Covid-19: Chancen und Risiken bei Live-Veranstaltungen

Wie geht Geschäftsleben in Zeiten der Coronavirus-Pandemie? Ein Erlebnis-Bericht von Sascha Rauschenberger.

Gestern hatte der Autor die Gelegenheit als Gastredner beim Chapter Köln der PMI (HIER) einen Vortrag LIVE zu halten. Die PMI veranstaltet jährlich drei bis vier solcher Treffen mit Vorträgen für Ihre Mitglieder und Gäste aus dem internationalen Projektmanagement. Sie dienen als Information und auch zum Austausch zwischen Projektmanagern verschiedener Ebenen und Branchen. Haben also auch eine Weiterbildungsfunktion, die im Projektgeschäft unabdingbar ist. LIVE zusammenzukommen hat im Geschäftsleben, in Schule und Wissenschaft aber auch in der Gesellschaft an sich, eine hohe Bedeutung. Evolutionsgeschichtlich ist der Mensch ein Herdentier, für den die Interaktion untereinander durch Sprache, Gestik und Mimik letztlich unabdingbar ist. „Der Mensch kann nicht nicht kommunizieren“ ist ein Satz, der bei jeder Gelegenheit zu hören ist, wenn es um Kommunikation, Austausch oder das Zusammenleben an sich geht.

Hier haben die Corona-Maßnahmen für einen Einschnitt gesorgt, der schlimmer kaum sein kann. Wirtschaftlich, aber auch gesellschaftlich. Während wir mit 9,7 % Rückgang des BIP den wirtschaftlichen Schaden zumindest schon mal erahnen können, ist der gesellschaftliche Schaden, der gern als unbedeutend weil kollateral angesehen wird, wohl auf Dauer eher entscheidend. Gestern war der Tagungsort, das „Stadthotel am Römerturm“ in Köln (HIER), optimal vorbereitet. Ein- und Ausgänge waren getrennt, überall waren Desinfektionsmittel bereitgestellt und ausgewiesen. Info-Flyer für das richtige Verhalten im Hotel, im Restaurant, in Tagungsräumen und auf den Zimmern lagen überall aus. Dennoch war deutlich zu sehen, dass das Hotel gerade oberhalb des Leerstandes agierte. Der Tagungsraum war durch Entzerrung von max. 50 Teilnehmern auf max. 35 heruntergebrochen worden, in dem sich dann die 20 Mutigen etwas verloren vorkamen. Es erinnerte stark an einen Klausurraum an Uni und Schule. Andererseits hatte man so viel Platz wie sonst nie…

Das Tragen der Maske war für Bewegungen im Raum obligatorisch. Eigentlich auch für den Vortragenden angedacht, was aber unpraktisch war. Wer immer vorträgt, und das gilt dann besonders für Lehrer und Dozenten jeder Art, muss nicht nur sprachlich gut zu verstehen sein. Masken schlucken/dämpfen gern Silben, was das akzentuierte Sprechen einerseits anstrengend macht, andererseits aber auch für Zuhörer mit anderen Muttersprachen zunehmen anstrengend wird. Und, und das ist noch entscheidender, der Vortrag lebt gerade auch von Gestik und MIMIK des Vortragenden! Ergo einigte man sich schnell darauf die Maske auch als Vortragender abzusetzen und dafür dann mehr Abstand zur ersten Reihe zu halten. Und auch das fordert dann eine bewusste Disziplin beim Vortragenden, denn der tendiert auf seine Zuhörer zuzugehen… Im weiteren Verlauf kam es dann zur Pause mit Catering. Getrennt nach Fingerfood und Getränken und mit Abstandsmarkern wie an der Discounter-Kasse. Das klappte tadellos. Auch suchte jeder eine Anmarschroute durch den Raum, der von anderen nicht genutzt wurde, was die Tischaufstellung von sich aus erleichterte. Dann allerdings, mit Fortschritt des Abends, kam es zu dem, was nur menschlich ist.

