Der Kommentar am Sonntag in DNEWS24.

Gedankenmacher: Der Trittbrettfahrer

In Deutschland gärt es und der Bundespräsident spricht. Doch er sagt nichts Neues. Derweil tönt das BSW umso lauter und man reibt sich verwundert die Augen über die Alternative zur Alternative für Deutschland.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat der ARD ein Interview gegeben. Soweit, so normal. In diesem Interview fordert der (überparteiliche) Bundespräsident Regierung und Opposition zu mehr Zusammenarbeit auf. Nur so könne dem scheinbar unaufhaltsamen Aufstieg der AfD ein Stoppzeichen gesetzt werden.

Die Opposition (lateinisch „opponere“: sich entgegenstellen, dagegensetzen) sind die Fraktionen im Parlament, die sich als Minderheit gegen die Bundesregierung und die Fraktionen der Regierungsmehrheit stellen. Die politische Opposition ist ein wesentliches Element moderner Demokratien, da sie die parlamentarischen Kontrollaufgaben gegenüber der Exekutive wahrnimmt.

Deutscher Bundestag

Nach eigenen Angaben hat die Bundestags-Fraktion der CDU/CSU in dieser Legislatur-Periode mehr als der Hälfte der Gesetzesvorhaben der Ampelregierung zugestimmt.

Was also will der Bundespräsident?

In den letzten Tagen sind Hunderttausende Bürger auf die Straße gegangen und haben gegen die politische Konfrontation, gegen Rechts, gegen die AfD demonstriert. Selbst Bundeskanzler Olaf Scholz räumt in einem Interview ein, dass Gesetze der Ampelregierung handwerklich schlecht gemacht seien. Zudem sei gar nicht sicher, dass alle Regierungsvorhaben auf Dauer für Deutschland gut sei.

Wenn in der bisherigen Regierungszeit der Ampelregierung die AfD ihre Zustimmungswerte verdoppeln konnte und der Ampelregierungschef selbst sagt, die Arbeit seiner Regierung sei nicht gut, was soll dann die Opposition tun? Scholz, Habeck und Lindner loben?

Die Opposition zur Zusammenarbeit mit dieser Regierung aufzufordern ist nicht nur absurd, sie widerspricht der originären Aufgabe einer Opposition.

Eines der Ampelgesetze, dass extrem umstritten bleibt, ist die Wahlrechtsreform. Mit ihr soll die Zahl der Bundestagsabgeordneten beschränkt werden. Sicher ist aber nur, dass direktgewählte Bundestagsabgeordnete nicht mehr sicher sein können, auch tatsächlich im Plenum des Bundestages einen Platz zu finden. Stattdessen werden die Parteien gestärkt. Für Bürger wird es so noch schwerer, bestimmen zu können, wer sie im deutschen Parlament vertritt.

Der Umgang miteinander ist im Reichstags-Gebäude rüder geworden. Wer einmal die Gelegenheit hat, eine Plenar-Debatte auf einer der Besucher-Tribünen zu erleben, wird sich wundern. Geschrei und Pöbeleien sind leider völlig normal geworden. Im vergangenen Jahr griff das Parlamentspräsidium 51 Mal zu dem Mittel des Ordnungsrufes, um verbale Entgleisungen und andere Verfehlungen zu ahnden. Das war öfter als in der gesamten vorherigen Wahlperiode von 2017 bis 2021, in der nach einer Übersicht des Deutschen Bundestags 49 Ordnungsrufe erteilt worden waren.

Wer sich über den Ton der Bürger in der politischen Auseinandersetzung erregt, sollte besser erst einmal vor der eigenen Türe kehren.

Noch einmal zurück zur Opposition der CDU und CSU. Mitnichten betreibt die eine Fundamental-Opposition. Nicht nur stimmt sie den meisten Ampelgesetzen zu, sie blockiert auch in der Länderkammer, dem Bundesrat, nicht aus Prinzip Gesetzesvorhaben.

Der Bundespräsident sollte noch einmal nachdenken. Er kennt ja beide Seiten – die Regierungsarbeit und die Opposition. Vielleicht reift in ihm doch die Erkenntnis, dass die Ampelregierung eine andere Politik machen muss, um wieder mehr Akzeptanz beim Wahlvolk zu erreichen. Diese Arbeit kann Friedrich Merz Olaf Scholz nicht abnehmen.

Am Wochenende fand in Berlin ein Bundesparteitag des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) statt. Damit trat eine neue Oppositions-Partei in den parlamentarischen Ring. Das ist möglich, weil das BSW eine Abspaltung der Partei Die Linke ist. Und wie die Linke und die AfD wirbt das BSW mit eigentümlich widersprüchlichen Argumenten. So will das BSW der Ukraine keine Waffen mehr liefern – wie Donald Trump auch. Wie Trump und die AfD will das BSW die NATO schwächen. Wie die AfD will das BSW die EU zurückbauen, ohne aber einen DEXIT zu fordern. Und ganz genau wie die AfD will das BSW die Migration nach Deutschland begrenzen. Natürlich gibt es auch viele Unterschiede des BSW zur AfD, die Ablehnung der Globalisierung und der Globalisten gehört nicht dazu. Das BSW will in der Sozialpolitik Arme und Rentner stärken. Zur Finanzierung der Sozialprogramme will sie auf das Vermögen der Superreichsten in Deutschland zugreifen.

Das BSW will wieder Öl und Gas aus dem Russland des Kriegstreibers Wladimir Putin beziehen. Was eigentlich völlig absurd klingt, hat einen realen Hintergrund, nachdem der US-Präsident Joe Biden am Freitag den Ausbau der Infrastruktur für die Ausfuhr von LNG (Flüssiggas) aus den USA nach Europa und Deutschland gestoppt hat. Seine Begründung ist, dass LNG sehr umweltbelastend sei und dessen Transport Unmengen von CO2 ausstößt. Damit ist das gesamte Energiekonzept der Ampelregierung unter der Verantwortung von Robert Habeck mal eben ins Rutschen gekommen.  Ohne LNG aus den USA ist es sehr unsicher, dass in Deutschland genügend Energie zur Verfügung steht, nachdem die Kohlegewinnung in Deutschland eingestellt wird und die Atomkraftwerke abgeschaltet wurden.

Nicht die Opposition ist das Problem der Demokratie in Deutschland. Es sind die radikalen Ränder und das Politikversagen der Ampelregierung, die unsere Demokratie schwächen und bedrohen.


Bild: © Steffen Kugler, Bundesregierung und Christian Wiedinger unsplash

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Der Autor

Uwe-Matthias Müller ist Gründer und Vorstand des Bundesverband Initiative 50Plus, des Bundesverband Initiative 50Plus Austria und Sprecher des European Center of Competence for Demography.

Bis 1996 hat er mit seiner Frau und den beiden Töchtern in (West-)Berlin gelebt. Nach zwei Jahren im Ausland lebt er heute in Bayern.

Uwe-Matthias Müller kommt viel und gern nach Berlin. „Als Berliner auf Zeit geniesst man nur die Vorteile der Hauptstadt und kann die vielen Unzulänglichkeiten, unter denen die Bewohner täglich leiden, einfach ignorieren.“

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