Finanzen in DNEWS24

Die Inflation trifft sowieso schon arme Menschen stärker als andere Bürger

Die soziale Schere bei der Teuerung erreicht einen neuen Höchststand: Ärmere Familien haben 3,5 Prozentpunkte höhere Rate als wohlhabende Singles

Die Inflation ist im November im Durchschnitt aller Haushalte leicht auf 10,0 Prozent gesunken. Die Hoffnung wächst, dass der Höhepunkt der Teuerungswelle überschritten ist, die Entlastungsmaßnahmen der Bundesregierung haben daran einen wesentlichen Anteil. Doch gleichzeitig hat sich die soziale Schere bei der Teuerung noch einmal etwas weiter geöffnet. Einkommensschwache Familien, die von der Teuerung am stärksten betroffene Gruppe, mussten im November mit einer Inflationsrate zurechtkommen, die um 3,5 Prozentpunkte höher lag als bei Alleinlebenden mit hohen Einkommen – seit Jahresbeginn die Gruppe mit der niedrigsten Rate. Gemessen an den für diese Haushaltstypen repräsentativen Warenkörben trugen Familien mit niedrigem Einkommen im November eine Inflationsbelastung von 11,5 Prozent gegenüber 8,0 Prozent bei wohlhabenden Alleinlebenden. Die Differenz ist die größte in diesem Jahr gemessene, nach bereits hohen 3,4 Prozent im Oktober. Sie erklärt sich damit, dass die weiterhin stärksten Preistreiber – Haushaltsenergie und Lebensmittel – bei den Einkäufen von Haushalten mit niedrigen bis mittleren Einkommen einen größeren Anteil ausmachen als bei wohlhabenden. Die zweithöchste Inflationsbelastung trugen mit 11,3 Prozent Alleinlebende mit niedrigen Einkommen, deren Inflationsrate gegenüber Oktober kaum gesunken ist. Auch Alleinerziehende und Familien mit jeweils mittleren Einkommen hatten mit 10,5 Prozent bzw. 10,2 Prozent etwas überdurchschnittliche Teuerungsraten zu tragen, während Alleinlebende und Paarhaushalte ohne Kinder mit jeweils mittleren Einkommen mit 10,0 bzw. 9,8 Prozent im oder nahe am allgemeinen Durchschnitt lagen. Alleinlebende und Familien mit jeweils höheren Einkommen wiesen unterdurchschnittliche Raten von 9,6 bzw. 9,3 Prozent auf (siehe auch die Informationen zur Methode sowie die Abbildung in der pdf-Version dieser PM; Link unten). Das ergibt der IMK Inflationsmonitor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, der monatlich die spezifischen Teuerungsraten für neun repräsentative Haushaltstypen liefert.

„Die Inflationsrate ist zwar für alle Haushalte etwas gesunken, für die mit niedrigeren Einkommen aber unterdurchschnittlich stark. Wie in den Vormonaten sind sie besonders stark dadurch belastet, dass die kriegsbedingten Preissprünge bei Haushaltsenergie und Nahrungsmitteln das Inflationsgeschehen weiter dominieren“, beschreibt IMK-Inflationsexpertin Dr. Silke Tober die Entwicklung. So schlugen bei Familien mit zwei Kindern und niedrigem Einkommen diese beiden Gütergruppen des täglichen Grundbedarfs mit 7,8 Prozentpunkten auf die haushaltsspezifische Inflationsrate von 11,5 Prozent durch, bei einkommensschwachen Alleinlebenden machten sie sogar 8,6 Prozentpunkte der 11,3 Prozent spezifischer Teuerung aus. Bei einkommensstarken Alleinlebenden entfielen darauf hingegen lediglich 3,6 Prozentpunkte von insgesamt 8,0 Prozent. Bei wohlhabenden Singles sorgten dagegen die im Vorjahresvergleich ebenfalls erheblichen Preisanstiege bei Reisen, Gaststättendienstleistungen oder Wohnungsinstandhaltung für höhere Ausgaben. Erheblich von den Preissprüngen bei Lebensmitteln und Haushaltsenergie betroffen waren auch Familien mit mittleren Einkommen, bei denen diese Komponenten 5,8 Prozentpunkte von 10,2 Prozent Teuerungsrate ausmachten. Zusätzlich schlugen bei Familien mit mittleren und niedrigen Einkommen sowie bei Alleinerziehenden auch die Kostensteigerungen für Kraftstoffe spürbar zu Buche, auch wenn diese sich insgesamt abgeschwächt hatten.

Das Problem, dass Haushalte mit niedrigem bis mittlerem Einkommen aktuell auch besonders hohe Inflationsbelastungen tragen, wird dadurch verschärft, dass vor allem Ärmere grundsätzlich besonders unter starker Teuerung leiden, unterstreichen der Wissenschaftliche Direktor des IMK, Prof. Dr. Sebastian Dullien, und Tober: Die Alltagsgüter, die sie vor allem kaufen, sind kaum zu ersetzen. Zudem besitzen diese Haushalte kaum Spielräume, ihr Konsumniveau durch Rückgriff auf Erspartes aufrecht zu erhalten.

Obergrenze für Gaspreisbremse sinnvoll

Mit den Preisbremsen bei Strom und Gas habe die Bundesregierung Instrumente gewählt, die Haushalte mit geringem Einkommen relativ zu ihren Gesamtausgaben besonders stark helfen, analysieren Dullien und Tober. Schließlich haben diese in deren Warenkorb ein hohes Gewicht. Die Gaspreisbremse begrenze dabei den Anstieg der Kosten für Haushalte mit Gasheizung im Vergleich zum Vorkrisenniveau auf das Doppelte und damit auf ein ähnliches Niveau wie bei Ölheizungen – während sonst durch den Anstieg der Großhandelspreise eine Verdrei- bis Vervierfachung absehbar gewesen wäre. In absoluten Eurobeträgen betrachtet, profitierten allerdings Haushalte mit höheren Einkommen stärker von den Energiepreisbremsen, da sie deutlich mehr verbrauchen. Deshalb sei eine Obergrenze für den subventionierten Gasverbrauch sinnvoll, für die das IMK einen konkreten Vorschlag ausgearbeitet hat.

Grundsätzlich wirkungsvoll und sozial ausgewogen sind nach Analyse der IMK-Forschenden auch die Einmalzahlungen aus den bisherigen Entlastungspaketen: So komme die Energiepreispauschale in Höhe von 300 Euro, die Erwerbstätige im September erhalten haben, und die im Dezember an Menschen im Ruhestand und andere zuvor ausgelassene Gruppen gezahlt wird, insbesondere Haushalten mit niedrigerem Einkommen zugute, da sie versteuert werden muss. Dasselbe gelte für Kinderbonus und Kindersofortzuschlag.

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