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von Petra Fritz

in DNEWS24.

Olympia Special: Liveberichte von der 34. und 44. Fackeletappe in Villefranche-sur-Mer und Verdun. Von Petra Fritz

Die Ankunft des Olympischen Feuers auf dem historischem Segelschiff Belem im Hafen von Marseille am 08.05. war ein Novum und eine grandiose Inszenierung: Ein Wasser-Feuerwerk am Nachmittag, eine Flugshow der Patrouille de France (u.a. zeichneten die Jets die olympischen Ringe an den Himmel). Ein sicherlich ebenso magischer Moment war die Ankunft der Flamme in Saint-Laurent du Maroni, einer ehemals berüchtigten Strafkolonie in Französisch Guayana. Von dort glitt die Flamme nach Abschluß einer indianischen Zeremonie in einer Piroge (eine Art Einbaum) den Oyapock-Fluß durch den Amazonas Regenwald hinunter. Ein weiterer ikonischer Höhepunkt: die Ankunft der Flamme auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges in und um Verdun.

Den 18.06. und 29.06. hatte ich mir schon vor Wochen im Kalender markiert, um die „Flamme“ einmal persönlich zu treffen und die Atmosphäre drumherum zu erleben. Zunächst an der Cote d’Azur bzw. in Villefranche-sur-Mer, weil die Fackel hier gleich mehrere besondere Auftritt hatte. Im zweiten Fall, weil sie an diesem Tag an einem sehr geschichtsträchtigen Ort endete, der für die Sinnlosigkeit und Unmenschlichkeit des Krieges ebenso steht, wie für die Aussöhnung bzw. die Deutsch-Französische Freundschaft. Die Rede ist von Verdun.

Etappe 34 – quer durch die Region Alpes-Maritime

Gerade erst war die Flamme per Flugzeug aus der Karibik bzw. von Martinique zurückgekehrt und in Nizza gelandet. Orte mit besonderem Flair wie Monaco, Cap Ferrat, Grasse, Cannes und St. Tropez reihen sich entlang der Cote d’Azur wie an einer Perlenkette auf. Einen ganz besonderen Moment erlebte der Fackellauf in Villefranche. Die geschützte Bucht zwischen Cap Ferrat und Nizza, in der bis 1962 die Sechste US-Flotte lag, ist heute als Kreuzfahrthafen bekannt.

Im Zentrum des Geschehens stand hier eine leibhaftige Nixe: die Apnoetaucherin Alice Modolo. Sie schrieb 2022 mit dem Weltrekord im Freitauchen Geschichte. Auf den Bahamas erreichte sie mit gleichmäßigem Gewichtszug eine Tiefe von 96 Metern (ihr männliches Pendant schaffte 127 Meter), nachdem sie 2013 mit Monoflosse bereits 185 Meter erreicht hatte. Der Zeitrekord im Apnoetauchen (also ohne Sauerstoff) liegt bei fast 12 Minuten; Frauen schaffen es immerhin auf unglaubliche neun Minuten.

Früh morgens kurz nach acht Uhr holte Modolo im zart hellblauen Tauchanzug mit Olympia-Emblem auf der Brust das Feuer mit einer speziellen Magnesiumfackel aus 40 Meter Tiefe an die Oberfläche und landete schließlich in einem einfachen Fischerboot am Quai Coubert an. „Je suis toute tremblante“, gestand Modolo der Presse. Schon ab 6.45 Uhr war der gesamte Hafenbereich am Port de la Santé abgesperrt. Wollte man vor Ort sein, hieß es also schon um 05.30 Uhr aufstehen, um sich ab 06.30 Uhr ein Plätzchen zu sichern. Das unmittelbare Auftauchen aus dem Wasser konnte allerdings nur das Olympia-Sicherheitsteam und einige auserwählte Personen verfolgen.

Die Fackel kann aber noch mehr und hatte nicht nur an diesem Tag ein straffes Programm. Bereits um 09.00 Uhr brach sie nach Grasse auf, der Welthauptstadt des Parfums, wo sie vom Sternekoch Jacques Chibois in Empfang genommen wurde. Bereits zwei Stunden später war sie in Cannes, wo sie u.a. vom Paralympic-Athleten Alexandre Farrugia getragen wurde. Vom Chateau de la Castres aus gelangte die Flamme nach drei Kilometern durch die Stadt über das Palais des Festivals zur Base Nautique. Von dort ging es wieder in’s Hinterland der Seealpen, wo sie gegen 13.30 Uhr in Valberg, einem Wintersportort, von Julia Pereira de Sousa-Mabileau, einer olympischen Snowboarderin abgeholt wurde. Anschließend radelte das Feuer mit einer Fahrradequipe in rasanter Fahrt von Launes nach Beuil.

