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Besser Schnee von morgen, als Schnee von gestern. Von Petra Fritz

Das SLF (Schnee und Lawinen Forschung) in der Flüelastraße 11 ist ein interdisziplinäres Forschungs- und Dienstleistungszentrum in Davos. Fast 300 Personen (darunter rund 40 Doktoranden der Physik und Verfahrenswissenschaften) forschen hier zu den Themen Schnee, Atmosphäre, Naturgefahren, Permafrost und Gebirgsökosysteme und entwickeln innovative Produkte für die Praxis zur besseren Vorhersage und Abwehr.

Einmal pro Woche findet eine Führung statt, in der sich Interessierte über die Projekte und den Stand der Forschung informieren können. Neben einem beeindruckenden Film (über Lawinenabgänge, Felsstürze, Murenabgänge und das Team) sowie ausführlichen Erläuterungen der Instrumente und Modelle im Ausstellungsbereich, kann auch die ein oder andere Kältekammer besichtigt werden (leider nicht der Windkanal).

Im SLF werden jedoch nicht nur die Schneeverhältnisse und Klimaänderungen des Schweizer Alpenraumes untersucht, sondern auch die Schnee- und Eissituation in der Antarktis. Mindestens ein Mitarbeiter ist stets vor Ort, aktuell ist dies Matthias Jaggi. In den diversen Kältekammern lagern u.a. auch dutzende Schnee-/ Firnproben und Bohrkerne aus der Polarregion und können bei Bedarf unter bestimmten Aspekten Stück für Stück analysiert werden. Bei entsprechender Kältelagerung unter Luftabschluss unterliegt der aufbewahrte Schnee so gut wie keiner Veränderung.

„Internationalität ist selbstredend, denn die Schweiz ist auf diesem Gebiet höchst renommiert und weltweit führend“, so unser Guide Michael Lombardo. Zwar gebe es noch ein paar kleinere Institute in Grenoble (F), Innsbruck (A), Montana (USA) und Japan und man tausche sich gelegentlich aus, aber keiner würde eine derart umfassende Grundlagenforschung betreiben. Und nein, Michael ist nicht aus Italien, er ist aus den USA und sein Spezialgebiet sind die besonders unberechenbaren Naßlawinen.

Über die aktuelle Schneesituation und evtl. Gefahrenlagen, kann sich jeder täglich kostenlos über die Website des SLF informieren: https://whiterisk.ch/de/conditions.

Aber der Reihe nach: Das SLF gehört zur Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) und damit zum ETH, also dem eidgenössisch-technischen Hochschul-Bereich. Es erforscht verschiedene Aspekte rund um den Schnee, z. B. Aufbau und Veränderungen unter verschiedenen Bedingungen. Sei es, um heraus zu finden, wie sich schwache Schichten in der Schneedecke bilden, oder wie Materialien (z.B. Skis) am besten auf Schnee gleiten. Als eine seiner weiteren Kernkompetenzen untersucht das SLF, wie Lawinen entstehen und sich im Gelände bewegen. Auch vom Vorgang her ähnlichen Naturgefahren wie Murgang und Steinschlag sowie der Permafrost und Gebirgsökosysteme gehören zu seinen Forschungsgebieten.

Außerdem arbeiten die Forschenden daran, Schutzmaßnahmen im Sinne des integralen Risikomanagements zu optimieren. Das SLF bietet daher diverse Dienstleistungen an, wie das Lawinenbulletin, Beratungen zu Lawinenschutzmaßnahmen, Expertisen zu Lawinenunfällen sowie die Entwicklung von Warnsystemen für Naturgefahren an. Es geht also vorwiegend darum, wie sich der „Schnee von morgen“ verhalten wird.

Die Verknüpfung von Wissenschaft, Praxis und Öffentlichkeitsarbeit hat am SLF eine lange Tradition. Bereits seit 1945, als der bis dato zur Schweizer Armee gehörende Lawinenwarndienst dem SLF angegliedert wurde, befindet sich das Institut in der vorteilhaften Situation, dass in Davos Forschung und Anwendung „unter einem Dach“ stattfinden.

Schnee und Atmosphäre

Die Forschungseinheit untersucht die physikalischen Eigenschaften von Schnee sowie deren Austauschprozesse mit Boden und Atmosphäre. Ziel ist ein tieferes Verständnis der Bildung von alpinen Gefahren wie Lawinen, Hochwasser und Hanginstabilitäten und der Interaktionen zwischen Kryosphäre und Klimaveränderungen.

