Die dubiosen Schiffsverkäufe der Conti Reederei

Der graue Kapitalmarkt birgt Risiken und Chancen für Investoren. Bahnt sich ein neues Debakel an? Eine Analyse von Dr. Tamara Knöpfel.

Die Conti Reederei legte über Jahrzehnte Schiffsfonds auf. Die Ergebnisse für die Anleger waren größtenteils zufriedenstellend. Dann kam allerdings die Wirtschaftskrise im Jahr 2008 und in deren Anschluss die wohl größte Schifffahrtskrise aller Zeiten. Hervorgerufen wurden die Probleme im Seetransporthandel durch den Einbruch der Transportnachfrage als Folge der Wirtschaftskrise einerseits und andererseits durch ein Überangebot an Transportschiffen. Diese Schiffe waren in Vorkrisenzeiten in Auftrag gegeben worden und drängten nun ab Anfang 2010 – nach einer Bauzeit von ca. drei Jahren – verstärkt auf den Markt. Befeuert wurde dieses enorme Flottenwachstum durch die finanzierenden Banken, wie die Commerzbank, aber insbesondere auch die HSH Nordbank, welche beabsichtigte, die größte Bank für Schiffsfinanzierungen in Deutschland zu werden.

Auch die Conti Reederei bestellte in den Jahren 2006 und 2008 insgesamt 14 Massengutfrachter (Bulker), die dann zwischen 2009 und 2012 zur Auslieferung kamen. Zu diesem Zeitpunkt war der Markt für Bulker schlecht. Die jeweiligen Fondsprospekte enthalten dennoch keinen Hinweis auf die, sich seit Ende 2009 abzeichnende und seit Anfang 2010 bestehende, Überkapazität auf dem Bulker-Markt. Aus diesem Grund führt Rechtsanwältin Dr. Tamara Knöpfel, Berlin, vor dem Oberlandesgericht München und dem Hanseatischen Oberlandesgericht insgesamt zu zwölf von Conti in den Jahren zwischen 2009 und 2012 aufgelegten Bulker-Schiffsfonds Kapitalanlegermusterverfahren (KapMuG) zur Feststellung von Prospektfehlern.

Diese Überkapazitäten auf Angebotsseite führten auch zu einem Einbruch der Kaufpreise bei den Schiffen und damit zu einem Wertverlust der Schiffe. Die Conti führte wegen einer anhaltenden Wertminderung der Schiffe teilweise bereits ab 2013 in den Bilanzen der Fondsgesellschaften Sonderabschreibungen nach § 253 Abs. 2 HGB durch. Dies hatte zur Folge, dass der Schiffswert in der Bilanz sank und damit für die Darlehen keine ausreichenden Sicherheiten mehr vorhanden waren. Da diese Probleme in einer Vielzahl von Schiffsfinanzierungen – auch bei anderen Emissionshäusern – auftraten, kam es aus Sicht der Banken zu den so genannten notleidenden (oder faulen) Schiffskrediten. Auch die im Jahr 2008, infolge der Wirtschaftskrise, eingebrochenen Charterraten erholten sich, wegen dem Überangebot an Schiffen, nicht und sanken noch weiter. Dies wiederum hatte zu Folge, dass die Einnahmen der Schiffsfondsgesellschaften so stark zurückgingen, dass die Zins- und Tilgungsleistungen für die Darlehen nicht mehr erbracht werden konnten, schwierig wurde das insbesondere dann, wenn die Bank wegen des gesunkenen Werts des Schiffes von ihrem Nachbesicherungsverlangen Gebrauch machte und eine Sondertilgung auf das Darlehen haben wollte. Diese Umstände führten dann dazu, dass sich die Banken aus den Schiffsfinanzierungen zurückzogen. Die Commerzbank verkündete 2014, ihre Schiffsfinanzierungsportfolien größtenteils auflösen zu wollen.

Im Zuge der Auflösungen dieser Schiffsportfolien wurden dann von den Schiffsondsgesellschaften, so auch bei der Conti, die Schiffe, frei oder in der Insolvenz der Fondsgesellschaft, verkauft. Leidtragende dieser Verkäufe sind die Anleger, welche ihr gesamtes angelegtes Kapital verloren. Die Schiffe wurden zu Preisen verkauft, die unterhalb der noch bestehenden Darlehensbelastungen lagen, die Anleger erhielten von ihrem eingezahlten Geld – abgesehen von minimalen Ausschüttung in den Anfangsjahren – nichts zurück.

