Fachkräftezuwanderung kann nicht per Gesetz verordnet werden

Die Bundesregierung will mit einem neuen Einwanderungsgesetz mehr Fachkräfte aus Drittstaaten nach Deutschland holen. Ob das gelingt, hängt vor allem von begleitenden Maßnahmen ab. Eine Analyse des Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung.

Grafik: Zuzüge von Drittstaatsangehörigen nach Aufenthaltszwecken, 2018, in Prozent und Erwerbsmigration aus Drittstaaten nach Aufenthaltstiteln, 2018.

Am 01. März trat das neue Einwanderungsgesetz in Kraft, das die große Koalition im Sommer 2019 nach jahrelangem Hin und Her als Teil des sogenannten Migrationspakets verabschiedet hat. Das Gesetz bestimmt in erster Linie den Zuzug von Fachkräften aus Drittstaaten außerhalb der EU.

Die Bundesregierung setzt mit dem neuen Gesetz einige Maßnahmen um, die das Berlin-Institut bereits vor vier Jahren in der Studie „Internationale Arbeitskräfte einstellen“ vorgeschlagen hat: Beispielsweise dürfen künftig nicht nur Akademiker, sondern alle Personen mit einem anerkannten Berufsabschluss, die einen Arbeitsvertrag vorlegen können, zum Arbeiten nach Deutschland kommen. Auch die Gruppe derjenigen, die ohne einen Arbeitsvertrag nach Deutschland kommen können, um hier für sechs Monate nach einer Stelle zu suchen, wird ausgeweitet. Neben Akademikern betrifft dies nun auch Personen mit anerkannter Berufsausbildung und junge Schulabsolventen auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz.

Das neue Gesetz ist unzweifelhaft ein Schritt in die richtige Richtung. Ob es die gewünschte Wirkung entfaltet – den Zuzug von Fachkräften aus Drittstaaten deutlich zu steigern – wird maßgeblich von der Umsetzung begleitender Maßnahmen abhängen, von denen die Bundesregierung einige in ihrer Fachkräftestrategie angekündigt hat. „Wer Fachkräfte aus Drittstaaten davon überzeugen will, zum Arbeiten nach Deutschland zu kommen, muss ihre Zugangswege im Ausland konsequent bewerben und transparent machen. Unternehmen müssen bei der Rekrutierung im Ausland unterstützt werden“, so Catherina Hinz, Direktorin des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung.

Die bürokratischen Verfahren müssen unkompliziert und zügig gestaltet werden. Es ist äußerst kontraproduktiv, wenn potentielle Fachkräfte teilweise erst nach Monaten einen Termin in der deutschen Botschaft bekommen um ein Visum zu beantragen und im Anschluss noch einmal lange Zeit auf die Anerkennung ihrer Qualifikation warten müssen. Die Ankündigung, Fachkräfte schon im Ausland im Anerkennungsverfahren zu unterstützen, muss konsequent umgesetzt werden. Und da in der Regel bereits vor Einreise gute Deutschkenntnisse vorausgesetzt werden, muss auch im Ausland die notwendige Kapazität an deutschen Sprachkursen gegeben sein.

An manchen Stellen wäre mehr Mut bei der Formulierung des Gesetzes wünschenswert gewesen – etwa angesichts einer Ausdehnung der Aufenthaltserlaubnis zur Jobsuche von sechs auf zwölf Monate. Ein halbes Jahr ist nicht viel Zeit, um in einem neuen Land einen neuen Job zu finden. Auch wäre eine flexiblere Handhabung der Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse wünschenswert gewesen. Personen, die zur Arbeitssuche nach Deutschland kommen wollen, müssen zudem bereits vor der Einreise gute deutsche Sprachkenntnisse nachweisen. Die Hürden für interessierte Fachkräfte aus Drittstaaten liegen damit hoch.

Deutschland ist auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen. Die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer gehen allmählich in Rente und die Gesellschaft altert. Das belastet die Sozialsysteme und führt zu einem Mangel an Fachkräften. Obwohl so viele Menschen arbeiten wie noch nie, waren Ende 2019 über 1,4 Millionen Stellen in Deutschland unbesetzt. Gerade im Bereich Pflege und Gesundheit, aber auch im MINT-Bereich und im Handwerk fehlt schon heute oft der Nachwuchs.

Bisher wandern viel zu wenig Arbeitswillige zu

Von den insgesamt 526.329 Personen, die 2018 von außerhalb der EU nach Deutschland einwanderten, kam nur etwas mehr als jede zehnte primär um zu arbeiten. Das neue Fachkräftezuwanderungsgesetz soll diesen Anteil erhöhen. Von den insgesamt 60.857 Erwerbszuwanderern waren 38.682 Fachkräfte – nicht annähernd genug, um den zunehmenden Bedarf der deutschen Wirtschaft zu decken. Die verschiedenen Zugangswege wurden nur vergleichweise selten in Anspruch genommen. So wurde beispielsweise nur 581 Personen mit Hochschulabschluss eine sechsmonatige Aufenthaltserlaubnis erteilt, um sich in Deutschland einen Job zu suchen. Die Zahlen werden sich nicht automatisch erhöhen, wenn einzig die Personengruppen erweitert werden, die Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt erhalten. Es wird darauf ankommen, die neuen Möglichkeiten unter Fachkräften im Ausland bekannt zu machen und die Verfahren zu vereinfachen (Datengrundlage: BAMF 2019).