Zunehmende Rudelbildung bei Gesprächen, erst im Kreise großen Durchmessers, der dann kleiner wurde. Wenn auch alle Masken trugen… Und je besser man sich persönlich kannte, desto schneller ging das. Auch hier war allen anzusehen, dass es immer wieder bewusster Handlungen bedurfte, den Abstand wiederherzustellen. Das passierte aber von sich aus. Dass am gestrigen Abend hauptsächlich Projektmanager da waren, die aus immer noch live stattfindenden, weil so notwendigen Koordinationsmeetings eine gewisse prozessuale Erfahrung aus den letzten Monaten mitbringen konnten, zeigt die Schwierigkeit für alle anderen Bereiche in unserer Gesellschaft. Wie beispielsweise das gesellschaftlich verbreitete Vereinsleben oder auch all das, was mit Schule und Kindergarten zu tun hat. Dass die Wirtschaft auf Face-to-Face-Kontakte angewiesen ist, Vertrieb/Verkauf sowie die Geschäftsanbahnung letztlich nur so erst möglich wird, ist unbestritten. Hochwertige, komplexe oder erklärungsbedürftige Produkte und Services lassen sich vielleicht später dann auch digital an den Mann bringen, aber vorher stehen IMMER direkte und unmittelbare Gespräche zwischen den Verhandlungspartnern. Und hier ist gerade die Mimik schicksalstreibend. Und diese wird durch Masken nicht nur verdeckt, sondern zum Teil auch verzerrt. Masken nun als Geschäftskiller zu bezeichnen ist vielleicht übertrieben ausgedrückt, aber sie als nicht geschäftsfördernd zu bezeichnen mit Sicherheit die Untertreibung schlechthin. Sic! Dass Masken in solchen Zusammenhängen dann auch nicht zur Beschulung von Kindern hinreichend sind, ist klar. Die Mimik und Gestik des Lehrenden sind im Unterricht in direkter und unmittelbarer Interaktion mit den Schülern einzig für den Lernerfolg als zielführend anzusehen. Gerade für die unteren Jahrgangsstufen und bei Förderschulen. Letztlich gerade auch für ausländische Schüler entscheidend, deren Integration gerade auch und zum Teil vornehmlich über Schule läuft. Und dann sind da noch zwei weitere Aspekte, die zur Sorge Anlass geben sollten. Die Masken müssen regelmäßig gewechselt werden. Im Klartext: sie sabbern durch! Werden spätestens dann zu einer Virenschleuder, die für viele so eklig ist, dass man sie sofort wegwirft. Überall. Eben weil man sie loswerden will. Im Winter wird sich dieses Verhalten beschleunigen, da die niedrigeren Temperaturen die Kondenswasserbildung an und in der Maske beschleunigen werden. Brillenträger haben zudem ein paar weitere Schwierigkeiten mit der klaren Sicht. Dazu kommt, dass auch die Handhabung der Maske gelernt sein will. Wenn der Gummizug rechts und links Löcher aufzieht, bringt sie wenig. Und letztlich muss auch die Nase bedeckt sein, was das Atmen gerade für kranke und ältere Menschen schwierig bis unmöglich macht. Vielleicht auch mal ein Zeitpunkt darüber nachzudenken, was wir gewohnt waren schon immer von anderen als zum Berufsbild gehörend (ignorant) abzufordern: Zahnärzte, Klinikpersonal, Pflegekräfte, Wissenschaftler … Der andere Aspekt ist die sozial-psychologische Komponente der Maske an sich. Wer die Mimik seines Gegenübers nicht erkennt, verliert auch sehr schnell die Lust an der Kommunikation an sich. Einfach einmal in sich gehen und kurz nachdenken. Wie oft grüßen wir noch? Tauschen kurz einen Witz mit Fremden aus? An der Kasse zum Beispiel? Mit der Kassiererin? Wir erleben hier einen Abbruch von sozialer Kommunikation, der gesellschaftlich bedenklich ist. Er ist schon fast mit dem Trend zu vergleichen, den wir erleben, seit es internetfähige Handys mit Touchscreens gibt. Gerade in Kombination mit Handy ist die Maske ein

