Frei nach Charles Dickens: die Drei Geister der Wirtschaft… Von Sascha Rauschenberger

Und er passt auch in unsere Zeit. Dem „Bösen Unternehmer“ erscheinen gerade etwas zeitversetzt ebenfalls die drei Geister. Nicht gerade von der Fee gesandt, dafür aber vom Phantom der verkannten Realität. Dennoch gilt es Lehren zu ziehen. Lehren, die sich Ebenezer Scrooge durchaus zu Herzen nahm sein Leben zu ändern. Seine Handlungen zu überdenken. Seine Lebensplanung an sich zu überarbeiten. Heute würden wir sagen „den Change anzustoßen“. Selbst dann, wenn es nicht unsere Komfortzone betrifft. Denn der Manager/Unternehmer Scrooge lebte nicht wirklich in einer Komfortzone. Es war alles der Gewinnoptimierung untergeordnet. Etwas, was er auch privat und für sich „beispielgebend“ anderen sichtbar vorlebte.

Uns erscheint nun als erstes der Geist der vergangenen Wirtschaft als Gespenst der Demographie. Er erhebt sich aus den besseren Tagen, wo es viele beliebig austauschbare Arbeitskräfte gab. So viele, dass man sie frühverrenten konnten. Wo es Kinder gab. In Hülle und Fülle. Euphemistisch und verklärend „Babyboomer“ genannt. Die Spielmasse der zahlreichen Changes/Veränderungen/Umwälzungen seit nunmehr fast vierzig Jahren. Wiedervereinigung, IT-Einführung, DotCom-Blase, Globalisierung und Euroeinführung samt Krise. Alles hat diese Generation gestemmt. Mitgeholfen zu verbessern. Die Annehmlichkeiten aller bezahlt. Nur eines hat sie nicht getan, was ihr vorzuwerfen ist: für Nachwuchs zu sorgen. Werder in der geforderten Qualität und schon gar nicht in der benötigten Quantität.

Und wo in den 60er begeisterte Facharbeiter aus Südeuropa nach Deutschland kamen, um die Kriegsverluste einer aufstrebenden Wirtschaft arbeitend zu ersetzen, ist der neue Fachkräfteansturm eher enttäuschend. Zumindest wirtschaftlich. Kulturell bereichernd, aber eben nicht am Aufschwung mitarbeitend, Gewinne einfahrend und die industrielle Zukunft sichernd. Aus der Sicht von Klaus und Gabi Mustermann, den deutschen Ebenezer Scrooges, also kein Vorbild für gesundes Unternehmertum.

Dass in solchen Zusammenhängen der Invest in die Zukunft eher verhalten ausfällt ist verständlich. Dass der Staat nicht regulierend eingreifen kann – oder will – ist angesichts der Mehrausgaben im Sozialbereich logisch nachvollziehbar. Und dass dann hier staatliche Investitionen in Zukunftstechnologien eher zurückgehen ist auch klar. Woher soll denn all das Geld auch kommen?

Dass in solchen Dimensionen dann natürlich auch das Invest nicht in die zurückgehen wird, die das alles bisher finanziert haben, ist moralisch nicht verwerflich, da immer gesagt wurde, dass jeder für seine Altersvorsorge selbst zu sorgen hat. Das tat man. Und weil es so gut lief, konnte dann auch mal die Verzinsung des angesparten Kapitals etwas herabgesetzt werden. So bis auf Null. Nun auch auf Minusniveau optimiert.

Die drohende Altersarmut von fast einem Drittel der zukünftigen Rentner, immerhin 11 (elf!) Millionen, könnte die ein oder andere Branche mit Sicherheit um Kunden der „Silver Generation“ bringen, wie sie ein Megatrend einst verklärend beschrieb. Von den volkswirtschaftlichen „Cashcows“ zu „Poor Dogs“ in nur zehn Jahren. Prof. Michael Porter hätte seine gefeierte Theorie zum wirtschaftlichen Produktlebenszyklus demographisch und sozial nicht besser beleuchten können. Nur ging der Mann nicht davon aus, dass das Produkt-produzierende Unternehmen sein eigenes Produkt selbst sabotieren würde. Als Akademiker der wissenschaftlich denkt und von Logik ausgeht kommt man nicht auf solche Absurditäten politischen Handelns. Unsere Parlamente aber schon.

