WikiPetra – Reportagen, Hintergrund-Analysen und Kommentare von Petra Fritz in DNEWS24.
Die Schatzalp – Thomas Mann’s Zauberberg. Von Petra Fritz
Auf den Zauberberg – Petra Fritz über die Schatzaplp, Thomas Mann und den Luxus der Schweizer Hotellerie.
Was haben Thomas Mann und Ernest Hemingway gemeinsam? Beide waren Schriftsteller und haben meist an besonders schönen Plätzen gelebt. Dort suchten und fanden sie Zeit und Inspiration für ihre größten Werke.
Und doch könnten sie beide auch nicht unterschiedlicher sein. Während Hemingway der Alltag langweilte, er eher das lebhafte, lässige Leben auf Kuba liebte und dort 1951/ 52 seinen Weltroman „Der alte Mann und das Meer“ schrieb, neigte er in der seit dem berühmten „Bodeguita del Medio“ auch häufig dem Alkohol zu. Der Mojito dort ist aber auch zu lecker.
Thomas Mann hingegen war ein akribischer Schriftsteller, der beim Arbeiten einem genauen Tagesablauf folgte und meist am Vormittag in seinem Schreibzimmer seine Gedanken zu Papier brachte. Dann mußte im Haus absolute Ruhe herrschen. Bereits 1901 verfaßte er in Lübeck das Epos der Kaufmanns-Familie „Buddenbrook“ für das er 1929 den Nobelpreis erhielt. Auf der kurischen Nehrung in Nidden (heute Nida in Litauen) schrieb er von 1929 bis 1932 in seinem Sommerhaus mit „Memel- und Saharablick“ u.a. „Joseph und seine Brüder“ und im Davos Kurhotel „Schatzalp“ beendete er 1924 schließlich den tausend Seiten starken Literaturklassiker „Der Zauberberg“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Zauberberg).
Thomas Mann: sein Zauberberg war ohne Frage die Schatzalp
Thomas Mann selbst war eigentlich nur wenige Wochen in Davos und eher der Kurschatten seiner Frau Katia (1912). Die „Schatzalp“ hoch über Davos auf 1861 Meter gelegen, war ab 1900 ein (Luxus)Sanatorium für Tuberkulosepatienten, die sich ihre Krankheit leisten konnten. Auch Kronprinz Wilhelm II und seine Frau Cecilie sollen hier oben ab 1906 mehrfach gewesen sein. Allerdings nicht als Patienten, sondern als Davos-Liebhaber, da Wilhelm – man höre und staune – leidenschaftlicher Bobfahrer war.
Einmal hier oben angekommen, blieb man gegebenenfalls Monate lang, wenn nicht sogar Jahre. So auch der Protagonist seines Buches „Hans Castorp“. Heute ist die Schatzalp ein historisches Berghotel mit grandioser Aussicht und vielen architektonischen Reminiszenzen, dem immer noch ein gewisses Sanatoriums-Flair anhaftet (https://www.schatzalp.ch/).
Gültig bis zur Heilung
Seinerzeit reiste man ausschließlich mit der (Rätischen) Bahn an: „Gültig bis zur Heilung“ stand damals auf unzähligen Bahnkarten nach Davos. So wird auch der Arzt im Mann´schen Zauberberg nicht müde, einen „feuchten Fleck auf der Lunge“ zu diagnostizieren oder einen beginnenden Lungenkatarrh, der sich leicht zu Tuberkulose auswachsen könne; so etwa die Diagnose bei Katia Mann.
Allerdings sei gesagt, daß nur die wenigsten Patienten die Schatzalp als geheilt verließen. Im Rahmen einer jeden Kur legendär, war der sog. „Blaue Heinrich“, ein blauer Glasspuknapf (https://de.wikipedia.org/wiki/Blauer_Heinrich_(Spucknapf). Unbestritten wirken Sonne und Gebirgsluft gesundheitsfördernd und das Nichtstun langer Liegekuren auf dem breiten Balkon entspannend. Legendär, der sog. „Blaue Heinrich“, ein blauer Glasspuknapf. Man flanierte, schrieb Briefe, plauderte oder musizierte. Auch die Verpflegung war mit fünf Mahlzeiten (mit 4-7 Gängen) pro Tag und viel fetter Milch mehr als üppig, aber wirkliche Heilung brachten erst 1947 bzw. 1960 Antibiotika wie Streptomycin. Als Robert Koch 1905 für die Entdeckung des Tuberkel-Bakteriums den Nobelpreis erhielt, starb in Deutschland noch jeder Siebente an TBC, auch Schwindsucht genannt.
Die Schatzalp ein Bau der Superlative
Das Haus war der erste Stahl-Beton-Bau der Schweiz und öffnete zu Weihnachten 1900 seine Pforten. Bauliche Highlights waren ein elektrischer Aufzug, Fußbodenheizung, Telefon, geheizte Badewannen, heizbare Toilettensitze, Speiseaufzüge mit Rechauds für das Zimmerservice, tiefe Balkone, Rodelbahn, Schach- und Konversationszimmer, Rauchzimmer und Damensalon, Bibliothek, später sogar ein Röntgengerät. Ferner gab es einen Friseur, ein Postamt und eine Dunkelkammer für Fotofreunde. Einiges davon lässt sich heute noch entdecken: sei es während einer Hausführung oder auch als Tagesgast des „Berghotel Schatzalp“.
