COVID19: Die Skandal-Analyse im Ministerium – oder liegt der Skandal woanders?

Transparenz und Nachvollziehbarkeit entzieht Verschwörungs-Theoretikern den Nährboden. Das Bundesministerium des Innern geht da nicht mit gutem Beispiel voran. Meint Sascha Rauschenberger.

Wie es scheint, hat ein Oberregierungsrat im Bundesminsterium des Innern (BMI) eine Analyse zu Corona geschrieben. Eigentlich handelte sie darüber wie das Coronavirus auf Übergewichtige und die bei Übergewicht häufig vorkommenden Krankheitsbilder wirkt. Also eine durchaus nachvollziehbare Fragestellung in einer Gesellschaft, die zu Übergewichtigkeit neigt, wie uns immer mal wieder gesagt und vorgehalten wird.

Es ist bekannt, dass Corona allein und für sich eher nicht tödlich ist. Wohl aber bei vor allem älteren Menschen mit diversen Vorerkrankungen, Schwächungen des Immunsystems und auch bei allgemein körperlich schwachen Menschen. Dies trifft alles im besonderen Maße auf Senioren zu. Daher ist hier auch die Mortalität des Virus so hoch. Doch es trifft eben auch bei Menschen zu, die durch genetische Veranlagung, falsche Lebensweise oder schlicht „Überappetit“ einen Body-Mass-Index erreicht haben, der bildlich durch Obelix am besten zu beschreiben wäre. Stress, Bewegungsmangel, Fastfood und Bequemlichkeit können physiologische und physische Zustände hervorrufen, wie sie sonst nur altersbedingt zu beobachten sind.

Ergo war die Fragestellung des Beamten im BMI nachvollziehbar. Die Analyse angezeigt und für Handlungsempfehlungen zur Bekämpfung der Coronavirus-Pandemie wichtig. Dass eine gute Analyse sich in ihrer sachlichen Herleitung auch auf Kennzahlen, Indikatoren und wissenschaftliche Erkenntnisse stützt, sollte klar sein. Ergo nimmt man sie in seine Analyse entweder als Prämissen und/oder als Argument mit auf. Doch wenn sich bei der Grundlagenforschung was Corona ist, wie es wirkt und was es verursacht zunehmend Fragen auftürmen, dann ist etwas faul. Das bemerkte der Beamte scheinbar auch. Er ging den Widersprüchen und dann dem aufkommenden Widerstand, der ihm entgegenschlug, nach. Schließlich kämpfte er gegen die offene Ablehnung seines Vorhabens im Ministerium. Wie es schien waren Fragen zur Erhebung der Daten, deren Korrelation zu Indikatoren und deren Verwendung hinsichtlich Validität und Qualität nicht gewünscht. Und auch das eigentliche Thema „Übergewicht“ war eine offensichtlich ungewünschte Frage. Vermutlich nicht politically correct, da es „Übergewichtig“ per politisch indizierter Definition nicht gibt. Bestenfalls nur Menschen mit zusätzlichem Raum für (korrekte) innere Werte oder auch nur solche, die mehr Luft verdrängen.

Nur ließ sich das der Beamte nicht gefallen. Pflichtgefühl, Amts-Eid und Anspruch wogen für ihn schwerer. Also tat er das, was verboten ist. „Whistleblowing“ ist nur bei anderen beliebt. Gern auch mal als „Steuerdaten-CD“ vom Finanzamt gekauft. Aber niemals von einem Ministerium in heikler Lage akzeptiert.

Dienstrechtlich war das für den Beamten natürlich ein Eigentor. Dass „Gewissen“ und die „Dienstpflicht“ sich nicht unbedingt ergänzen und juristisch komplett anders zu bewerten sind, war ihm wohl auch klar. Das wird für ihn Folgen haben. Bis hin zur Entlassung samt Pensionsverlust. Wenn es übel läuft. Er wäre dann ein Sozialfall. Nicht aus Überzeugung aber durch Überzeugung. – Für uns! Denn für sich selbst hätte er nur explizit nichts tun müssen.