Nach Meinung von Rechtsanwältin Dr. Knöpfel liegt der Verdacht nahe, dass die Schiffe der Conti-Bulker-Fonds, jedenfalls teilweise, von Gesellschaften gekauft wurden, die mit den Gründungsgesellschaftern der Conti bzw. der Initiatorengruppe der Fondsgesellschaften personell und/oder wirtschaftlich verflochten sind. Diese Annahme begründet sich aufgrund folgender Umstände:

Mit Übernahmevertrag vom März 2017 übernahm der Reeder, Claus Peter Offen (CPO Holding), die Conti Holding und die mit dieser verbundenen Unternehmensstruktur, also auch die Anteile an der Bremer Bereederungsgesellschaft. Erklärtes Ziel von Offen war es, Deutschlands größter Reeder zu werden. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch bereits klar, dass sich die einzelnen Schiffsfondsgesellschaften in welchen die Schiffe eingebunden waren, in wirtschaftlicher Schieflage befanden. Bereits ab Juni 2016 hatte die Conti für drei Schiffsfondsgesellschaften Insolvenz angemeldet. Ende 2016 änderte die Conti Geschäftsführung in den einzelnen Fondsgesellschaften dann ihr Vorgehen. Sie holte von den jeweiligen Anlegern Verkaufsbeschlüsse ein, erst wenn diese scheiterten, beantragte sie für die jeweilige Fondsgesellschaft die Eröffnung des Insolvenzverfahrens.

Auch bei den Schiffsfonds Conti Selenit, Conti Saphir und Conti Amethyst wurden von der Geschäftsführung der Conti Verkaufsbeschlüsse von den Gesellschaftern – vor der Veräußerung der Schiffe – eingeholt, in diesen Fällen mit Erfolg, die Schiffe wurden verkauft. Den Anlegern wurde im Vorfeld jedoch nicht mitgeteilt, wer der Käufer sein sollte.

Im Falle der Conti Amethyst war dies die Nautical Bulk Shipping 12 Ltd., Bermudas. Die Conti Amethyst war im Juli 2011 von der Werft ausgeliefert worden, ihr Baupreis betrug 39,9 Mio. USD, gekauft hat die Nautical Bulk Shipping 12 Ltd. Bermudas das Schiff am 18.01.2017 zu einem Preis von 9,23 Mio. USD. Die Commerzbank hat infolge des Verkaufs auf einen Darlehensrest von 3,05 Mio. USD verzichtet. Die Anleger, welche mit ihrer Anlagesumme den ursprünglichen Kaufpreis mitfinanzierten, haben ihre gesamte Einlage verloren.

Die Käuferin des Schiffes, die Nautical Bulk Shipping 12 Limited Bermudas ist mit der Geschäftsführerin der Fondgesellschaft, der Conti 176. Schifffahrts-GmbH sowie den Gründungsgesellschaftern der Fondsgesellschaft, insbesondere der Conti Reederei Management GmbH & Co. Konzeptions-KG und der Bremer Bereederungsgesellschaft mbH & Co. KG personell und wirtschaftlich verflochten.

Eingetragene Direktoren der Nautical Bulk Shipping sind unter anderem Herr Josef Obermeier und Herr Harold L. Malone von der WL Ross & Co. LLC.

Herr Josef Obermeier war Geschäftsführer der Conti Reederei Management GmbH & Co. Konzeptions-KG. Die WL Ross & Co. LLC hat gemeinsam mit der Bremer Bereederungsgesellschaft mbH & Co. KG im Jahr 2013 die Nautical Bulk Holding gegründet.

Im Fall der baugleichen Schiffe Conti Saphir und Conti Selenit, die im April und Mai 2009 von der Werft abgeliefert wurden und ursprünglich jeweils 38,12 Mio. USD gekostet haben, erfolgte der Verkauf im Februar 2017 an die Tonga Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG (Conti Saphir) zu einem Preis von 15,6 Mio. USD bzw. an die Tuvalu Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG (Conti Selenit) zu einem Preis von 15,5 USD.

Die Tuvalu Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG und die Tonga Schifffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG wurden beide erst im Januar 2017, also gerade einmal einen Monat vor Abschluss des Kaufvertrages, gegründet. In beiden Fällen ist der Geschäftsführer der persönlich haftenden Gesellschafterin der jeweiligen Käufergesellschaft, Thomas Bister-Füsser, auch von der Conti Geschäftsführung in einzelnen Conti-Fonds zum Geschäftsführer bestellt worden und zwar immer dann, wenn ein Verkaufsbeschluss für die Veräußerung des Schiffes scheitere. Denn Herr Thomas Bister-Füsser ist für eine „Sanierungsgesellschaft“ tätig, welche sich darauf spezialisiert hat, „Sanierungen“ oder in diesem Fall die Abwicklung von Schiffsgesellschaften durchzuführen. In diesem Fall waren also durch diese „Sanierungsgesellschaft“ zwei Gesellschaften gegründet worden, die als so genannte „Stohmanngesellschaften“ die beiden Schiffe ankauften. Dies legt jedenfalls das weitere Schicksal der beiden Schiffe nahe.

