen Vergangenheit neu entdecken kann. Frei von jeglichen Klischees.

Die Autorin

Petra Fritz ist von Beruf Dipl-Kfm (Uni Mannheim), Jahrgang 1960, verheiratet, wohnhaft in Speyer am Rhein. Sie war 4 Jahre Personalleiterin bei den US- Streitkräften (AAFES) in Stuttgart und Heidelberg, in Folge 12 Jahre tätig im Pharma-Management von BASF (Auslandsvertrieb), davon 18 Monate bei der Tochtergesellschaft Quimica Knoll in Mexico.

Seit 2002 ist Petra Fritz selbständige rechtliche Berufsbetreuerin (Vormund) und Verfahrenspflegerin für die Amtsgerichte Speyer, Ludwigshafen und Germersheim (teils ehrenamtliche Fallberatung).

Privat war Petra Fritz Leistungssportlerin im Eis- und Rollkunstlauf (u.a. Profi-WM 1978 und 1979), später 14 Jahre lang Vize-Präsidentin des Rheinland-pfälzischen Eis- und Rollsportverbandes sowie Repräsentantin „Frau im Sport“. Heute ist sie in der Freizeit gerne auf dem Wasser und auf Ski unterwegs. Ansonsten vielseitig interessiert und seit 2012 auch wieder semi-professional als Bestager-Model, Darstellerin, Moderatorin und Bloggerin für „Topagemodel.de“ tätig. Aktuell hat sie unter dem Titel „Mittendrin statt nur dabei“ ein Buch mit amüsanten Reiseankedoten und vielen Reisetipps rund um den Globus herausgebracht. Es ist unter der ISBN Nr: 978-3-347-28040-3 bzw. 978-3-347-28040-7 im Buchhandel oder den gängigen Online-Plattformen erhältlich.