Demonstrieren in Corona-Zeiten

Mehrere Demonstrationen mit unterschiedlichen Anliegen gestern in Köln. Sascha Rauschenberger war für DNEWS24 vor Ort.

In Köln war wieder ein Demonstrationstag in Sachen Corona angesagt. Mehrere Gruppen, Organisationen und Vereine hatten zum Protest gegen die Coronamaßnahmen aufgerufen und damit dann auch Gegendemonstrationen Raum zur Gegenargumentation gegeben. Wie es sich in einer Demokratie gehört, wo der Bürger auf friedlichem Wege seine Meinung kundtun kann und auch sollte! Der Autor selbst war von 11.30 Uhr auf der Domplatte bis um 17.10 Uhr auf dem Rudolfplatz dabei, was abseits dieser Lokalitäten passierte ist nicht Gegenstand dieser Reportage. Wie auch…

Auf der Domplatte selbst, wo ein rechter Aufmarsch erwartet wurde, der dann durch die Kölner Einkaufsstraßen ziehen sollte, war reichlich Presse vertreten, die anfangs nur eine Gruppe zum Fotoshooting hatte, die gegen Mieterhöhungen und für Enteignungen war. Der unschöne Wind, böig stark, machte den Fahnen- und Transparentträgern arg zu schaffen. Der Fototermin der Darsteller für geneigte Pressevertreter wurde so zum Kraftakt. Merke: Löcher in Fahnen und Transparenten lassen Luft durch und reduzieren den Staudruck auf die wichtigen Aussagen. Oder anders ausgedrückt: Wer gegen den starken Wind mit zu wenig Masse anstinkt, verliert! Einfach mal bei den Atomkraftgegnern der 80er erkundigen, wie man trotz starkem Wind Transparente hochhalten kann. Die hatten noch eine Schule, wo Physik gelehrt und nicht beschrieben wurde…

Das soll an Spott reichen, denn was dann kam war alles andere als mit Spott zu kommentieren. Eine Person erschien ohne Maske und wurde von der Polizei angesprochen. Zwangsläufig will man sagen, denn wer so vor der Abschnittsleitung (Einsatzleitung) auftaucht, darf kaum auf Rücksicht hoffen. Und anstatt wie gefordert einfach seinen Ausweis zu ziehen, stieß der Mann dem Beamten vor die Brust. Das hat der Autor selbst gesehen. Was dann kam war zwangsläufig und richtig, denn die Viermann-Fußstreife kam dem bedrängten Kollegen zu Hilfe. Weiteres Umsichschlagen und Fußtritte des Angesprochenen führten dann zur Fixierung und Festnahme. Wie der Mann politisch zu verorten ist, kann hier nicht abschließend festgestellt werden. Der dann folgende Polizeiaufmarsch zur Eigensicherung, lautstark als Polizeiterror bezeichnet, war vorhersehbar, angemessen und korrekt.

Natürlich war das alles unnötig. Das wurde wohl von allen richtig erkannt, aber die Polizei zeigte hier klare Grenzen auf. Gleich zu Beginn des Demo-Tages. Und das hat vermutlich auch den Tag insgesamt so „ruhig“ werden lassen. Jeder wusste, woran er/sie war.

Weiter ging es eine viertel Stunde später auf der Domplatte, wo dann Unruhe aufkam, als eine Gruppe lautstark Freiheitsrechte einforderte. Die Demonstration war nicht angemeldet, sondern spontan. Deeskalierend wurde die Anmeldung nachträglich und vor Ort durch die Polizei/Ordnungsamt ermöglicht. Als lautstarke Gruppen dazustießen, die Auflagen nicht einhielten, wurde die Demonstration aufgelöst, zumal der angebotene alternative Demo-Ort (Ebertplatz) nicht angesteuert wurde. Als nach der dritten Aufforderung der Polizei dennoch Teilnehmer nicht weichen wollten, riegelte Polizei die Restdemonstranten ab und erteilte nach Personalienfeststellung und Registrierung Platzverweise für die gesamte Kölner Innenstadt bis 21.00 Uhr. Der Autor sprach mit zwei der so behandelten Personen persönlich. Und ja, sie gaben bereitwillig Auskunft. Griffen die Presse nicht an, obwohl mit Sicherheit eher politisch rechts als mittig zu bezeichnen. Presseausweis mit Aushändigung der Visitenkarte schafft da Spielraum, wo andere wohl anders vorgehen…

