Neulich in Berlin: Ein Tag zum Feiern! – Ein Kommentar von Uwe-Matthias Müller

Die Mauer muss weg. Der Tag der Einheit ist ein Grund, fröhlich zu feiern. Miesepeterei bringt uns nicht weiter.

Heute machen die Deutschen das, was sie sehr gut können. Das politische Establishment gedenkt in langweiligen und schon oft so oder ähnlich gehörten Ansprachen  der Ereignisse vor 29 Jahren. Viele – vor allem Westdeutsche – werden einen Ausflug machen oder bei Netflix bingen. Und viele Ostdeutsche werden meckern und den guten alten Zeiten hinterherträumen.

Weder das eine noch das andere ist dem Ereignis des 2./3.Oktober 1990 angemessen. Nach 11 Monaten einer friedlichen Revolution hatten die Bürger der DDR geschafft, was die übergroße Mehrheit wollte: die DDR wurde abgewickelt, die neuen Bundesländer Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen (sowie Ost-Berlin) traten der Bundesrepublik Deutschland bei. Die 17 Millionen Ostdeutschen wollten den westlichen Wohlstand, die westliche Freiheits-Form der Demokratie. Nebenbei brach der gesamte Ostblock zusammen, die UdSSR löste sich auf.

Soll heute keiner sagen, es ginge ihm, der im Osten Deutschlands wohnte und wohnt, heute schlechter als vor 29 Jahren. Wenn, dann war er vor 1990 Offizier der Stasi, Offizier der Grenztruppen, Funktionär der Einheits-Partei oder hohes Mitglied der Regierung. Denen ging es auch damals materiell gut. Ihre Freiheit haben sie wohl eher nicht vermisst, denn sie waren doch sehr damit beschäftigt, die Freiheit der vielen anderen DDR-Bürger zu unterdrücken.

Neulich hörte ich, wie schön, praktisch und billig die Kindergärten in der DDR waren. Lassen wir mal dahingestellt, ob das so war, was die Kinder dort lernten (Stichwort Wehrkunde). Denken wir einfach an die mehreren Tausend Kinder, die ihren Eltern weggenommen wurden, weil sie nicht linien- und staatstreu waren. Staatliches Kidnapping – einem solchen Staat soll man nachtrauern? Arme Geister, die das tun…

All das liegt hinter uns – und das ist sehr gut so. Heute ist ein Grund zu feiern und daran zu denken, was wir als Bürger alles erreichen können, wenn wir es nur wollen. Das macht Mut für die Herausforderungen, die vor uns liegen.

Uns trennt heute nicht mehr eine Mauer aus Beton, Stahl, Selbstschussanlagen und Mienen. Eine Mauer in den Köpfen zwischen den Menschen verschiedener Werte, unterschiedlicher Herkunft, Bildung, Einkommen und Ziele trennt unsere Gesellschaft. Der Gemeinsinn bröckelt. Die Sprache miteinander und übereinander ist rauer, ja aggressiver geworden.

Hier gilt es für jeden Einzelnen, für die gesellschaftlich relevanten Gruppen und für die Politik, anzusetzen und eine Änderung hin zum Besseren anzuschieben. Wenn dazu heute etwas getan wird, dann ist der 3. Oktober 2019 tatsächlich ein Grund zum Feiern.

Der Autor Uwe-Matthias Müller

Uwe-Matthias Müller ist Gründer und Vorstand des Bundesverband Initiative 50Plus. Bis 1996 hat er mit seiner Frau und den beiden Töchtern in (West-)Berlin gelebt. Nach zwei Jahren im Ausland lebt er heute in Bayern.

Uwe-Matthias Müller kommt viel und gern nach Berlin. „Als Berliner auf Zeit geniesst man nur die Vorteile der Hauptstadt und kann die vielen Unzulänglichkeiten, unter denen die Bewohner täglich leiden, einfach ignorieren.“

Mit „Neulich in Berlin…“ erzählt „UMM“ Erlebnisse und Eindrücke aus der Stadt, die sich selbst als arm aber sexy beschreibt und der Gesellschaft, die dem demografischen Wandel unterliegt.