Soweit so gut. Oder schlecht. Schlimmer Skandal. Ein Beamter hat der offiziellen Tonart und dem Ministeriumstream widersprochen. Weil er ein Gewissen hatte. Moral und Ethik verinnerlicht hat. Und das mit seiner Analyse öffentlich gemacht hat. Skandalös. Möglicherweise ein Verschwörungstheoretiker in den eigenen Reihen. Ein Reichsbürger? Sogar Nazi??

Doch vielleicht liegt der eigentliche Skandal woanders. Vielleicht liegt er in der Tatsache begründet, dass man sich auch jetzt, nach Bekanntwerden einer abweichenden Analyse von dem, was so gern gehört wird, trennen müsste. Die auch noch auf Expertenwissen beruht, das vom RKI und dem üblichen Zirkel der neuen Virologengötzen abweicht. Inhaltlich, fachlich und auch wissenschaftlich. Und das in Zeiten, wo das Volk (gemeinhin der unbequeme Souverän der Politik…) aufmuckt. Sich regt. Sich querstellt. Auf die Straße geht…

Wenn diese 200 Seiten der Analyse falsch sind, oder auch nur in Teilen falsch sind, dann kann man doch darüber reden warum sie an der und der Stelle falsch sind. Warum der ein oder andere Wert ggf. doch richtig ist. Oder auch nicht. Oder nur eingeschränkt richtig sein kann, weil gewisse Prämissen unterstellt wurden. Skandalös wäre es allerdings, wenn diese Analyse wirklich in der „Ablage rund“ landet und den Papierkorb befüllt, nur weil der Dienstweg nicht eingehalten wurde. Das können wir uns bei der Corona-Gefahr nicht leisten. Absolut nicht. Eigentlich würden nur zwei Gründe existieren, diese Analyse nicht auswerten und ausdiskutieren zu wollen. Entweder sind Übergewichtige eine Risikogruppe, die keinen interessieren oder die der ministeriellen Meinung zugrunde liegende Datenlage ist… lau.

Jede andere Begründung ist aufgrund der Corona-Gefährdung hirnrissig. Wäre auch eine Zumutung an den Souverän des Ministeriums. Der ganzen Regierung. Des Staats. Unter Verschwörungstheoretikern kursiert schon eh die „Gewissheit“, dass der Staat in der Corona-Krise die Wahrheit unterdrückt. Die Lage nutzt, um Gesetze durchzudrücken, die unsere Freiheit einschränken. Die Bürger gar versklaven. Eine (1!!!) abweichende Analyse im Ministerium sollte wahrlich nicht eben diesen Leuten noch Munition zu liefern. Inzwischen kursiert die Analyse in der Schweiz und in Österreich. Wird wohl zum Renner unter den Gegnern der Corona-Maßnahmen werden. Warum es also auch noch verschlimmern, indem man sich weigert über den Inhalt zu reden. Offen, sachlich und neutral? Das wäre dann in der Tat ein Skandal, den wir nicht brauchen. Nicht im Angesicht der schon jetzt sichtbaren Folgen des Shutdowns. Politisch, wirtschaftlich und auch sozial.

Die Politik wäre gut beraten, die bröckelnde Zustimmung zu notwendigen Maßnahmen nicht noch weiter mit Selbstgefälligkeit, Arroganz und Ignoranz zu treten. Davon hatten wir genug. Das muss aufhören. Jetzt sind belastbare Fakten gefragt. Vielleicht auch die Offenlegung gemachter Fehler. Kaum aber eine Zensur der offenen Debatte alternativer Analysen. Selbst dann, wenn sie unwillkommen und dienstrechtlich angreifbar sind. Denn das eine hat mit dem anderen rein gar nichts zu tun. Das wäre dann der Skandal, den wirklich keiner braucht.


Das vom Oberregierungsrat im Bundesministerium des Innern Stephan K. erarbeitete Analyse-Dokument finden Sie hier: https://www.ichbinanderermeinung.de/Dokument93.pdf.