Integration in der Praxis – der Kampf gegen die Vorurteile. Ein Erfahrungs-Bericht von Renate Zott

Renate Zott ist nicht nur Topagemodel und Kolumnistin. Sie arbeitet täglich in einem Handwerks-Betrieb in Frankfurt am Main. Über ihre Erfahrungen mit der Integration von Asylsuchenden berichtet sie in einer dreiteiligen Serie in DNEWS24.

Wenn es um Flüchtlinge geht, ist Deutschland gespalten.

Die Liste der Vorurteile ist bekannt und immer wieder geht es um „wegnehmen“. Steuergelder, Arbeitsplätze, Wohnraum, Kultur. Die Angst kursiert, dass Deutschland nicht mehr Deutsch bleibt; Banden und Terror sich mit der großen Welle 2015 eingeschlichen haben und hier breit machen.

Vorwurf: Asylanten werden besser behandelt als Deutsche

Damit nicht genug. Es gibt Stimmen die sagen: Der deutsche Staat verwöhnt sie und zwar mehr als die Deutschen selbst. Kaum angekommen liefern wir wie selbstverständlich mietfreies Wohnen, Voll-Ausstattung, zahlen ungeprüft Gelder für unzählige Kinder, die womöglich weder zur Familie gehören noch in Deutschland leben. Da kommt so ein Haushalt mal eben schnell auf mehrere Tausend Euro netto verfügbares Einkommen monatlich, um sich 24/7 auf unsere Kosten einen fröhlichen Lenz zu machen und nebenbei mit einem Smart-Phone der neuesten Generation kriminelle Geschäfte einzufädeln.

Bedauerlicherweise gibt es eine Menge Menschen, die das sinngemäß genauso erzählen und verbreiten, es für wahr halten, aber keine Beispiele aus der Praxis oder nachvollziehbare Quellen nennen können. Ich durfte mich selbst im Bekanntenkreis davon überzeugen. Nun mag ich nicht abstreiten, dass es Menschen gibt – darunter sicher auch Flüchtlinge – die nichts Besseres im Sinn haben, als sich auf Staatskosten zu bereichern; dass es die große Zahl der hier Angekommenen betrifft, glaube ich nicht und meine ganz persönlichen Erfahrungen sind völlig different.

Tatsachen

Die Erlebnisse, die sich für die Mehrzahl der Asylanten seit ihrer Ankunft tatsächlich ins Leben schreiben, sind keineswegs so unverschämt rosarot, wie viele es glauben möchten. Ganz im Gegenteil. Und ich möchte einladen, Realitäten zu betrachten und zwar jene, für die ich unterschreiben kann.

Hautnah erlebe ich seit Januar 2017 wie es ist, wenn man aus seiner Heimat flieht. Seine Frau und 2 Kinder für eine Zukunft ohne Verfolgung zurücklässt.

Zunächst zurück ins Jahr 2015. Herr A. durchläuft den „normalen“ Weg, die Balkanroute: Schlepper bezahlt, Tag und Nacht gelaufen, auf dem Boden geschlafen, nichts zu essen gehabt, unglaubliche Ängste ausgehalten; schließlich in einem Übergangslager in Berlin gelandet. Per Bustransfer 3 Tage später mit vielen anderen nach Gießen gebracht worden. Keine Sänfte, keine Trauben, kein Geld. Ein Bett in Massenunterkünften, 3 x etwas zu Essen am Tag, nichts sonst, so beschreibt er es und in seiner Stimme klingt überhaupt nichts mit, was als Kritik verstanden werden könnte. Dort, in Gießen, hat man seine Papiere (Führerschein, Pass) eingezogen und gegen eine sog. Aufenthaltsgestattung getauscht. Ein Ausweispapier mit dem man Asyl beantragen kann. Das passierte im August 2016.

Zwischenzeitlich wurde weiter verteilt. Herr A. kam nach Neu-Isenburg, ein Lager mit über 1.000 Menschen. Familien, Alleinreisende, alle Altersklassen, alle Bett an Bett in einer riesigen Halle. Gleicher Tagesablauf: schlafen, essen, warten. Angst um die Familie zu Hause. Niemand konnte sagen, wie es weiter geht. Dort wurde erstmals Taschengeld gezahlt, 135 EUR pro Monat. Heute sagt Herr A. rückblickend: Man kann es wohl nicht besser machen, bei so vielen Menschen. Und man kann nicht anders, als ihm zu glauben, dass das tatsächlich seine Überzeugung ist.

Viele Kommunen leisten hervorragende Integrationsarbeit

Beim Verteilen auf die Kommunen hatte Herr A. weitere 3 Monate später Glück. Er landete in einer Stadt, wo man Asylsuchende wie normale Menschen behandelt, also einfach menschlich. Dort, wo Angestellte der Kommune tatsächlich ein persönliches Interesse haben, dass Integration gelingt. Mitarbeiter, die Lebensläufe lesen, Ausbildungen im Herkunftsland berücksichtigen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten alles daransetzen, dass Menschen Zukunft bekommen. Ehrenamtliche Sprachkurse wurden organisiert und Praktika. Jetzt bekam Herr A. auch mehr Geld. 320 EUR plus etwa 100 EUR für das städtische Praktikum. Summa summarum also rd. 420 EUR mtl. für Verpflegung, Kleidung, Fahrtkosten, behördliche Gebühren u.a.m. Das Bett in einem Raum mit 2 anderen Asylanten und die Notfallversorgung im Krankheitsfall waren weiterhin kostenfrei. Warum schreibe ich das: um aufzuräumen mit der Idee, dass der deutsche Staat Asylanten maßlos verwöhnt.

Mit dieser Vorgeschichte wurde uns Herr A. vorgestellt. Schließlich übernahmen wir mit der Einstellung in unsere Firma nicht nur die Regelpflichten eines Arbeitgebers, sondern auch die soziale Verantwortung und Betreuung.

In der kommenden Woche lade ich Sie ein, die Arbeitgeberseite zu betrachten. Wie es also ist, wenn man sich entscheidet, einen Flüchtling legal zu beschäftigen.

Die Autorin Renate Zott

Renate Zott wohnt in Frankfurt am Main und ist aktive Kämpferin für ein positives Altersbild. Renate Zott, erst Versicherungs-Maklerin und jetzt Managerin einer Haustechnik-Firma, ist verheiratet und Mutter eines erwachsenen Sohnes.

Renate Zott ist Botschafterin des Bundesverband Initiative 50Plus und Kreis-Geschäftsführerin des BVI50Plus in Frankfurt am Main.

Sie betreibt den Blog www.topagemodel.de. Renate Zott ist auch bei Facebook und Instagram.