Es war im Gespräch von Verlust von Freiheitsrechten, Verfassungsbruch und staatlicher Willkür die Rede. Auf die Tatsache angesprochen, dass es doch blöd war so lange zu warten, anstatt den Ort vor der Polizeimaßnahme zu verlassen kam als Antwort, dass man sich das hier nicht gefallen lasse. Es sei ihr Recht für ihre Rechte auch überall demonstrieren zu dürfen. Man werde bei Willkür nicht zurückweichen und so mit seiner Haltung zeigen, dass man nicht willens ist der Gewalt zu weichen.

Danach wechselte der Autor zum Rudolfplatz. Zu Fuß quer durch die City. Köln im Shoppingrausch. Nobelgeschäfte gut frequentiert, Verkäuferinnen mit Maske und die oft gut betuchte Kundschaft, gern auch in Kleingruppen, eher nicht. Aber halt in Kauflaune, die dann auch mal vor dem Geschäft eine Schlange bildet. Für einen Samstag war das für Köln recht wenig, aber für einen Lockdown in hochansteckender Pandemie irgendwie auch zu viel. Andererseits gab es sehr viele leere Geschäfte, die nun Nachmieter suchen, wie in der prominenten Mittelstraße, wo auf 100 Metern Länge gleich drei Geschäfte Nachmieter suchten.

Auf dem Rudolfplatz war dann ab 14.30 Uhr die Hauptdemo des Tages angesagt. Der Platz an den Kölner Ringen ist fast einen halben Hektar groß. Die genehmigte Teilnehmer-Zahl von 70 Demonstranten war weit überschritten. Die Einsatzleitung vor Ort verlegte mehrmals die Redneranlage nach hinten, so dass vor den Rednern mehr Abstands-Fläche entstand. Nach hinten war der Platz durch Einsatzfahrzeuge abgeriegelt, um Gegendemonstranten auf Abstand zu halten. Dazu später mehr.

Durch Pfeifkonzerte und Sprechchöre von Außen begleitet, verlas der Versammlungsleiter die behördlichen Versammlungsauflagen. Für viele wirkte das wieder wie eine dieser öden Vorlesungen an der Uni, wo man nicht schlafen wollte, um nicht wirklich etwas Klausurrelevantes zu verpassen. Aber fünf DIN A4-Seiten Behördendeutsch zu verlesen ist… echt anstrengend. Das müsste besser zu machen sein. Auch als Auflage. Vielleicht mit Schildern, die das Ordnungsamt aufstellt. Aber eine gefühlte Ewigkeit behördliches Fachdeutsch zu hören ist wie eine Ladung Natron zu schlucken. Man ließ es über sich ergehen. Die Redner, bis zu meinem Abgang waren es acht, hielten bis auf eine Dame im Rollstuhl, Sach- und Fachbeträge. Und die Dame im Rollstuhl wurde vom Versammlungsleiter freundlich und bestimmt auf das eigentliche Anliegen der Demo verwiesen. Das war erstklassig moderiert. Kompliment und Anerkennung dafür! Auch zwei Unternehmer hielten Vorträge und erzählten, wie ihre Betriebe durch die Coronamaßnahmen zugrunde gegangen sind. Unter ihnen auch der Lüdenscheider Unternehmer Axel Truck, der deutschlandweit durch seine Unternehmerradtour nach Berlin zum Kanzleramt in den sozialen Medien bekannt geworden ist. Sachlich zeigte er auf, wie panischer behördlicher Übereifer seinen Betrieb letztlich wirtschaftlich und organisatorisch unmöglich machte und eine lange Zeit erfolgreiche – wenn auch kleine Unternehmerdynastie – ins Aus gedrängt wurde. Dieses Schicksal verband viele auf dem Platz, die mit Tränen in den Augen und den Partner im Arm dieses Schicksal teilten.

Dass sie nicht allein sind, zeigen die zu vermietenden Ladenflächen überall in der Innenstadt – auch in Bestlage! – deutlich auf.