Die fünfte Etappe führte die olympische Fackel zurück zur Küste nach Juan-les-Pins bzw. Antibes, das offizielle Partnerstadt des griechischen Ortes Olympia ist. Aber damit noch nicht genug, denn nun ging es nochmals in die Berge nach La Colmiane, wo sie um 16.33 Uhr über die längste Seilrutsche Frankreichs (2,6 Kilometer lang) von Judo-Weltmeister Loïc Pietri, auf dem Bauch liegend die silberne Fackel fest voraus in beiden Händen, mit 120 Stundenkilometern in’s Tal sauste. Auf dem Weg zurück nach Cannes gab es unter den Fackelträgern einige Überraschungen. So waren die amerikanische Schauspielerin Halle Berry ebenso darunter wie der Ski-Bordercrosser Shaun White, aber auch Formel-1-Rennfahrer Charles Leclerc und Prince Albert von Monaco mit Familie.

Der aufregende Staffellauf endete gegen 18.00 Uhr auf der Avenue des Grenouillères, wo Ultra-Trial-Star Sébastien Camus und weitere Athleten sie entlang der Promenade des Anglais begleiteten. Schlußendlich wurde der olympische Feuerkessel mit nur wenig Verspätung gegen 19.40 Uhr von Fußballer-Star Stéphane Diagana entzündet, nachdem sie zuvor stolz vom Skirennfahrer Alexi Pinturault getragen wurde. Alle Fackelträger sind ausnahmslos mit demselben schlichten weißen Sportoutfit (Langarmshirt und Jogginghose) mit rotorangefarbenen Streifen auf den Armen und einem kleinen Emblem auf dem Oberkörper gekleidet.

Sicherheit für die Flamme, Akteure und Zuschauer

Die neuralgischen Punkte sind überall natürlich schon Stunden vorher weiträumig abgesperrt und stellenweise war einfach kein Durchkommen; geschweige denn ein Parkplatz zu finden. Mit Sicherheit sind es täglich zehntausende Zuschauer, die die Strecken säumen und sich dieses Spektakel und die parallel stattfindenden sonstigen Aktivitäten wie Spiel- und Musikveranstaltungen nicht entgehen lassen. Organisatorisch ist alles wohl durchdacht und nur ein Teil des Polizeiaufgebotes ist sichtbar. Beobachtet man genau, lassen sich in der Menge immer wieder Personen in Zivil mit Headset und Funk ausmachen. Wird das Feuer, ja man könnte schon sagen, das „Ewige Licht“, über größere Entfernungen bis zum nächsten Etappenort oder -abschnitt transportiert, flackert es sorgsam bewahrt in der kleinen historischen Schiffslampe aus Messing, in der es mit dem Segelschiff „Belem“ am 08.05. in Marseille ankam. Der erste Fackelträger bezieht sein Feuer dann genau von dieser Feuerquelle. Sollte das Fackelfeuer eines Trägers einmal erlöschen, darf es nur mittels dieser originären Flamme aus Olympia wieder entzündet werden; sonst wäre die Stafette unterbrochen. Wie wichtig diese Urflamme ist, sollte sich vor meinen Augen am Abend im Stadion von Verdun erweisen.

Wenige Tage später Etappe 44 rund um Verdun

Das Departement Meuse liegt im Herzen von Lothringen. Die Olympische Fackel begann ihre Reise an diesem Tag im kleinen Dorf Gondrecourt-le-Château und erreichte gegen Mittag schließlich Commercy, wo man überzeugt ist, bereits 1755 das berühmte Madeleine-Gebäck gebacken zu haben. Vom Lac de Madine, aus, zog die Fackel nach Bar-le-Duc weiter, einem ehemals herzoglichen Wohnsitz im Renaissancestil. Ein weiterer geschichtsträchtiger Ort ist Verdun, der Schauplatz der längsten Schlacht der Gesichte im Ersten Weltkrieg. 300 Tage lang tobte hier ein gnadenloser Stellungskrieg bei dem über 300.000 Menschen ums Leben kamen (WikiPetra in DNEWS24).

Just in diesem Jahr jährte sich die Landung der Alliierten in der Normandie zum 80. Mal und der Beginn des Ersten Weltkriegs zum 110. Mal. Es ist auch der 40. Jahrestag der „Geste von Verdun“, bei der sich Präsident François Mitterrand (1981-1995) und Bundeskanzler Helmut Kohl (1982-1998) Hand in Hand vor dem Beinhaus von Douaumont verneigten.

