Demografie und Politik in DNEWS24

Demografie in Deutschland: jetzt altert zusammen, was zusammengehört

33 Jahre nach der deutschen Einheit zeigt sich, dass zumindest demografisch Deutschland in gleichen Verhältnissen lebt.

Die Deutsche Vereinigung am 3. Oktober 1990 löste vor allem in Ost­deutschland auch starke demografische Veränderungen aus. Rück­läufige Geburtenzahlen, die Abwanderung überwiegend junger und gut ausgebildeter Menschen in die westlichen Bundes­länder, sowie eine steigende Lebens­erwartung beschleunigten die demografische Alterung der Bevölkerung in den neuen Bundesländern. In West­deutschland haben dagegen die Zuzüge aus den neuen Bundes­ländern sowie die stärkere Zu­wanderung aus dem Ausland die Alterung der Bevölkerung verlangsamt.

Trotz deutlicher Annäherung sind auch nach mehr als 30 Jahren deutscher Vereinigung typische demografische west­deutsche beziehungsweise ostdeutsche Entwicklungs­muster erkennbar.

Die Steigende Bevölkerungszahl im Westen und der Bevölkerungsrückgang im Osten Deutschlands

Zum Zeitpunkt der deutschen Einheit im Jahr 1990 lebten in West­deutschland (hier: früheres Bundesgebiet ohne Berlin-West) rund 62 Millionen Menschen. Es waren viermal so viele wie in den ost­deutschen Bundesländern (ohne Berlin) mit ihren damals circa 15 Millionen Ein­wohnenden. Während die Bevölkerung im Westen Deutschlands zwischen 1990 und 2022 um 10 % auf 68 Millionen gewachsen ist, nahm sie im gleichen Zeitraum im Osten um 15 % auf 12,6 Millionen ab. Damit lebten 2022 in West­deutschland mehr als fünfmal so viele Menschen wie in den ost­deutschen Bundesländern. Diese unterschiedlichen Entwicklungen resultieren aus Veränderungen der Bevölkerung durch Wanderungs­bewegungen, Geburten und Sterbefälle.

Nach Westdeutschland wandern mehr Menschen aus dem Ausland zu als nach Ostdeutschland
Die Bundes­republik ist zwischen 1991 und 2022 durch den positiven Wanderungs­saldo, also die Differenz zwischen Zuzügen nach und Fortzügen aus Deutschland, um etwa 10,7 Millionen Menschen gewachsen. Lässt man Berlin außer Acht, betrug die Netto-zuwanderung aus dem Ausland in diesem Zeit­raum im Osten rund 1,2 Millionen Personen. Im Westen war der Wanderungs­gewinn mit knapp 8,9 Millionen Personen etwa siebenmal so groß.

Auch im Jahr 2022 war die Nettozuwanderung im Westen mit 1 145 000 Personen höher als im Osten mit 221 000 Personen. Der Westen hatte mit 2 163 000 Zuzügen stärker von der Außenwanderung profitiert . Im Osten lagen die Zuzüge bei 337 000 Personen.

Die Wende: die anfangs starke Abwanderung von Ost nach West kehrte sich 2017 um

Im Zeit­raum von 1991 bis 2022 wanderten rund 1,2 Millionen Menschen mehr von Ost nach West als umgekehrt. Etwa die Hälfte dieser starken Ab­wanderung geht auf die ersten zehn Jahren seit der Wieder­vereinigung zurück: Bis zum Jahr 2000 verließen im Saldo etwa 611 000 Personen den Osten in Richtung West­deutschland. In den folgenden zehn Jahren bis 2010 wanderten im Saldo noch rund 553 000 Menschen von Ost nach West. In den 2010er Jahren verlangsamte sich diese Entwicklung deutlich mit einem Abwanderungs­saldo von Ost gegenüber West von insgesamt rund 52 000 Personen zwischen 2011 und 2022. Seit 2017 wandern erstmals in der Geschichte der Bundes­republik jährlich etwas mehr Menschen von den west­deutschen Bundes­ländern in den Osten als von Ost nach West.

Der Abwanderungs­verlust für den Osten ist insbesondere auf die Abwanderung von Personen im jüngeren und mittleren Lebens­alter zurück­zuführen: Im Saldo verlor der Osten seit der Wieder­vereinigung insgesamt mehr als 731 000 Person in der Alters­gruppe bis 25 Jahre an den Westen, zwischen 25 bis 65 Jahren rund 491 000 Personen. Wanderungen von Seniorinnen und Senioren machen nur einen geringen Anteil an den Ost-West-Wanderungen aus (rund 6 000 Personen).

Im Westen und im Osten ist die Zahl der Sterbefälle höher als die Zahl der Geborenen

In beiden Teilen Deutschlands starben zwischen 1990 und 2022 jeweils gut 2 Millionen mehr Menschen als – Kinder geboren wurden. Dies entsprach einem durch­schnittlichen jährlichen Bevölkerungs­rückgang von 1 Menschen pro 1 000 Personen in West­deutschland und von 4 Menschen pro 1 000 Personen in Ost­deutschland. In Deutschland insgesamt betrug das kumulierte Geburten­defizit 4,6 Millionen Personen.

Die bevölkerungsrelevanten Veränderungen sind in dieser Grafik nicht vollständig abgebildet, da insbesondere die Wanderungen von und nach Berlin nicht enthalten sind.