So droht nun der Geist der Demographie mit seinem Sargnagel für das, was wir lange Zeit als Zukunft anzusehen bereit waren. Altersvorsorge, Pflege, Gesundheit und selbst das mietfreie Wohnen im Eigenheim im Alter steht via diversen Steueränderungen und Ökovorgaben auf dem Prüfstand. Ein Sockel, der durch keinerlei volkswirtschaftliche Reserven gestützt wird.

In dieses nette Szenario platzt nun der Geist der gegenwärtigen Wirtschaft. Die Chimäre Rezession taucht in der Fratze der Medusa auf. Wer sie sieht erstarrt zu Stein, was ein Wegsehen fördert. Presse, Politik und Wirtschaftsweise tauchen schneller ab, als Medusa auch nur blinzeln kann.

Komischerweise trudelt die Wirtschaft im Land gen Süden. Die höchsten Strompreise zahlend, mit weltweit den höchsten Abgaben gesegnet und einen Bürokratiedschungel vor Augen, der selbst Labyrinthe einladend aussehen lässt, kämpft unsere Wirtschaft schon lange einen zunehmend ausweglosen Kampf. Nicht gegen die Politik, aber gegen ideologische Dogmen, die ihre selbst geschaffenen unüberschaubaren Regularien durch simple Gesetze zu verbessern gedenkt, die oft nur das Wort „Verbot“ als Lösung anführen. Bejubelt und beklatscht durch die, die bis dato selbst nicht all das finanzieren mussten, was sie als selbstverständlich ansehen.

Während MINT-Berufe – akademisch wie auch handwerklich – dringend benötigt werden geht der Zeitgeist eher dahin „Irgendwas in Medien“ zu studieren/lernen. Damit lässt sich der Geist der Rezession schönreden, aber kaum bekämpfen. Eine Wirtschaft kaum auf das vorbereiten, was da zukünftig kommen wird. Natürlich ist auch hier Selbstgenügsamkeit erste Bürgerpflicht. Fehlende staatliche Einnahmen aus Steuer und Wertschöpfung regulieren auch hier mögliche staatliche Ordnungspolitik auf das Niveau des Lippenbekenntnisses herunter. Allgemeine Beschwörungsformeln, die genuschelt und mit gesenktem Blick verkündet werden. Medusas gestrengen Blick meidend wie der Teufel das Weihwasser. Wer endet schon gern als Statur. Künstlerisch wertvoll und lebensecht bereichernd aber alt… irgendwie tot. Mit diesem recht trostlosen Wissen erscheint nun der Geist der zukünftigen Wirtschaft. Der Gesang der Sirenen ertönt und lockt mit visionärer Kraft die Lemminge zu ihrer Insel der ewigen Glückseligkeit. Ökologisch angehaucht, in klimaneutraler Lage soll das Wunder der Digitalisierung den göttlichen Funken der Wiederbelebung in die Trostlosigkeit von Demographie und Rezession senden. Mit dem Odem der göttlichen Allwissenheit dem Anspruch auf ein besseres Leben endlich Wirklichkeit werden zu lassen. Automatisierte, klimaneutrale und ressourcenschonende Produktion ein bedingungsloses Grundeinkommen ermöglichen, das dem Menschen mehr Raum und Gelegenheit zur Selbstverwirklichung lässt. New Work, Future Work und gemeinschaftliches Nichtstun eine neue wirtschaftliche Entfaltung ermöglichen. Visionäre dieser Zukunft sehen hier durchaus auch Möglichkeiten die ganze Menschheit zu beglücken. Nichts, was es nicht gibt. Shangri La, Xanadu und Elysium in einem Paradies vereint… Langfristig zumindest.

Kurz- und mittelfristig gibt es da natürlich noch die ein oder andere Hürde zu stemmen oder aus dem Weg zu räumen. Bildlich gesprochen. Aber untermalt vom Gesang der Sirenen, deren Molltonart durchaus drohende Untertöne in unternehmerische recht(arbeitend)e Ohren bläst.