Dieser Bereich untersucht ferner die Mikrostruktur und Metamorphose des Schnees. Mit der Struktur ändern sich nämlich fortwährend auch die Materialeigenschaften von Schnee, zum Beispiel die Dichte. Während ein Kubikmeter Neuschnee so viel Luft enthält, dass er gerade 50-100 Kilogramm wiegt, können es bei älterem, gesinterten Schnee gut 400 Kilogramm sein. Dies ist eine wichtige, grundlegende Erkenntnis, um die auf der Makro-Ebene ablaufenden Veränderungen in der Schneedecke verstehen zu können, als da sind: Lawinenbildung, Wassertransport, Interaktionen des Schnees mit Fahrzeugen und Sportgeräten. So lässt sich herausfinden, welche Rolle der Schnee sowie der nasse oder gefrorene Boden bei der Entstehung von Naturgefahren spielen, wie sie das Klima der Erde beeinflussen und wie sich globale Klimaänderungen auf die Entstehung des Permafrostes auswirken.

Die Versuche dazu finden auf Testflächen im Gelände (z.B. auf dem Weißfluhjoch oder dem Lawinenbunker von Arbaz) und/ oder in Labors (Kältelabors, Computertomograph, Windtunnel) statt. In Experimenten bestimmt man die mechanischen und optischen Eigenschaften unterschiedlicher Schneearten. Den Schnee dafür wird entweder der Natur entnommen oder im Labor mittels einer „Schneemaschine“ naturidentischen produziert. So hat man die Möglichkeit für vergleichende Experimente rund ums Jahr durchzuführen. Denn verändern sich Temperatur und Luftfeuchtigkeit, entstehen unterschiedliche Schneekristallformen. Da sich die Schneekristalle in einer Wolke frei bewegen können, bilden sie dort meist 6-eckige symmetrische Kristalle, während sie an den Nylonfäden des „Snowmakers“ meist verästelt nach unten wachsen. Im Grunde besteht der sog. technische Schnee, wie er bei der Pistenbeschneiung eingesetzt wird, aus kleinen Eiskügelchen und nicht aus natürlichen und seine filigranen Kristallgebilden. Dank der
Computertomographie läßt sich Schnee heute scannen und jegliche Veränderung in 3-D beobachten: https://www.slf.ch/de/ueber-das-slf/versuchsanlagen-und-labors/schneesportlabor/schneemessgeraete/.

Wer länger in den Kältelabors arbeitet, braucht natürlich ordentliche Wärmeoveralls. Als Besucher hält man sich nur 7-10 Minuten darin auf und merkt so die trockene Kälte kaum.

Die Ergebnisse fließen in die Entwicklung von numerischen Modellsystemen ein, die in der Klimaanalyse und in der Naturgefahren-Warnung angewendet werden. So liefert das SLF für die Prävention und Vorhersage von Hochwassersituationen insbesondere während der Schneeschmelze regelmäßig schneehydrologische Analysen an die verantwortlichen Stellen beim Bundesamt für Umwelt (BAFU). Weitere Partnerschaften bestehen zu Institutionen der Kryosphärenforschung, Herstellern von Hochleistungsrechnern und der Modellentwicklung, Warn- und lokalen Sicherheitsdiensten sowie der Industrie.

Lawinen und Prävention

Diese Forschungseinheit untersucht im Auftrag des Schweizer Lawinenwarndienstes die Entstehung und Dynamik von Lawinen mit dem Ziel, Ort und Zeitpunkt, sowie Wirkung von Lawinenereignissen besser vorhersagen zu können. Mit Hilfe von Experimenten im Labor und Untersuchungen im Feld entwickelt sie Prozessmodelle.

Das Lawinenbulletin informiert die Bevölkerung täglich über die Lawinensituation und warnt eventueller vor Lawinengefahr in einem fünf Stufensystem. Ein umfangreiches Messnetz von Beobachtern und automatischen Stationen liefert die Grundlagen dazu. Die Einheit entwickelt Warn- und Informationssysteme für Behörden sowie lokale Sicherheitsdienste. Wie sich ein Bruch in der Schneedecke – also eine Lawine – ausbreitet, hängt nicht von Menge, Hangneigung und Temperatur ab, sondern u.a. auch von ihrer räumlichen Homogenität. Lawinen können mit einer Geschwindigkeit von bis zu 300 Stundenkilometern zu Tal donnern und bekanntermaßen großen Schaden anrichten. Anschaulich wird dies im Rahmen der Führung durch entsprechendes Videomaterial gezeigt. Dabei ist anzumerken, daß die meisten Lawinen von Menschen selbst (meist Tourengeher oder Skifahrer abseits der gesicherten Pisten) ausgelöst werden. .