Die Alterung schreitet im Osten schneller voran

Im gesamten Land ist die Bevölkerung älter geworden: Zwischen 1990 und 2022 ist der Anteil der unter 20-Jährigen von rund 22 % auf 19 % gesunken, während der Anteil der Senioren (65 Jahre und älter) von 15 % auf 22 % gestiegen ist. Allerdings schreitet diese Entwicklung im Osten schneller voran. 1990 war die Bevölkerung im Osten jünger als im Westen: Der Anteil der unter 20-Jährigen betrug 25 % im Osten und 21 % im Westen (jeweils ohne Berlin), während die ab 65-Jährigen im Osten 14 % und im Westen 15 % der Bevölkerung stellten. Im Zeitverlauf hat sich dieses Verhältnis umgekehrt: 2022 war im Osten der Anteil der unter 20-Jährigen mit 18 % geringer als im Westen mit 19 %. Zugleich war im Osten der Anteil der ab 65-Jährigen mit 27 % höher als im Westen (21 %).

Die Lebenserwartung der Ostdeutschen hat sich schnell an das westdeutsche Niveau angenähert

Betrachtet man die Entwicklung der Lebenserwartung bei Geburt zwischen 1991/1993 und 2020/2022 in Ostdeutschland und in Westdeutschland als jeweilige Einheit, so wird eine rasche Angleichung der Lebens­erwartung in beiden Landes­teilen deutlich. In den Jahren 1991/1993 war noch eine Differenz von 3,2 Jahren bei Männern und von 2,3 Jahren bei Frauen zugunsten Westdeutschlands festzustellen. Innerhalb von sieben Jahren bis zur Sterbetafel 1998/2000 hat sich die Differenz für Männer auf 1,6 Jahre halbiert und für Frauen auf 0,6 Jahre sogar noch stärker reduziert. Bis Ende der 2000er-Jahre ist die Differenz in der Lebenserwartung für Männer weiter zurück­gegangen. Danach hat sie sich zunächst auf einem Niveau von 1,3 bis 1,5 Jahren stabilisiert. Bei den Frauen war seit der Sterbetafel 2012/2014 kaum noch eine Differenz zwischen Ost und West feststellbar. Es wird angenommen, dass Verbesserungen in der medizinischen Versorgung und den allgemeinen Lebens­bedingungen im Osten zu dieser raschen Anpassung beigetragen haben. Im Zuge der Corona-Pandemie, von der die ostdeutschen Bundesländer stärker betroffen waren, ist die Differenz in der Lebens­erwartung zwischen Ost und West wieder angewachsen. Bezogen auf den Dreijahreszeitraum 2020/2022 betrug die Differenz in der Lebens­erwartung bei Geburt zugunsten Westdeutschlands 1,8 Jahre bei Männern und 0,2 Jahre bei Frauen.

Etwa seit Ende der 2000er-Jahre ist der Anstieg der Lebens­erwartung nicht mehr so deutlich wie in den vorangegangenen Jahrzehnten. Hierzu haben außergewöhnlich starke Grippewellen sowie ab März 2020 auch die Corona-Pandemie beigetragen. Im Vergleich der Sterbetafeln 2017/2019 und 2020/2022 ist die Lebens­erwartung bei Geburt sogar etwas zurückgegangen. Hauptgrund hierfür waren die außergewöhnlich hohen Sterbefall­zahlen in den Wellen der Pandemie – in Ostdeutschland war dieser Effekt deutlicher als in West­deutschland.

Der Anteil der ausländischen Bevölkerung ist im Osten deutlich niedriger und anders als im Westen

Während Ende 1990 im Westen 5 Millionen Ausländerinnen und Ausländer lebten (8 % der Bevölkerung), lag die Ausländerzahl im Osten bei 112 000 (1 %). Die ausländische Bevölkerung ist seit der deutschen Vereinigung überall gestiegen, Unterschiede bleiben jedoch bestehen: So stellt die ausländische Bevölkerung Ende 2022 im Westen 16 % (10,6 Millionen Menschen) und im Osten 7 % (908 000 Menschen) der Bevölkerung dar. Die unterschiedlichen Migrationsverläufe im Osten und im Westen sind auch in der Zusammensetzung der ausländischen Bevölkerung sichtbar: Der Anteil der Staats­angehörigen aus Gastarbeiter­ländern (einschließlich aktueller EU-Mitglieder) an der ausländischen Bevölkerung liegt Ende 2022 im Westen mit 34 % deutlich höher als im Osten (10 %). Auch der Anteil der EU-Bürgerinnen und -Bürger ist im Westen höher als im Osten (39 % bzw. 29 %), wobei dieser Unterschied vor allem auf die ehemaligen Gastarbeiterländer Spanien, Italien, Griechenland und Kroatien zurückzuführen ist. Dagegen sind im Osten Staats­angehörig­keiten aus Asien (32 %), vor allem aus Fluchtländern (Syrien, Afghanistan) häufiger als im Westen (20 %). Die unterschiedlichen Migrations­geschichten spiegeln sich auch in der Aufenthalts­dauer wider: Während 19 % der im Westen lebenden Ausländerinnen und Ausländern bereits 30 Jahre und länger in Deutschland waren, sind es im Osten lediglich 3 %.

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