In der Tat sieht heute noch vieles genauso aus wie wohl zur Zeit Thomas Manns, wie z.B. die Reception, die Caisse und der Concierge sowie die Fahrstühle. Beim Blick in den Speisesaal muss man unwillkürlich an den im Roman beschriebenen „Russentisch“ denken, an dem die Verehrte des Hauptprotagonisten, Madame Chauchat, saß. Ebenfalls noch da, sind Nachbauten der gelben Bambusrohr-Betten für die Liegekur, einige Leuchter und Kerzenständer, der offene Kamin und Reihen von Fliesen. Ob Mann bei seinem Buch ausschließlich von der Schatzalp inspiriert wurde, sei dahin gestellt, denn damals gab es in Davos auch schon andere Luxusherbergen. Eines aber sei verbrieft: Auch wenn er nur zur Besuch weilte, ließ auch er sich sicherheitshalber vom Chefarzt der Schatzalp untersuchen, der natürlich eiligst mit Unternehmergeist einen „Schatten“ auf der Lunge attestierte. Immerhin war er starker Raucher. Sein Hausarzt daheim telegrafierte jedoch umgehend zurück: „Sie wären der Erste, der bei einer Untersuchung in Davos nicht irgendeine „Stelle“ gehabt hätte. Kommen Sie nur gleich zurück. Sie haben in Davos gar nichts zu suchen.“
Standesgemäße Anfahrt oder gepflegter Fußmarsch
Heute benötigt man mit der Schatzalp-Zahnradbahn vom Zentrum Davos aus (H/R CHF 20.-) nur gute fünf Minuten bis zum Laubengang des Hotels. Vor 100 Jahren benötigte die Bahn etwa doppelt so lang. Damals wie heute gibt es noch den unterirdischen Verbindungsgang zwischen Hotel und Bergstation der Bahn, der m .W. allerdings kaum mehr genutzt wird. Im Röntgenraum von 1923 ist heute die „X-Ray Bar“ eingerichtet, es gibt eine moderne Sauna und (im Sommer) einen alpinen Garten mit über 50 Edelweiß-Arten. Wohnen kann man in restaurierten Zimmern mit Tal-Ausblick (Südzimmer) und Balkon, in der Kaiser Wilhelm Suite oder aber auch in der günstigeren Nordseiten-Zimmern „hinten raus“. Letztere wurden früher meist von mitreisenden Bediensteten oder Kindern bewohnt. Der Betrieb und Erhalt des historischen Baus scheint jedoch ein (finanzieller) Drahtseilakt, wirkt einiges zwar charmant, aber auch etwas runtergekommen.
Bis heute gibt es genügend literarisch interessierte Gäste, die hier her kommen, um für einige Momente auf den Spuren der Familie Mann, Robert Stevenson („Die Schatzinsel“), Erich Maria Remarque („Im Westen nichts Neues“) oder Arthur Conan Doyle („Sherlock Holmes“) zu wandeln. Hemingway soll übrigens nie hier gewesen sein. Der Weltenbummler schwärmte mehr für das Montafon (dort soll er sich 1924/25 gar als Skilehrer betätigt haben) und Chamby oberhalb von Montreux im Wallis.
Für einen Moment schließe ich die Augen. Auch wenn mal nicht die Sonne scheint: Wie gut habe ich es hier getroffen, am Rande der hauseigenen Strela-Skipiste zu sein und herrlichen Rhababerkuchen zum „Eichhörnli-Kaffee“ (mit Nußlikör) genießen zu können.
Petra Fritz
Die Autorin ist von Beruf Dipl-Kfm (Uni Mannheim), Jahrgang 1960, verheiratet, wohnhaft in Speyer am Rhein. Sie war 4 Jahre Personalleiterin bei den US- Streitkräften (AAFES) in Stuttgart und Heidelberg, in Folge 12 Jahre tätig im Pharma-Management von BASF (Auslandsvertrieb), davon 18 Monate bei der Tochtergesellschaft Quimica Knoll in Mexico.
Die Autorin ist von Beruf Dipl-Kfm (Uni Mannheim), Jahrgang 1960, verheiratet, wohnhaft in Speyer und Locarno. Sie war 4 Jahre Personalleiterin bei den US-Streitkräften (AAFES) in Stuttgart und Heidelberg und in Folge 12 Jahre im Pharma-Management von BASF (Auslandsvertrieb) tätig, davon 18 Monate bei der Tochtergesellschaft Quimica Knoll in Mexico.
Von 2002 bis 2022 war Petra Fritz selbständige rechtliche Berufsbetreuerin (Vormund) und Verfahrenspflegerin für verschiedene Amtsgerichte in der Vorderpfalz. Seitdem widmet sie sich verstärkt ihrer Coaching- und Autorentätigkeit.
Privat war Petra Fritz Leistungssportlerin im Eis- und Rollkunstlauf (u.a. Teilnehmerin bei der Profi-WM 1978 und Top 10 1979), später 14 Jahre lang Vize-Präsidentin des Rheinland-pfälzischen Eis- und Rollsportverbandes sowie Repräsentantin „Frau im Sport“. Heute ist sie in der Freizeit gerne auf dem Wasser und auf Ski unterwegs. Ansonsten agiert sie seit 2012 auch als semi-professional Bestager-Model, Darstellerin, Moderatorin und Bloggerin für „Topagemodel.de“.
Petra Fritz hat das Buch „Mittendrin statt nur dabei“ veröffentlicht.