Bisher war mir bekannt, dass sich diese Lawinen oder Schneebretter von einer Person oberhalb des Geschehens ausgelöst werden. Neu gelernt habe ich hier, dass dies auch von einer Position unterhalb des Bruches der Fall sein – und der Täter so zum Opfer wird. Wie und wann Brüche entstehen, ist bei spontanen Lawinen bisher allerdings nicht bekannt. Mit Belastungsinstrumenten bzw. mittels eines sog. Scherapparates untersucht man am SLF eben diese Prozesse an Modellen. An besonders gefährdeten Stellen (wo sich z.B. durch regelmäßige Höhenwinde immer wieder Schneeverwehungen anlagern) wird heute nicht mehr per Sprengmittelabwurf aus dem Helikopter gesprengt, sondern durch Installation fester Stationen, die per Funk als kontrollierte Präventivmaßnahme ausgelöst werden.

Eine weitere zentrale Aufgabe ist, die Praxis im Bereich des Lawinenschutzes zu beraten und Methoden zum risikobasierten Umgang zu entwickeln. Beispielsweise gibt es für Davos eine Karte, in der genau festgehalten ist, wo gar nicht und wenn, nur unter Auflagen gebaut werden darf (bspw. Erdwallaufschüttung bis Dachhöhe zur Bergseite hin, Fenster mit Sicherheitsglas, etc.). Extrem wichtig ist ferner der Schutz von Straßen und Verbindungswegen durch Schneegatter, Drahtzäune, Aufforstung, Straßengalerien und Tunnelbauten.

Alle Erkenntnisse aus Forschung und Entwicklung werden laufend umgesetzt und fließen in die intensive Lehr- und Ausbildungstätigkeit ein. Die Gruppe arbeitet nicht nur eng zusammen mit anderen Forschungseinheiten an der WSL, sondern auch mit anderen Partnern im In- und Ausland. Dazu gehören nationale und internationale Forschungsinstitutionen, kantonale und Bundesbehörden sowie Industrie, Verbände und Institutionen der öffentlichen Sicherheit und des Tourismus.

Alpine Umwelt und Naturgefahren

Diese Einheit analysiert die Auswirkungen der Klimaänderung bzw. Extremereignissen auf physikalische und ökologische Prozesse sowie Prozessketten in Gebirgsregionen und damit verbundenen neuen Risiken. Den Forschern geht es um ein besseres Verständnis der sich verändernden Prozesse, der Identifizierung komplexer Interaktionen und damit der Früherkennung und Einschätzung der wichtigsten Auswirkungen für Umwelt und Gesellschaft. Der spezifische thematische Fokus liegt dabei auf folgenden fünf Forschungsgruppen: Permafrost, RAMMS Rapid Mass (Software zur Berechnung der Gefahren-Abwehrmaßnahmen-Relation), Gebirgsökosysteme, Alpine Fernerkundung und Alpine Massenbewegung. Inter- und transdisziplinäre Forschung mit anderen Forschungseinheiten der WSL, nationalen und internationalen Forschungsinstitutionen und der Praxis ist dabei stets grundlegend.

Um gesteckten Ziele zu erreichen, wird eine breite Palette von Methoden und Ansätzen angewandt. Dazu gehören modernste thermische und multispektrale Messgeräte, Verarbeitungstechnologien sowie die Entwickelung von Prototypen und maßgeschneiderten Techniken (z.B. für Drohnen und bodengestützte Systeme). Langzeitüberwachungssysteme (Permafrost und Biodiversität) und Feldexperimente (z.B. Steinschlag in Kombination mit
Schutzwald) bilden dabei die Basis der Entwicklung numerischer Modelle für Wissenschaft und Praxis. Um plausible, realistische Szenarien für die Zukunft der alpinen Umwelt zu erstellen, sind die Modelle mit Klima- und Extremwetter-Szenarien verknüpft.

Im Laufe der Führung gibt Michael auch Einblicke in einige Forschungsaktivitäten, wie z.B.

  • Schneehöhenmessung mittels Drohnen
  • Simulation von Fels-Eis-Lawinen, https://www.youtube.com/watch?v=MHr7D-2XDYE die sich in kalten Regionen ändernde Biodiversität und Langzeitbeobachtungen im Permafrost
  • Blockgletschergeschwindigkeit, etc.