Überhaupt scheint die Digitalisierung die Lösung für alles zu sein. Sie fängt organisatorisch den Wegfall von Millionen produktiver Arbeitskräfte auf, sichert einen neuen Aufschwung aus der Rezession heraus und ermöglicht dann besungen und gefeiert das Ziel menschlichen Daseins in Wohlstand und Glückseligkeit. Gern dann auch klima- und genderkonform, bereichernd, inspirierend und wertschätzend. Klar…

Und bis dahin zerschellen die Konzernschiffe und Unternehmerboote der Wirtschaft an den Gestaden dessen, wohin politisch-ideologische Wellen solche Nussschalen zu spülen gedenken. Vom Steuerwurm durchlöchert, dem aufkommenden Sturm leckend entgegenkriechend und mit alternden Kapitänen am Steuer, die gern ppt-Folien anstatt Seekarten lesen. Ein Blick aus dem Fenster oder über die Reling könnte helfen, aber da lauert Medusas Blick. Und das muss man im Alter nun wirklich nicht auch noch haben. Ohnehin schon rheumatische Gelenke zu Stein werden zu lassen.

Ebenezer Scrooge kratzte den Schnee von seinem Grabstein. Sah wie man sein Erbe verhökerte. Seine Leistung verspottete während all das, was er nur gering geachtet hatte aber durch seine Zuwendung durchaus hätte verbessern können, mit ihm unterging. Familie, seine Liebe und dann auch sein Wohlstand an sich, den er als Maß aller Dinge sah.

Uns stehen nun die alte Sense der Demographie, die gegenwärtigen Schrecken der Medusa als Rezession und die lockenden Gesänge der digitalen Sirenen für unsere Zukunft gegenüber.

Die Demographie als Sünde der Vergangenheit können wir nicht lösen. Auch nicht mit ungefilterten Fachkräftezuströmen. Das wäre eine gefährliche Illusion. Die Rezession kommt. Mitunter auch selbst verschuldet und durch aktives Zutun (bewusste und gewollte Schwächung unserer Kernindustrie!) verstärkt.

Die Digitalisierung können wir noch gestalten. Mit Investitionen in die Zukunft. Aber nicht als digitales Paradies, sondern als Möglichkeit zunächst erst mal das Wesentliche zu schaffen; der Demographiefalle und der Rezession/Krise zu entkommen. Sie zumindest sozialverträglich und dann auch friedlich zu überstehen.

Was so leicht klingt, ist es aber nicht. Wo Ebenezer Scrooge Weihnachten urplötzlich anders anging und sein selbstbestimmtes Leben ändern konnte, gibt es hier mehr als eine handelnde Gestalt. Mit einer Gesellschaft ist das nicht möglich. Schon gar nicht über das Werkzeug staatlicher Ver- und Gebote. Das hat noch nie funktioniert. Und dass das alles nur ressourcenschonend möglich ist, basierend auf dem was da ist, sollte bei der Staatsverschuldung auch klar sein. Keiner kann auf Dauer auf Pump leben. Diese Einsicht reift inzwischen überall. Fast überall. Zumindest…

Dennoch darf nicht vergessen werden, dass die Lösung für uns alle an der Lösung für das hängen wird, wie wir es schaffen die Altersarmut von Millionen abzuwenden. Das Szenario, das sich sozial, wirtschaftlich und politisch daraus ergibt ist… unschön (HIER). Gelinde gesagt.

Die Sünden der Vergangenheit holen uns in der heraufziehenden Krise ein und verstärken sich durch zukünftige und notwendige Entwicklungen noch. Die Digitalisierung ist kein Heilsbringer und die Demographie ist durchaus eine treibende Kraft für eben diese Digitalisierung. Beides kann die Rezession/Krise abmildern aber auch verstärken. Ganzheitliches Denken ist gefragt. Allein zielführend.

Das schließt einfache Konzepte aus. Oder gar fehlende Ideen. Und das ist wahrlich alternativlos, wenn wir das schaffen wollen!

Der Autor Sascha Rauschenberger

Sascha Rauschenberger, geboren 1966 in Wattenscheid, ging nach dem Abitur zur Bundeswehr, wo er als Panzeraufklärer und Nachrichtenoffizier Dienst tat. Er diente, unter anderem als Reservist, in vier Auslandseinsätzen, zuletzt als Militärberater in Afghanistan.

Seit 2000 ist er als Unternehmensberater im Bereich Projektmanagement und Arbeitsorganisation (Future Work) tätig.


Fotoquelle: Yusuf Simsek: „Mein Schaaatz…“ http://simsek.ch/