Versäumnisse

Wie weit weg von ihren Wählern ist Bundeskanzlerin Angela Merkel? Ein Kommentar von Uwe-Matthias Müller.

Wumms, das hat gesessen. Mein Podcast hier an dieser Stelle „Reise(-Wahnsinn)“ hat heftige Diskussionen ausgelöst. Inhaltlich und wegen der Form. Fangen wir mit der Form an. Ich sei triefend ironisch, wie ein TrashTV Comedien, negativ und ohne positive Botschaft. Angela Merkel sei die absolut richtige Bundeskanzlerin für diese Krise – bei aller sonstigen berechtigten Kritik. Und es sei doch so wichtig, die deutsch-französische Achse zu stärken.

Die deutsch-französische Achse stärken? Na klar, dafür bin ich auch, zumal mit dem Brexit ein starker Partner Deutschlands die EU verlassen hat. Unter anderem übrigens mit der Begründung, die Briten wollten die unkontrollierte Einreise von Migranten, die die Bundeskanzlerin mit dem Satz „Wir schaffen das!“ einst eben nicht nur in Deutschland, sondern ungefragt auch in der EU willkommen hieß, stoppen. Ich frage mich nur, ob der Ehrenbürger der Europäischen Union, Helmut Kohl, nicht recht hatte, als er kurz vor seinem Tod seine Angst um Europa formulierte. Sein Buch jedenfalls wurde als deutliche Kritik an der Führungs-Kompetenz von Bundeskanzlerin Merkel gewertet. Eine Beschreibung der Buch-Präsentation Anfang November 2014 in der „WELT“ können Sie hier nachlesen. Erinnern wir uns: Emmanuel Macron hat die Wahl zum Präsidenten der République Francaise unter anderem gewonnen, weil er eine Reform der EU wollte. Um die Akzeptanz der Bürger zu erhöhen. Die Antwort aus dem Bundeskanzleramt? Dröhnendes Schweigen.

Die Liste der Versäumnisse ließe sich lang fortsetzen. Die deutsche Bundeskanzlerin verfährt bei der Krisenbewältigung immer nach dem Motto: „Geld regiert die Welt!“. Und Geld hat sie, Dank des Fleißes der Bürger und der Innovationskraft des deutschen Mittelstandes. Und dies trotz einer Belastungs-Quote durch Steuern, Abgaben und bürokratische Hemmnisse, die weltweit Spitze sind. Ob diese fiskalischen Einnahme-Quellen aber immerfort sprudeln werden, steht auf einem ganz anderen Blatt. Die Wende Deutschlands zu einem sozialdemokratisch-teuren Wohlfahrtsstaat kostet uns schon jetzt 1.000 Milliarden pro Jahr, Tendenz steigend. Denn wegweisende Reformen des sündhaft teuren und ineffektiven Renten-Systems, der Gesundheits-Wirtschaft und des Pflege-Systems sind ebenso versäumt worden, wie der notwendige Wohnungsbau, die Aufrechterhaltung der Infrastruktur bei der Bahn und in den ländlichen Räumen und eine den Bürgern ein gutes Gefühl vermittelnde Sicherheits-Politik – die nicht den Datenschutz der Täter vor die Aufklärung – bestenfalls sogar die Prävention – von Straftaten setzt. Und falls sie glauben, nicht genügend von den 1.000 Milliarden Euro Umverteilungs-Geld zu profitieren, weil sie keine bezahlbare Wohnung finden, die Krankenkassen-Beiträge oder die Stromrechnung nicht mehr bezahlen können, oder als Neurentner im Jahr 2020 nach 45 Arbeitsjahren nur etwas weniger als 1.000 Euro im Monat erhalten… dann fragen sie sich selbstkritisch oder einen der 709 Volksvertreter im Deutschen Bundestag, warum sie nicht zu einer der über-förderten kleinen Randgruppen gehören, die bei uns so aufwändig gepäppelt werden.

Wohlgemerkt: sozialdemokratischer Wohlfahrtsstaat unter einer 15-jährigen Kanzlerschaft der CDU/CSU. Was wohl Ludwig Erhard zu dieser dramatischen Pervertierung der Sozialen Marktwirtschaft gesagt hätte?

Vor der Stärkung irgendwelcher Achsen kommt deren Reparatur. Der demografische Wandel findet statt, jetzt! Die Digitalisierung hat begonnen und geht unaufhaltsam weiter und wir verlieren den Anschluss. Der Klima-Wandel ist für jeden spürbar doch unsere Regierung erreicht keines der selbstgesteckten Klima-Ziele; produziert wird nicht nur CO2, sondern auch enorm hohe Kosten für die Bürger. Der Turbo-Kapitalismus mit seiner Extrem-Variante der totalen Globalisierung hat durch die Coronavirus-Pandemie einen Dämpfer bekommen. Nicht minderjährige Klima-Aktivisten, nicht Politiker ohne Berufs-Ausbildung und auch nicht die Bundeskanzlerin haben uns den Irrsinn und die verheerenden Folgen der ungehemmten Globalisierung vor Augen geführt. Es war ein unsichtbares, Krankheit und Tod bringendes Virus, das uns zum Nachdenken gebracht hat.

Es mag sein, dass wir alle uns irgendwann nach der Regierungs-Zeit der „Mutti“ genannten Bundeskanzlerin sehnen werden. Das jedenfalls spräche nicht für den/die Nachfolger*in…