Die neue WIR-Kultur

Den neuen WIR-Egoismus wähend der Coronavirus-Pandemie beschreibt Kolumnistin und Topagemodel Renate Zott.


Die Corona-Krise hat sie auf den Plan gerufen, die Trendforscher. Einige haben Szenarien gemalt, die an das bunte Bild einer Wildblümchenwiese erinnern. Mit Bienchen die summen und Schmetterlingen, die wie im letzten Jahrhundert fröhlich von einer Blüte zur anderen fliegen. Vogelgezwitscher. Nachhaltig und ökologisch will man werden; so schnell als möglich CO2 neutral. Nur mal so: Während in Europa das Programm >Save our World< läuft, ist in Brasilien schon heute so viel Regenwald abgebrannt worden, wie im kompletten vergangenen Jahr. Darüber hinaus wollen wir den Umgang miteinander neu und achtsam nach der Krise gestalten. Sozial verträglicher, ökologisch vorteilhafter; sogar geschlechtergerecht. So schön soll die Welt von Morgen sein. Zu schön, um wahr zu werden? Ich mag ja solche Bilder. Und ich mag auch, wenn hinter dem oberflächlichen Nettigkeitsgeplänkel nachhaltiges Interesse am anderen steckt. Möglicherweise sogar sowas wie mitfühlen und teilhaben. Dem anderen so ganz von Herzen Gutes wünschen ohne etwas zu wollen. Im Gegenteil: womöglich selbstlos „geben“. Ich komme aus einer Zeit, wo das völlig normal war. Man hat wie selbstverständlich seine Kontakte eingebracht, egal, ob es um die Vermittlung eines Praktikumsplatzes, einer Lehrstelle oder um ein anderes Anliegen ging. Bei mir - bei uns ist das bis heute so. Schließlich bereitet es ja Freude, einem anderen Menschen zum Glück zu verhelfen. Ganz unabhängig vom eigenen Glück. Regelmäßig demonstriert bekomme ich eine andere Variante vom Miteinander. Diese zum Beispiel: Eine gute Bekannte ruft mich an und fragt, ob ich ihr einen Kontakt zu einem Verlag geben könnte, wo eine junge Abiturientin gerne ein Praktikum absolvieren würde. Natürlich rief ich spontan eine alte Freundin an, jahrelang PR-Verantwortliche in diversen Verlagen. Sie schreibt mir per whatsapp: „Oh, tut mir leid, liebe Renate. Am besten ist, sie ruft überall an – von ihrem Wunsch-Verlag nach unten – viel Glück.“ Eine andere Verlagsdame schickt mir den Link zur Karriereseite der Verlagshomepage und wünscht ebenfalls viel Glück. Es ist diese furchtbar nette Art zu sagen: das geht mich nichts an. Es sind diese Antworten, die keine sind, weil sie nichts neben dem sagen, was ohnehin jeder weiß. Auch ich. Floskeln eben (Anmerkung: da passt die lat. Herkunft flosculus ‚Blümchen‘ perfekt). Früher hätte man das als Frechheit bezeichnet und genau das ist es auch. Einfach jämmerlich. Diese Form der Ignoranz in Schönschrift gab es schon vor Corona und auch in Zukunft wird sich sicher nichts daran ändern. Im Vordergrund steht doch bei allem die Frage: Was geht mich das an und was habe ich davon? #zusammen oder #gemeinsamausderkrise sind nette Hashtags, die viel mit Selbstmarketing zu tun haben und eben auch keine neue Denke machen. Die anfängliche Suche nach Gemeinschaft in der Krise, die Bewegung des Helfens, war wohl doch eher kurzlaunig. Dass die technologische Vernetzung eine neue Dimension der WIR-Konstellationen erfordern wird, scheint ein Teil des obligatorischen Vergemeinschaftungs-Trends, ob sie auch die Sehnsucht der Menschen nach mehr Menschlichkeit und Teilhabe an Gesellschaft wird stillen können, gehört zu den Zukunftsfragen. Die Wahrheit ist doch, dass wir im Moment in einer Zeit leben, wo die Unternehmen, die für Mitarbeiter „Familie“ waren, aussterben. Sogenannte gute Vitas zeichnen sich heute nicht mehr dadurch aus, dass sogar generationenübergreifend 1 Arbeitgeber drinsteht, sondern wesentlich vielversprechender sind jene mit 5-7 Jahren in einem Beruf. Wer gut performed entwickelt sich weiter, sucht spätestens dann nach einer neuen Challenge zu besseren Konditionen. Die zukünftige Challenge, die gar nicht so visionär ist, wie sie sich anfühlen mag, ist, Manpower in neuen Kooperationsformen und Unternehmenskonstrukten zu „sharen“, zu tauschen oder sonst wie Human Resources profit-orientiert zu nutzen. Für die einen mögen das innovative neue Karrierekonzepte sein und gleichzeitig riecht es in meiner Nase irgendwie nach Einsatzbeschaffung >Just in time<. Der Mensch als Ware, als Nummer, die man dahin schiebt, wo Leistung gerade „on demand“ ist. Die Wahrheit ist auch, dass die Unternehmen in Zukunft werden sparen müssen und zwar drastisch. Viele Kosten sind gerade auf dem Prüfstand und Arbeitsplatzabbau bei vielen großen Unternehmen geplant. Da verstehe ich auch, wenn man dann die behält, die eine 1a Beurteilung in ihrer Personalakte haben. Wie viele dann Ende 2020 auf der Straße stehen, ist noch nicht raus. Experten-Schätzungen zufolge irgendwas zwischen 2,7 und 5 Millionen. Verdammt viel. Ob die Prognosen tatsächlich Anlass geben, dass diese Aussichten den Rückschluss auf mehr Wir-Potential (Menschlichkeit) im Business zulassen, halte ich für gewagt. Meine Lebens-Erfahrung sagt mir: wenn’s eng wird, denkt doch jeder zuerst an sich. 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