Mehr Rente ab 1.7.2020. Mehr Altersvorsorge nicht.

Eine Rentenerhöhung macht noch kein gutes Altersvorsorge-System. Renate Zott rechnet nach.

Gute Aussichten für 22 Millionen Rentnerinnen und Rentner. Könnte man meinen. Trotz Corona-Krise wurde beschlossen, dass die Renten steigen und zwar um 3,45% im Westen und 4,2% im Osten. Auch wenn der Staat sich über die gleichzeitig steigende Steuerpflicht der Rentner einiges wieder in die Kasse holt, bleibt ein sattes Sümmchen, das nun zusätzlich zu finanzieren ist. Jeder weiß, dass die Beiträge der Einzahler nicht mehr für jene reicht, die aus dem Arbeitsleben ausgeschieden sind. Und jeder weiß im Grunde auch, dass – mit Erhöhung oder auch ohne – die Probleme mit den Renten und der Altersarmut nicht gelöst sind, sondern immer dicker werden. Möglicherweise verschleiert es den Blick weiterhin darauf, dass die Last der Generation, die in Bälde noch die Flut der ca. 7 Millionen Babyboomer mit Rente zu versorgen haben wird, so unfassbar groß ist, dass man als Mensch dieser Generation 1. schon jetzt ein schlechtes Gewissen haben muss und 2. nicht glauben kann, dass unsere Kinder überhaupt noch eine Grundversorgung aus der gesetzlichen Rente vom Staat werden bekommen können, sofern man an geltende Maßstäbe für die Finanzierung von Renten und Staatshaushalten denkt. Und bei der ganzen Jonglage mit Millionen und Milliarden, die uns aktuell via Nachrichten jeden Tag nur so um die Ohren fliegen, geht ein wichtiger Punkt vergessen:

„Es ist unsere verdammte Pflicht, den jungen Leuten zu sagen,

dass sie selbst für ihre Rente sparen müssen!“

Schlechte Nachrichten verbreitet keiner gerne, aber die Fakten sind klar. Sie sind sogar so klar, dass man sie sich mit wenigen Sätzen vergegenwärtigen kann. Ohne die höhere Mathematik bemühen zu wollen, hier die harten, überschlägigen Fakten aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

  • Die Durchschnittsrente in Deutschland beträgt etwa 1.000 EUR monatlich (netto)

Oder anders

  • Das Rentenniveau liegt im Schnitt bei 48% des einstigen Einkommens.

Oder noch anders

  • 2 Beitragszahler finanzieren in etwa einen Rentner

Oder auch so

  • Von Altersarmut sind in etwa 3 Millionen Rentner in Deutschland betroffen

Frauen alleine betrachtet kommen sogar noch deutlich schlechter weg.

Stand heute.

In den Köpfen der meisten grassiert einerseits die Angst vor der Armut im Alter, andererseits sieht es mit der Bereitschaft, privat für’s Alter vorzusorgen mau aus. Umfrageergebnisse zeigen, dass die Sparneigung sogar rückläufig ist.

Das ist paradox.

Und trotzdem ist es so. Man findet es vernünftig, Geld für den Ruhestand zurückzulegen, hat aber andererseits keine Lust, sich dafür einzuschränken; auf Konsum zu verzichten. Der Strohhalm im 3. Aperol Spritz macht Mut, die Dinge nicht so eng zu sehen. Und wer kann überhaupt sagen, ob man

den irgendwann später noch trinken kann oder will. Das Leben findet schließlich im Hier und Jetzt statt. Unser Leben ist mehr und mehr darauf ausgerichtet, sich und den Tag zu feiern, die Kohle rauszuhauen – sparen lohnt sich ja nicht. Und überhaupt wird der historische Traum von satten gesetzlichen Renten gerne weitergeträumt. Wie kann man auch anders, wenn die Rente jedes Jahr steigt. So bleibt wohl das Bild vom reichen Rentner in den Köpfen, schließlich heißen sie nicht umsonst Silverager. Und da hat der ein oder andere Verkäufer dann schon mal schnell die Dollarzeichen in den Augen, wenn so ein Silbrich-Grauer den Laden betritt. Ich kann das alles verstehen und doch sehe ich die Verantwortung genau bei unserer Generation, bei den jungen Leuten ein höheres Bewusstsein für die Rentenlage zu schaffen, wenn schon die nackten Zahlen nicht überzeugen können. Auch die zahlreichen Dokus über Flaschen sammelnde Alte oder jene, die mit Ü 70 noch 450,- EUR Jobs machen müssen, um zu überleben. Auch sie schaffen es nicht. Es muss wohl sehr viel früher losgehen, mit der Überzeugungsarbeit. In den Schulen den Kindern erklären, wie es funktioniert, das Geschäft mit dem Geld, mit dem Sparen und mit der Rente. In der Ausbildung darauf aufbauen. Erklären, was Leben kostet, damit der Umgang mit Geld ein vernünftiger wird. Zeigen, dass man mit sehr einfachen Mitteln seine Kosten unter Kontrolle halten kann.

Viele tun das Gegenteil. Auf Papi’s Kreditkarte ist einfach immer Geld. Na, geht doch. Wir, die Alten, finanzieren den (Luxus-)Life-Style und halten junge Menschen systematisch davon ab, dem Real-Life zu begegnen. Und Real-Life heißt:

  1. Nur für Arbeit gibt es Geld
  2. Man kann nur ausgeben, was man verdient hat
  3. Vermögensaufbau gelingt, wenn man konsequent Geld weglegt

Wir tun unseren Kindern dann einen Gefallen, wenn wir sie lehren, was es bedeutet, eigenverantwortlich zu handeln und die Verantwortung für das eigene Leben zu übernehmen.

Krisen wie Corona machen deutlich, dass reich zu sein nicht automatisch bedeutet, reich zu bleiben und wie sich die Rentenzahlungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung weiterentwickeln, bleibt abzuwarten. Jetzt werden sie aber erstmal erhöht.