Kaum ein Ort hatte also mehr Einfluss auf die französische Geschichte, denn die Stadt ist überdies bekannt für den „Vertrag von Verdun“ im Jahr 843, der das Frankenreich in drei Königreiche aufteilte und eine Neuordnung Europas zur Folge hatte. Demzufolge gab es hier gleich zwei Fackel-Konvois: einen, der über Mittag andächtig an den ikonischen Schlachtfeldern etwas außerhalb von Verdun vorüberzog und am „Memorial“ sowie am „Ossuaire“, dem gigantischen Beinhaus von Douaumont stilles Gedenken hielt. Der andere startete am späten Nachmittag am Etang Pré L’Eveque entlang einer frisch geteerten und mit Wimpeln geschmückten Straße unweit der „Unterirdischen Zitadelle“, einem Verteidigungsnetzwerk aus dem 17. Jahrhundert erbaut von Meisteringenieur Vauban. Rasch ging die Reise weiter vorbei am 30 Meter hohen Siegesmonument mitten in der Stadt, wo 250 Kinder die Treppen säumten. Unter den vielen Fackelträgern an diesem Tag waren aber nicht nur Sportstars wie Sébastien Serriere (2-facher olympischer Paracyclist) und der Läufer Abdelkader Kenane (nahm u.a. am Rennen von der Chinesischen Mauer nach Moskau teil), sondern auch Personen wie Joëlle Huguin, die ihr Leben sozialen Projekten wie der Verbesserung der Lebensbedingungen in Madagaskar widmet.

Der „Feuerkuss“ zweier Fackeln

Nach der Überquerung der Maas/ Meuse und einer kurzen Parkpassage, kam die Fackel exakt um 18.20 Uhr gegenüber dem Chaussée-Tor an, das im 14. Jahrhundert der offizielle Eingang zur Stadt Verdun war. Genau darauf hatte ich bei meinen Planungen spekuliert und ein Zimmer auf dem dort liegenden „Hotelschiff Savy“ gemietet. Der Routenverlauf ist (aus Sicherheitsgründen) nämlich nicht immer genau bekannt. Endlich einmal ohne Gedränge in der ersten Reihe stehen. Schon zwei Stunden zuvor hatte ein Hubschrauber den Abschnitt überflogen und ein beträchtliches Polizeiaufgebot patrouillierte am Ufer und auf dem Wasser per Schlauchboot entlang. Teils mit Maschinengewehr und stetem Augenkontakt selbst zu den Hotelschiffgästen auf dem Achterdeck. Ein untrügliches Zeichen, dass sich genau hier etwas ereignen würde. Unvermittelt postierten sich diverse Ruderboote auf dem Wasser; alle Insassen trugen die weiße Olympiakleidung (Rudern ist seit 1900 olympische Disziplin). Eine kleine Ehrenformation mit rot-weißen Ruderblättern stand am Ufer Spalier und der Achter wartete am Kai. Eines der Boote trug den Namen „Atlanta 1996“ und war dort ohne Frage im Einsatz. Später erfahre ich, daß darin neben dem Olympiasieger von 2016 Pierre Houin, Frédéric Kowal saß, der eben in Atlanta 2016 Bronze holte. Die älteren Damen im Vierer prüfen noch einmal schnell ihre Frisur in den Bullaugen-Fenstern der „Savy“ und beklatschen winkend meine Olympiafahne. So schnell konnte ich von diesem sympathischen Moment gar kein Video drehen.

Endlich nahte am gegenüber liegenden Kai ein Offizieller. Blitzschnell zog dieser eine Fackel aus einem schwarzen Sack und drückte sie dem zweiten Mann im Achter in die Hand. Emotional berührt schwang dieser das gute Stück schon mal ohne Feuer begeistert durch die Luft. Unterdessen ist es der besagte Offizielle, der am unteren Ende der Fackel, wo die Gaskartusche sitzt, das Gewinde zudreht und das Feuer der Fackel so erlischt.

Dem Fackel-Tross voran fahren – wie bei der Tour de France – mit Musik und lauten Tamtam stets einige Polizei- und Sponsorenfahrzeuge mit den Logos von Coca-Cola, Banque Populaire und Caisse d’Epargne. Erst, wenn dann die grau gekleideten Fackelguides (teils Polizisten in Zivil) auftauchen, folgt unmittelbar der aktuelle Kandidat in Weiß. Oberhalb der Kaitreppe blieb er noch einmal stehen und genoß den Moment. Dann trabte er behänd die dreißig Stufen hinunter zum Boot und übergab mit Handshake und dem magischen „Fackelkuss“ das Feuer an den Team-Captain der Ruder-Staffel Benjamin Rondeau. Dieser hatte 2008 in Peking Bronze gewonnen. Die Kollegen im Achter klatschten sich noch kurz ab und schon glitt die insgesamt 24-köpfige Bootsstaffel unter lautem Jubel der Zuschauer an der Place de la Liberation vorbei bis zur nächsten Brücke, wo nach 500 Metern schon die nächste Übergabe wartete. Zweifelsohne ein Höhepunkt des Tages, wie die beiden Videos zeigen; selbst mir an der Reling zitterten etwas die Hände.

