Gedankenmacher – der DNEWS24-Kommentar am Sonntag.

Giorgia ante Portas

Seit Jahren werden rechte Parteien in der EU immer stärker. In Italien könnten sie nun die Regierung übernehmen. Gedankenmacher in DNEWS24.

Wenn die 51,5 Millionen wahlberechtigten Bürger in Italien zwischen dem Brenner und Palermo morgen aufwachen, könnte es sein, dass sie erstmals eine Frau als Ministerpräsidentin bekommen werden. Alle Umfragen zu den heute stattfindenden Parlamentswahlen in Italien sagen einen großen Vorsprung für die Partei Fratelli d’Italia voraus. Sie liegt bei 27 % – vor vier Jahren erhielt sie bei den Parlamentswahlen nur 4,37 % – und kann jetzt mit ihren Verbündeten, Matteo Salvini von der rechtspopulistischen Lega und Ex-Premier Silvio Berlusconi mit der Forza Italia, auf eine Mehrheit in der italienischen Abgeordneten-Kammer hoffen. Aufgrund des komplizierten Wahlrechts hat sie ein Potential von 60 % der Abgeordneten-Stimmen.

Marsch auf Rom

Die Eroberung des Palazzo Chigi in Rom durch ein rechtsnationales Bündnis wäre tatsächlich ein Novum in der Nachkriegsgeschichte Italiens. Allerdings kein Novum in der italienischen Geschichte. Denn genau 100 Jahre ist es her, als die faschistische Partei – der Partito Nazionale Fascista – im Oktober 1922 einen Marsch auf Rom inszenierte und so die Machtübergabe an den Faschisten-Führer Benito Mussolini erzwang. Es gab zwei sachliche Gründe für diesen Marsch: 1. eine völlige Unzufriedenheit mit der sozialen Lage und dem Funktionieren des Staates und 2. den Zerfall der traditionellen Parteien, die somit dem aufkommenden Faschismus wenig bis nichts entgegenzusetzen hatten.

Die Lage in Italien heute ist vergleichbar. Giorgia Meloni hat diesen großen Zulauf, nicht, obwohl sie Post-Faschistin ist, sondern weil sie es ist. Die Wähler sind maßlos enttäuscht von dem ewigen Hin und Her der Egoismen der bislang 67 Nachkriegs-Regierungen in Rom und haben große Angst um ihre soziale Lage. Sie sehen die drittgrößte Wirtschaftskraft in der EU im Niedergang. Nicht immer ist dieses Gefühl von Fakten untermauert. Aber die Verschwörungs-Theorien von der Schuld der Globalisten am eigenen Niedergang fällt auch bei denen auf fruchtbaren Boden, die mit ihren in China gebauten iPhones bei Twitter und Telegram Unsinn posten. Und wenn es mal ganz schlecht geht, werden Pillen aus Indien geschluckt, der Apotheke der Welt.  Dabei pflegen sich Italiener elegant zu kleiden und greifen gern auf Textilien aus Bangladesch zurück. Ihre Rechnungen bezahlen sie mit energieintensiv geschürften Kunst-Münzen.

Die Rechten auf dem Vormarsch in der EU

Auch in anderen Ländern sind die Rechten auf dem Weg an die Macht. In Frankreich hat Marine Le Pen fast jeden zweiten Wähler von sich überzeugen können. Sie ist nur deshalb nicht in den Elysée-Palast eingezogen, weil alle anderen politischen Gruppierungen geschlossen gegen sie votiert haben. In Schweden haben die Schwedendemokraten sehr gute Chancen, in der nächsten Regierung Ministerbüros zu beziehen. In Dänemark hat die Sozialistische Partei einen Schwenk hin zum Nationalismus vollzogen und stellt die Ministerpräsidentin. In Finnland, Niederlande, Belgien, Österreich, Spanien, Griechenland, Bulgarien sind die Rechten stark. In Ungarn und Polen regieren sie.

Gern mischen rechte Populisten Nationales mit Sozialem. So deklarierte Wohltaten sollen aus Mitteln finanziert werden, die durch die Ausgrenzung von Unbequemen und Unbequemem freiwerden.

Bei all dem machen es den Rechten die liberalen und linken Parteien und Gesellschaftsgruppen leicht. Sie entfernen sich anscheinend immer mehr vom wirklichen Leben ihrer ureigensten Klientel oder verfechten ideologie-verbissen Microthemen. Kein Wunder, dass in nicht wenigen Ländern der EU traditionelle sozialdemokratische, sozialistische, aber auch christdemokratische Parteien – wenn nicht verschwunden- so doch oft marginalisiert sind.

Und in Deutschland? Die AfD hat bei den Bundestagswahlen 2021 10,3 % der Stimmen erhalten. Aktuelle Umfragen schreiben der AfD 14 % zu. In Sachsen könnte sie die seit der Vereinigung regierende CDU als stärkste Kraft ablösen, auch in anderen Bundesländern des Ostens ist die AfD stark vertreten.

Es ist der CDU unter ihrem neuen Vorsitzenden Friedrich Merz bisher nicht gelungen, die AfD in der Wählergunst zurückzudrängen. Gleichzeitig weist die AfD politisches Führungs-Personal auf, das bestenfalls für notorische Polit-Krakeeler attraktiv ist. Was, wenn die AfD das ändert und so auch für enttäuschte Wähler der Mitte wählbar wird?

Ein Bierzelt auf dem größten Volksfest der Welt

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Der Autor

Uwe-Matthias Müller ist Gründer und Vorstand des Bundesverband Initiative 50Plus, des Bundesverband Initiative 50Plus Austria und Sprecher des European Center of Competence for Demography.

Bis 1996 hat er mit seiner Frau und den beiden Töchtern in (West-)Berlin gelebt. Nach zwei Jahren im Ausland lebt er heute in Bayern.

Uwe-Matthias Müller kommt viel und gern nach Berlin. „Als Berliner auf Zeit geniesst man nur die Vorteile der Hauptstadt und kann die vielen Unzulänglichkeiten, unter denen die Bewohner täglich leiden, einfach ignorieren.“

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