Der Kommentar am Sonntag in DNEWS24.

Gedankenmacher: Ohne Freiheit ist alles nichts

Jeder Politiker will in die Geschichtsbücher eingehen. Nicht jeder schafft das. Olaf Scholz ist sein Platz sicher.

Olaf Scholz wird möglicherweise der erste Kanzler, der nach nur einer Legislatur-Periode wieder abgewählt wurde. (Kurt-Georg Kiesinger, der erste Kanzler einer (damals noch) Großen Koalition stand ja nie zur Bundestagswahl, er war Nachfolger des als Kanzler glücklosen Ludwig Erhard). Wahrscheinlich wird Scholz auch nie juristisch für seine behaupteten Verstrickungen in den Wirecard- und Cum-Ex-Skandal oder die Pleite des Elbtowers von René Benko zur Verantwortung gezogen. Dafür funktioniert die sozialdemokratische Machterhaltungs-Maschine zu reibungslos. Und auch Koalitions-Parlamentarier wie Lisa Paus und Otto Fricke, die es besser wissen (müssten), schweigen lieber und stellen den Koalitionsfrieden und den Machterhalt über die Aufklärungsliebe.

Womit kann sich Olaf Scholz denn sonst in die Geschichtsbücher eintragen?

Zwei Jahre nach Beginn des größten Landkrieges in Europa seit 1945, wird der Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland vermutlich im Herbst 2025 das Bundeskanzleramt verlassen und ihm wird der unauslöschliche Makel anhaften, dass er nicht alles getan hat, um Putin zum Frieden in der Ukraine zu zwingen.

Der Kanzler der „Zeitenwende“ ist in Wahrheit der größte Appeasement-Politiker seit dem verhängnisvollen Neville Chamberlain. Wenn es dafür weiterer Beweise bedurft hätte, wurden sie in der vergangenen Woche geliefert. Da war zunächst die Meldung der Zeitung „Welt“, dass Scholz Ursula von der Leyen als NATO-Generalsekretärin verhindert habe, obwohl die US-Regierung von der Leyen wollte. Die makabre Begründung von Scholz: von der Leyen sei zu kritisch gegenüber dem Regime von Wladimir Putin. Zu kritisch gegenüber einem Regime zu sein, dass einen völkerrechtswidrigen Krieg begonnen hat, Kriegsverbrechen begeht – die Bundesregierung hat laut Bundesjustizminister Marco Buschmann bisher 500 Kriegsverbrechen der Russen in der Ukraine dokumentiert, die Regierung der Ukraine laut Botschafter Oleksij Makejew sogar mehrere zehntausend – einem Regime gegenüber, das zehntausende von Kindern entführt hat? Wie kann man diesem Regime überhaupt zu kritisch gegenüber stehen? Und dann die Rede von Olaf Scholz auf der Münchener Sicherheitskonferenz, die mit Kopfschütteln und betretenem Schweigen aufgenommen wurde. Wenn auch Beifallsstürme auf der SIKO eher selten sind, das Appläuschen nach der Scholz-Rede war in seiner Kürze kaum noch höflich. Auch im anschließenden Podiums-Gespräch konnte Scholz nicht überzeugend darlegen, warum die Ukraine nicht mehr und effektivere („Taurus-Marschflugkörper“) Hilfe aus Deutschland erhalte. Scholz wiederholte nur ständig seine Behauptung, dass Deutschland ja schon viel tue – was eben so uneingeschränkt nicht stimmt. Denn zwischen den tatsächlichen Lieferungen und den Ankündigungen klafft eine riesige Lücke. Diese Lücke wird mit jedem Tag peinlicher (und tödlicher für die Ukrainer). Scholz scheint einfach nicht zu begreifen, dass sein Ansehen als Friedens- und Krisen-Politiker das Niveau der Verteidigunsgministerin erreicht hat, die behauptete mit 5.000 Stahlhelmen einen wirksamen Betrag im Abwehrkampf der Ukraine gegen Überschallraketen der Russen zu liefern. Scholz behauptete damals, Lambrecht sei die beste Verteidigungsministerin, die Deutschland je gehabt hätte. Er entließ sie auch nicht, sie ging irgendwann mit hohen Pensionsansprüchen von selbst.

Die Gefahr, dass die Ukraine den Krieg gegen Russland verliert, ist real. Die Gefahr, dass die USA das Interesse an einer NATO verlieren, deren europäische Partner nicht alles tun, um sich selbst verteidigen zu können, ist real. Die Gefahr, dass in Frankreich eine rechtspopulistische Regierung in Konfrontation zu Deutschland tritt, ist real. Und was hat Olaf Scholz getan, um diesen Szenarien vorzubeugen? Erkennbar NICHTS.

Laut dem Heeresinspekteur Alfons Mais stand die Bundeswehr zu Beginn des Ukrainekrieges „blank“ da. Zwei Jahre später steht nicht nur die Bundeswehr immer noch blank da, Deutschland steht blank da. Das Verständnis für den Abwehrkampf der Ukraine gegen Russland schwindet in Deutschland, was etwas mit der Meinungsmache der Putin-Freunde Höcke, Chrupalla, Wagenkenecht und Lafontaine zu tun hat.

Scholz kann erkennbar nicht Krise. Zu seiner Kommunikationsschwäche gesellt sich mangelnde Führungskraft. Beides wird ergänzt durch eine fatale außenpolitische Orientierungslosigkeit.

„Ohne Sicherheit ist alles nichts.“ sagte Scholz in München. Seine Analyse ist richtig. Sein Handeln nicht.


Bild: Steins, Bergmann Bundesregierung

DNEWS24Podcast Gedankenmacher – überall, wo es gute Podcasts zu hören gibt. #Gedankenmacher

Der Autor

Uwe-Matthias Müller ist Gründer und Vorstand des Bundesverband Initiative 50Plus, des Bundesverband Initiative 50Plus Austria und Sprecher des European Center of Competence for Demography.

Bis 1996 hat er mit seiner Frau und den beiden Töchtern in (West-)Berlin gelebt. Nach zwei Jahren im Ausland lebt er heute in Bayern.

Uwe-Matthias Müller kommt viel und gern nach Berlin. „Als Berliner auf Zeit geniesst man nur die Vorteile der Hauptstadt und kann die vielen Unzulänglichkeiten, unter denen die Bewohner täglich leiden, einfach ignorieren.“

DNEWS24 auf Twitter folgen