Integration in der Praxis – Die Arbeitgeberseite. Ein Erfahrungs-Bericht von Renate Zott

Renate Zott ist nicht nur Topagemodel und Kolumnistin. Sie arbeitet täglich in einem Handwerks-Betrieb in Frankfurt am Main. Über ihre Erfahrungen mit der Integration von Asylsuchenden berichtet sie in einer dreiteiligen Serie in DNEWS24.

Im Kommentar vom letzten Sonntag habe ich skizziert, wie es um die nackten Tatsachen bestellt ist, wenn man in Deutschland Asyl sucht. Ob das ein Verwöhnprogramm ist, mag jeder für sich selbst entscheiden. Jedenfalls dürfte klar geworden sein, dass die Trauben niemanden einfach so in den Mund fallen, wenn man sich an die bestehenden Regeln hält.

Im heutigen Kommentar lade ich Sie ein, die Arbeitgeberseite zu betrachten. Also die Erfahrungen, die wir in unserem kleinen Unternehmen bislang gemacht haben, arglos gestartet mit der Absicht, einem Flüchtling eine solide berufliche Zukunft anzubieten. Keineswegs hoch bezahlt, gleichwohl mit einer Vergütung, die für diese Stelle angemessen ist und ermöglicht, davon zu leben.

Das ist jetzt fast 4 Jahre her. Vorgestellt wurde uns Herr A. im Rahmen einer Auftragsarbeit für die Stadt. Eine Kommune, die sich vorgenommen hatte, gute Flüchtlingsarbeit zu leisten, die Menschen in Sprache, Lohn- und Brot zu bringen. Zuvor hatte sich Herr A. im Rahmen eines Praktikums bei uns bewährt und so schloss sich an, zunächst eine Arbeitsgenehmigung zu erwirken, damit ein Arbeitsvertrag geschlossen werden konnte.

Es ist alles geregelt. Vermutlich besser, als viele meinen.

Ungeahnte Verfahrenswege kamen auf uns zugerollt, zusammen mit einer Flut von Papier, Formulare, die auszufüllen waren und wertvolle Wochen die ins Land gingen, um ein legales Arbeitsverhältnis zu schaffen. In einem laufenden Asylverfahren ist das beschwerlich und zeitintensiv. Eine Stellenbeschreibung mussten wir vorlegen und mehrfach bescheinigen und bestätigen, dass keinem Deutschen damit ein Arbeitsplatz verloren geht. Auch ich musste mich einfinden in viel verdrehtes Amtsdeutsch, Paragraphen und Verfahrensrichtlinien – mein Gott, Behörden sind unglaublich kompliziert. Gleichzeitig habe ich immer wieder erkannt, dass hinter allem was so müßig war, System steckt, Politik eine Struktur geschaffen hatte, die möglich macht, dass man Arbeit gibt und gleichzeitig verhindert, dass Leistungen doppelt oder ohne Grund von Vater Staat erbracht werden. Und man muss an dieser Stelle eigentlich loben. Einerseits, dass ein Regelwerk da ist und andererseits, dass die Mitarbeiter in den Ämtern dieses anzuwenden verstehen. In Deutschland wird viel und gern gemeckert und möglicherweise zu wenig betrachtet, dass eben auch nicht alles nur furchtbar schlecht ist.

Soweit so gut.

Die Basis kann nur gegenseitiges Vertrauen sein.

Wer glaubt, dass es nun mit der Ausstellung der Arbeitsgenehmigung geschafft war, irrt, denn nun mussten wir allmonatlich den Gehaltsnachweis bei der Ausländerbehörde vorlegen und die stimmte mit der Gemeinde ab, in welcher Höhe Miete von Herrn A. für das Bett im 15 qm großen 3-Mann-Zimmer zu entrichten war. Irgendjemand legte dafür 250 EUR fest.

Unterdessen ging der Firmenalltag und natürlich auch das Leben von Herrn A. und unseres weiter. Er integrierte sich vorbildlich, wenn man das an dieser Stelle bereits sagen kann, denn unsere verbalen Kommunikationsmöglichkeiten waren kläglich. Hände und Füße und noch viel mehr von dem, was man Zeichensprache nennt. In kürzester Zeit übernahmen wir quasi die komplette Fürsorge von Herrn A. immer im Wissen, dass die Projektleiter der Kommune jederzeit unterstützend hinter uns
stehen würden.

Ganz entscheidend war unsere gemeinsame Basis, nämlich Vertrauen.