Bei so viel Information schwirrt einem der Kopf und ich frage mich, woher die genutzten Instrumente eigentlich kommen. Aus dem Katalog sicherlich nicht. Genau dafür gibt es am SLF das Team Versuchsanlagen, das aus Konstrukteuren, Mechanikern und Elektronikern besteht. Die speziellen Wünsche der Forschenden an die Vorrichtungen fordern dieses Team immer wieder aufs Neue heraus, kreative Lösungen zu finden. Kaum eine Anlage ist auf dem Markt fix und fertig erhältlich, somit sind fast alles Eigenentwicklungen; von schweren Metallbauten bis hin zu winzig kleinen Messsensoren wird alles im Hause erstellt. Auch der Unterhalt der verschiedenen Anlagen (automatisches Messnetz, Versuchsanlagen, Kältelabor, etc.), welche vielfach ohne Unterbrechung in Betrieb sind, wird von diesem Team gewährleistet.

Wie z.B. der SnowMicroPen, mit dem man den Eindringwiderstand des Schnees mißt, um Radarmessungen und Schneeprofile besser verstehen zu können. So können die härteren und weicheren Schichten einer Schneedecke bzw. die Schneeeigenschaften schneller gemessen werden, als mit der bisherigen Rammsonde und vor allem ohne zuerst mühsam ein 1-2 Meter hohes Schneeprofil zu graben. Vor einigen Jahren habe ich selbst an einem Lawinenschutzkurs im Wallis teilgenommen und weiß, wie anstrengend das Abstechen bzw. Erstellen eines aussagekräftigen Schneeprofils im Gelände ist.

Ein Kernstück des Skilabors ist z.B. das Eis- und Schneetribometer. Mit ihm können die Gleiteigenschaften von Belägen, Wachsen und Schliffen getestet werden. Und vieles mehr. Mitte Juni gibt es auch stets einen Tag der Offenen Tür. Das alles hat natürlich seinen Preis und wird fast ausschließlich aus Schweizer Steuermitteln finanziert.

Schnee und Eis haben mich schon immer fasziniert, da sie ja nur ein anderer Aggregatzustand von Wasser sind. Und ja, Schnee kann man in vielfältiger Weise auch hören.

Gerne hätte ich mich auch über Gletscherforschung informiert, aber die Glaziologen sind alle zentral an der ETH Zürich ansäßig. https://vaw.ethz.ch/.

Abschließend bzw. als Ergänzung drei sehr anschaulich verfaßte Bildberichte von Matthias Jaggi über seinen aktuellen Antarktisaufenthalt. Da ist man als Forscher auch mal Lastesel und muss Brot backen:

Bildquellen: SLF und Pfritz; die Herkunft der Youtubes ist je Video gekennzeichnet.

Petra Fritz

Die Autorin ist von Beruf Dipl-Kfm (Uni Mannheim), Jahrgang 1960, verheiratet, wohnhaft in Speyer am Rhein. Sie war 4 Jahre Personalleiterin bei den US- Streitkräften (AAFES) in Stuttgart und Heidelberg, in Folge 12 Jahre tätig im Pharma-Management von BASF (Auslandsvertrieb), davon 18 Monate bei der Tochtergesellschaft Quimica Knoll in Mexico.

Die Autorin ist von Beruf Dipl-Kfm (Uni Mannheim), Jahrgang 1960, verheiratet, wohnhaft in Speyer und Locarno. Sie war 4 Jahre Personalleiterin bei den US-Streitkräften (AAFES) in Stuttgart und Heidelberg und in Folge 12 Jahre im Pharma-Management von BASF (Auslandsvertrieb) tätig, davon 18 Monate bei der Tochtergesellschaft Quimica Knoll in Mexico.

Von 2002 bis 2022 war Petra Fritz selbständige rechtliche Berufsbetreuerin (Vormund) und Verfahrenspflegerin für verschiedene Amtsgerichte in der Vorderpfalz. Seitdem widmet sie sich verstärkt ihrer Coaching- und Autorentätigkeit.

Privat war Petra Fritz Leistungssportlerin im Eis- und Rollkunstlauf (u.a. Teilnehmerin bei der Profi-WM 1978 und Top 10 1979), später 14 Jahre lang Vize-Präsidentin des Rheinland-pfälzischen Eis- und Rollsportverbandes sowie Repräsentantin „Frau im Sport“. Heute ist sie in der Freizeit gerne auf dem Wasser und auf Ski unterwegs. Ansonsten agiert sie seit 2012 auch als semi-professional Bestager-Model, Darstellerin, Moderatorin und Bloggerin für „Topagemodel.de“.

Petra Fritz hat das Buch „Mittendrin statt nur dabei“ veröffentlicht.

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