Die Tuvalu und die Tonga veräußerten nämlich – gerade einmal ein bzw. eineinhalb Jahre – nach dem Kauf der Schiffe diese dann am 29.03.2018 und 20.12.2018 an zwei Offshorgesellschaften auf den Marshall Islands weiter, nämlich an die FPS Cabrillo LLC und die Felix Bulk Carrier SA zu einem Preis von 11,875 Mio. USD und 14,3 Mio. USD. Auch diese beiden Offshoregesellschaften wurden wiederum nur wenige Tage vor Abschluss des jeweiligen Kaufvertrages gegründet. Ein operatives Geschäft betreiben beide Gesellschaften nicht, sie werden von ausländischen Anteilseignern geleitet, die namentlich nicht in Erscheinung treten und trotz intensiver Recherche nicht bekannt sind.

Der Verkauf an Offshoregesellschaften spielt auch bei den Verkäufen in der Insolvenz eine große Rolle. Rechtsanwältin Dr. Knöpfel ist der Meinung, dass die gezielte Auswechslung der Geschäftsführer der einzelnen Fondsgesellschaften durch die Conti kurz vor der Insolvenz deshalb erfolgte, um auf die Insolvenzverwalter Einfluss nehmen zu können. Auffällig ist, dass auch bei den Verkäufen im Rahmen der Insolvenzen die Käufergesellschaften nahezu ausschließlich in den sogenannten Offshoredestinations ihren Sitz haben, sich die Anteilseigner nicht ermitteln lassen, die Gesellschaften kurz vor dem Kauf gegründet wurden und ansonsten auch augenscheinlich kein operatives Geschäft betreiben, also schlicht nicht in Erscheinung treten. Hinzu kommt, dass die Conti Unternehmensgruppe und deren (frühere) Geschäftsführer, Josef Sedlmeyr und Michael Huber, nach Recherchen in der Datenbank „offshore leaks“ über ein riesiges Geflecht von Offshorefirmen verfügt.

Selbstverständlich könnte dies alles eine Anhäufung von Zufällen sein, dass sich keine der großen Reedereien im In- und Ausland für die Schiffe interessiert, sondern ausschließlich kürzlich gegründete Gesellschaften oder Offshoregesellschaften ohne operatives Geschäft, deren Anteilseigner sich nicht ermitteln lassen, diese Schiffe dringend aufkaufen wollen. Naheliegender ist – nach Meinung von Rechtsanwältin Dr. Knöpfel – jedoch, dass die Schiffe gezielt durch die Verkäufe in oder außerhalb der Insolvenz „entschuldet“ wurden und an Offshoregesellschaften in den Händen der Conti bzw. nunmehr der CPO Holding Unternehmensgruppe verkauft wurden. Es wäre nach Ansicht von Rechtsanwältin Dr. Knöpfel auch nicht einleuchtend, dass die Reederei Offen die Conti aufkauft um ihre Flotte zu vergrößern, obwohl absehbar ist, dass die einzelnen Fonds in welchen sich die Schiffe befinden, in so einem desolaten Zustand sind, dass die Schiffe an andere Reedereien verkauft werden müssen. Dann stellt sich natürlich die Frage, warum Offen die Schiffe nicht direkt gekauft hat, sondern den Umweg über den Erwerb der Conti selbst genommen hat. Denkbar wäre – nach Ansicht von Rechtsanwältin Dr. Knöpfel – dass dieser Weg entweder wirtschaftlich günstiger war oder die Banken bei einem Direkterwerb keinen Darlehensverzicht gegeben hätten, eine klare Antwort lässt sich herauf aber möglicherweise nie geben. Spekulieren lässt sich auch nur über das Wissen der Banken bei der Gewährung der Darlehensverzichte. Möglicherweise waren die Banken nur darauf bedacht, die Schiffskredite in ihren Bilanzen abzubauen und haben sich um die Frage wer hinter den Käufern steht, nicht gekümmert. Vielleicht herrschte auch die Auffassung vor, dass ohnehin nur die Anleger der Fonds ihre Beteiligungssumme verloren haben und diese haben – nach Einschätzung von Rechtsanwältin Dr. Knöpfel – bekanntermaßen nur eine recht kleine Lobby.

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