So übernahmen wir dann sämtliche Korrespondenz mit den Ämtern und insbesondere auch die im Rahmen des langwierigen Asylverfahrens. Wieder mussten wir viele Papiere und Nachweise zusammentragen, Argumente notieren und die Verhandlung vorbereiten. Auch Rechtsbeistand war nötig und wollte honoriert werden. Natürlich teilten wir die Angst vor einem ablehnenden Bescheid und waren genauso frustriert vom langen Warten auf den Gerichtstermin wie unser Herr A. Schließlich hätte eine Ablehnung bedeutet, dass Herr A. zurück muss und wir ihn als Mitarbeiter und Mensch verlieren würden.

Quasi nebenbei ließen wir nichts unversucht, alles zu vermitteln, was zu einem Leben in einem Land, das Heimat werden soll, gehört. So banale Dinge, wie ein Bankkonto, Deutschkurse und viele andere Dinge mehr. Aber auch unsere Kultur, unser Verständnis vom Umgang miteinander, angefangen vom Händedruck zur Begrüßung, bis hin zur ordentlichen Verabschiedung.

Dass ein erwachsener Mann noch keine Überweisung getätigt hat, liegt für viele vermutlich nicht
nahe, ist aber Realität. Viele für uns alltägliche Abläufe müssen völlig neu gelernt werden und da sahen wir uns einfach auch menschlich gefordert, die helfende Hand zu sein.

Unsere nächste gemeinsame Baustelle war die Unterkunft. Sie war nicht nur unverschämt teuer, sie war auch unerträglich laut. 3 Mann, 15 qm, mehr muss man nicht wissen. Aber: ein laufendes Asylverfahren bedeutet Residenzpflicht, auch mit Arbeitsvertrag und regelmäßigem Einkommen. Wieder Behördengänge, Formulare, Prüfungen und dann endlich: eine Ausnahme-Genehmigung im gleichen Ort eine eigene Wohnung anmieten zu dürfen. Schließlich fanden wir sie. Eine kleine, gemütliche Wohnung, 30 qm nur für Herrn A. Endlich ein wenig persönlicher Raum, Platz zum Lernen, für Unterlagen, für Kleider, ein paar persönliche Dinge.

Im Dezember 2017 waren wir schließlich gemeinsam bei Gericht. Niemals hätten wir unseren Mitarbeiter in diesem Moment alleine gelassen, auch wenn wir dort nur Gäste waren. Aber wir waren der ausgleichende emotionale Part zur richterlichen Instanz, die nun eine Entscheidung treffen sollte. Das Urteil im Januar 2018 fiel positiv aus und nahm eine Menge Last von unseren Schultern, beendete aber längst nicht die behördlichen Wege, die nun in die nächste Runde gingen.

Wir sind stolz, ein positives Beispiel für Integration zu sein.

Nach fast 4 gemeinsamen Jahren ist Herr A. ein unverzichtbarer Mitarbeiter für uns geworden. Vorbildlich in puncto Fleiß, Arbeitseinsatz und Pünktlichkeit, aber auch für Integration im besten Sinne. Wir sind lange noch nicht da, wo wir gemeinsam hinwollen, denn noch immer fehlen Frau und Kinder. Jahre des Vermissens und Sorgens. Eine Frau ohne Mann, die Kinder ohne Vater – es hapert gewaltig beim Familiennachzug.

So kann sie also sein, die Arbeitgeberseite. Wahrlich kein Zuckerschlecken und wer es wagt braucht definitiv Zeit und Geduld. Trotz aller Widrigkeiten steht für uns ganz oben das gute Gefühl, nicht nur Arbeit, sondern die Chance auf ein neues Leben in Frieden und Freiheit zu geben. Wir würden es immer wieder tun.

Lesen Sie in der kommenden Woche – hoffentlich weiter neugierig – wie es aktuell tatsächlich um den Familiennachzug bestellt ist.

Die Autorin Renate Zott

Renate Zott wohnt in Frankfurt am Main und ist aktive Kämpferin für ein positives Altersbild. Renate Zott, erst Versicherungs-Maklerin und jetzt Managerin einer Haustechnik-Firma, ist verheiratet und Mutter eines erwachsenen Sohnes.

Renate Zott ist Botschafterin des Bundesverband Initiative 50Plus und Kreis-Geschäftsführerin des BVI50Plus in Frankfurt am Main.

Sie betreibt den Blog www.topagemodel.de. Renate Zott ist auch bei Facebook und Instagram.