Diese friedlich geführte Versammlung wurde durch den nicht genehmigten Aufmarsch von Linken, die teils nur lautstark aber teils auch aggressiv ihre Sicht der Dinge dazwischenwarfen, gestört. Die Polizei, die anfangs nur die genehmigte Versammlung abriegelte, musste nach Reibereien zwischen den Versammlungsteilnehmern und Linken an der Platzgrenze durchgreifen und trennte die Parteien entschlossen, indem sie den Platz bis über die Straße und bis zur Hauswand hin komplett abriegelte. So wurde möglichen Konflikten schnell und ergebnisorientiert der Raum und die Angriffslinie genommen. Drei Leute aus dem Zug der Gegendemonstranten wurden von der Polizei abgeführt. Die hier skandierten Rufe zur Polizeigewalt waren unberechtigt. Die Polizei handelte in allen Fällen korrekt, umsichtig und deeskalierend.

Genauso professionell, wie im Übrigen auch gegen die Leute auf dem Domplatz, was daran liegen mag, dass die hier handelnden Polizisten die Gleichen waren! Sollten also Anschuldigungen gegen die Polizei hinsichtlich „Polizeifehlern“ laut werden, so sind diese für den von mir beobachteten Zeitraum und die von mir beobachteten Fälle schlichtweg falsch.

Der Autor sprach auch mit mehreren Demoteilnehmern, die sich auf die Provokationen der Gegendemonstranten eingelassen hatten. Die Männer (i.e.S. von Bürgern) kamen aus Bonn und Köln selbst. Waren 20 bis 30 Jahre alt und nicht gewillt, „vor denen da“ zurückzuweichen. Ihnen klar zeigen, wer die „Nazis“ sind. Das Wort war nicht nur geflügelt, sondern wurde beidseitig als profunde Beschimpfung verwendet. Komisch war, dass sich einer der drei als ex-Antifa-Mitglied „outete“, der diese Machenschaften nicht mehr mitmachen wollte. Und noch komischer war, dass er auch schon auf der Domplatte mit dabei war und am vehementesten die skandierten Texte der Gegendemonstranten anging. Auch hier wurde die Frage, ob es denn sinnvoll wäre der Agitation nachzugeben und sich provozieren zu lassen, mit der Einsicht quittiert, dass das wohl eher nicht der Fall wäre. Nur Einsicht und aufkommende Wut – und die kam auf – sind halt nur schwer in Einklang zu bringen. Dennoch zogen sich die drei zurück und blieben aus der Konfrontationslinie.

Der Autor weiß nicht, was andere hier gesehen und geschrieben haben. Er kam nach Hause und schrieb, was er fotografiert und gesehen hatte. Eine Vorablektüre anderer Pressekollegen fand nicht statt. Aus seiner Sicht war dieser Tag friedlich, ruhig und deutlich demokratisch geprägt. Corona wurde nicht geleugnet, aber Maßnahmen kritisiert, Fehler aufgezeigt, Zahlen genannt und auch Zusammenhänge klar definiert.

Der Tag war keine neue Schande von Köln, keine Schande für die Polizei, keine Schande einer Demokratie wohl aber ein Tag, der aufzeigt, wie wichtig ein fairer Umgang miteinander in einer gelebten Demokratie ist.

Die Einsatzleitung sagte mir, dass kein eingesetzter Polizist zu Schaden kam, was all das vorher Gesagte unterstreicht. Viele Polizisten hatten diesen Monat schon mehr als ein versautes Wochenende. Einer grinste und sagte, dass es dieser Monat der erste Einsatz wäre und fügte hinzu, dass er Urlaub gehabt hätte… Es sei ihm gegönnt. Und auch der anfallende Dienstausgleich für alle anderen Polizisten heute in Köln, denn die Polizei hat einen tollen Job gemacht. Neutral, schnell handelnd, mit Augenmaß und jenseits jeder Kritik. Ein WEITER SO ist hier keine leere Sprechblase. – Ein DICKES DANKE an Euch!!

Sascha Rauschenberger, geboren 1966 in Wattenscheid, ging nach dem Abitur zur Bundeswehr, wo er als Panzeraufklärer und Nachrichtenoffizier Dienst tat. Er diente, unter anderem als Reservist, in vier Auslandseinsätzen, zuletzt als Militärberater in Afghanistan.

Seit 2000 ist er als Unternehmensberater im Bereich Projektmanagement und Arbeitsorganisation (Future Work) tätig.