Entzündung des Feuerrings als Vorgeschmack auf das ikonische Olympiafeuer in Paris

Einzig zu Fuß war es in Folge möglich, nun zum „Parc de Londres“, einem Sportkomplex, zu gelangen, wo die Feierlichkeiten zur Entzündung des Feuerrings stattfanden. Auf dem Weg dorthin begegnete ich einer jungen Ozeanierin, die stolz die Flagge des französischen Übersee-Departements „Wallis & Futuna“ trug, einer kleinen Inselgruppe zwischen Fidschi und Samoa gelegen. Leider konnte ich im Gedränge nicht mit ihr sprechen.

Allez les Bleus. Letzte Fackelträgerin an diesem Tag war die dreifache Judo-Weltmeisterin Armandine Buchard. Nach ordentlicher Einlaßkontrolle (Männlein links, Weiblein rechts) waren es nur noch wenige Minuten bis zum großen Finale. Alles ging etwas rascher als geplant, weil für den Abend schwere Gewitter gemeldet waren. Hunderte Smartphones reckten sich nun in Richtung Fackelträgerin und auf den Ringkessel. Nach einer kleinen Ehrenrunde der 28-Jährigen zierlichen Judoka, die nach Silber in Tokio in Paris nun Gold holen will, begann auch schon der rückwärts gezählte Countdown: “ trois, deux, un …. ein kurzes Andoppen des Fackelkopfes an die Gasdüsen und schon leuchtete das Feuer von Verdun in den Abendhimmel. Doch Schrecksekunde. Noch bevor das offizielle Abschlußfoto gemacht werden konnte, war es plötzlich erloschen. Reaktionsschnell eilte eine Offizielle mit dem besagten Urlicht herbei und entzündete den Ring erneut. So hatte ich Gelegenheit, die Entzündung gleich zweimal zu sehen; einmal hinter der Kamera und einmal mit bloßen Augen. Das Feuer übernachtete hier gut bewacht, bevor es am nächsten Tag zu einer weiteren Etappe in Richtung Champagne nach Epernay aufbrach. Das alles mag nicht Jedermanns Geschmack sein, aber für Sportfreunde ist das hautnahe Erleben mehr, als nur eine schöne Erinnerung. „Terre de Jeux“ stand gerade in Verdun für Frieden und Versöhnung und ließ die Narben der vergangenen und aktuellen Kriege für einen Moment in den Hintergrund treten.


Anmerkung: Fotos PFritz, Fremdmaterial (Bild/ Ton) ist entsprechend gekennzeichnet

Petra Fritz

Die Autorin ist von Beruf Dipl-Kfm (Uni Mannheim), Jahrgang 1960, verheiratet, wohnhaft in Speyer und Locarno. Sie war 4 Jahre Personalleiterin bei den US-Streitkräften (AAFES) in Stuttgart und Heidelberg und in Folge 12 Jahre im Pharma-Management von BASF (Auslandsvertrieb) tätig, davon 18 Monate bei der Tochtergesellschaft Quimica Knoll in Mexico.

Von 2002 bis 2022 war Petra Fritz selbständige rechtliche Berufsbetreuerin (Vormund) und Verfahrenspflegerin für verschiedene Amtsgerichte in der Vorderpfalz. Seitdem widmet sie sich verstärkt ihrer Coaching- und Autorentätigkeit.

Privat war Petra Fritz Leistungssportlerin im Eis- und Rollkunstlauf (u.a. Teilnehmerin bei der Profi-WM 1978 und Top 10 1979), später 14 Jahre lang Vize-Präsidentin des Rheinland-pfälzischen Eis- und Rollsportverbandes sowie Repräsentantin „Frau im Sport“. Heute ist sie in der Freizeit gerne auf dem Wasser und auf Ski unterwegs. Ansonsten agiert sie seit 2012 auch als semi-professional Bestager-Model, Darstellerin, Moderatorin und Bloggerin für „Topagemodel.de“.

Petra Fritz hat das Buch „Mittendrin statt nur dabei“ veröffentlicht.

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