Kommunikationshemmer erster Ordnung. Das ist weder gesellschaftlich, und dann auch geschäftlich auf Dauer nicht vertretbar. Hier wird es wohl bald (hoffentlich!) erste wissenschaftliche Statements geben, die das Problem aus pädagogischer wie auch sozialpsychologischer Sicht hinreichend beleuchten. Das Vortragsevent gestern bei der #PMI hat gezeigt, dass Übung wohl auch immer noch den Meister macht. Corona-Regeln im LIVE-Event einzuhalten ist nicht leicht aber machbar und organisatorisch unterstützbar.

Wie das aber bei Massenevents aussehen soll, bei Messen zum Beispiel, bleibt eine interessante organisatorische Herausforderung, die gelöst werden muss. Allein aus dem wirtschaftlichen Impact für die Volkswirtschaft heraus. Und wie pandemiekonforme Massenevents mit emotionalisierten Menschen, wie Demonstrationen, Sportveranstaltungen oder Konzerte machbar sein sollen, will sich dem Autor nicht erschließen. Schon gar nicht in geschlossenen Räumen. Nicht mit den Bestimmungen, die wir aktuell als Auflage haben. Das geht nicht. Besonders dann nicht, wenn bewusste und nötige individuelle Steuerungshandlungen und Entscheidungen durch Teilnehmer ständig abrufbar und machbar sein sollen, die dann aber wie auch immer „berauscht“ sind. Und dieses Problem war schon immer eine Realität dessen, was auch die alte Eventszene seit je her prägte.

Was im Kleinen geht, gesellschaftlich und geschäftlich auch unabdingbar ist, hat die Tendenz mit wachsender Größe überproportionale Herausforderungen aufzuwerfen. Bis hin zur Unmöglichkeit. Das mag Messen betreffen, vor allem aber wird es Event- und Konzertveranstalter treffen. Und damit auch unser gesamtsoziales Miteinander als Gesellschaft an sich. Als Gemeinschaft. Mitunter auch als Menschheit, um einmal den ganzen Bogen aufzuspannen. Auch das treibt Menschen zunehmend auf die Straße.

Was als Einzelindividuum schreiend geboren wird, über die Familie aufgezogen wird, findet via Kommunikation und Interaktion mit dem Rest der Menschen seinen Platz in der Welt. Jede Art von unnatürlicher Behinderung dieses lebenslangen Prozesses schädigt direkt oder indirekt die Einzelperson und/oder die Gemeinschaft. Wir sind allein mit Mimik und Gestik in der Lage uns weltweit zu verständigen. Und gerade die Mimik schafft Verständnis für unser Anliegen. Definiert unsere Gefühle, was ungemein wichtig ist, wenn es darum geht einzuschätzen, ob ich mein Gegenüber eventuell beleidigt oder bedrängt habe. Oder ihm etwas Gutes getan habe. Der kleine Unterschied war schon oft schicksalstreibend. Sic! Die Gesichtsmaske ist bei richtiger Anwendung und richtigem Gebrauch ein gutes Instrument zur Pandemiebekämpfung. Aber nicht dauerhaft. Oder auch nur mittelfristig. Denn sie widerspricht dem natürlichen Bedürfnis des Menschen. Findet allein deshalb schon Ablehnung. Zunehmende Ablehnung, wie gewisse Demos weltweit(!!) immer deutlicher aufzeigen. Aber im Kleinen geht es. Als Koordinations-, Beratungs- und Weiterbildungsrunden. Als Akquise-Treffen. Auch als Vereinsleben. Insoweit kann der Versuch, das Experiment der PMI in Köln, als Versuchserfolg angesehen werden. Doch das war klar: Lösungsorientierte Projektmanager unter sich schaffen so etwas IMMER! Sic!!


Bild: Tagungsraum (Quelle PMI Chapter Köln)