Corona und die Frauen

Dank Coronavirus und Lockdown ist die Retraditionalisierung in vollem Gang. Meint Topagemodel Renate Zott.

Man darf es schon nochmal sagen, dass die Frauen „draußen wie drinnen“ einen Löwenanteil dazu beigetragen haben, dass wir die Corona-Krise bis jetzt so beispielhaft gemeistert haben. „Draußen“, weil sie eben die Jobs gemacht haben und machen, die wir jetzt systemrelevant nennen und mies entlohnen. Die Krankenschwestern und Pflegerinnen, die vielen Mitarbeiter von Super- und Drogeriemärkten und natürlich auch die, die ebenfalls ihren Beitrag geleistet haben und nun nicht aufgeführt sind. Zu Anfang waren sie schlecht oder gar nicht geschützt; die Risiken, denen sie täglich ausgesetzt waren, hoch. Klagen darüber sind mir nicht zu Ohren gekommen. Und ja, man hat für sie zum Lobesgesang eingestimmt, ihrem unermüdlichen Einsatz reichlich Applaus gespendet. Anerkennung tut gut, aber am Ende kann man sich nichts davon kaufen. Auch irgendwelche Ideen von einer einmaligen Sonderzahlung für Mitarbeiterinnen im Pflege- und Gesundheitswesen schaffen keine nachhaltige Basis aus Niedriglohnempfängerinnen nun Normalverdienerinnen zu machen. Es ist auch noch keine hörbare Debatte darüber im Gange, wie Mitarbeiter*innen von Drogerie- und Supermärkten zukünftig adäquat für ihre tolle, systemrelevante Arbeit entlohnt werden sollen und es ärgert mich wahnsinnig, dass in den Medien völlig unerwähnt bleibt, dass eben genau jene über mindestens 2 Monate Tagesumsätze eingefahren haben, die sonst nur an Weihnachten in die Kassen gespült werden. Das schreit zum Himmel, aber die Frauen bleiben still.

Im Grunde genauso still wie die Frauen „da drinnen“, die wie selbstverständlich im coronabedingten Lockdown für die Familie zurückgesteckt und einfach funktioniert haben. Schließlich kennt man die Rollen: Hausfrau, Mutter, Lehrerin, Köchin, Pausenclown, Rückenfreihalter. Dass jede einzelne davon im Lockdown fast zum Fulltimejob neben dem normalen Job geworden ist, beunruhigt in der aktuellen gesellschaftlichen Debatte, aber „mei, mir homs jo scho bold“. Frauen sind halt ziemlich gute Krisenmanager, packen an, halten durch, gehen an ihre Limits, so generell und in Krisenzeiten sowieso. Sie machen einfach. Auf gewisse Weise ist dieses Funktionieren sehr verlässlich und im Grunde war es schon immer so. Es erinnert mich an die Standard-Situation im Wohnzimmer. Es ist frisch und die Frau schließt das Fenster, noch bevor irgendjemand sagen kann, dass ihm kalt ist. Im Gegensatz dazu wartet der Mann gerne auf die Aufforderung: „Könntest du bitte das Fenster schließen?“ Beide machen am Ende das Gleiche und doch nicht dasselbe. Was sagt uns das?: dass die Frauen ein Stück weit automatisch an den Herd zurückgehen, weil sie glauben, dass die Situation es erfordert. Liegt die abwehrlose Übernahme von Sorge und Rücksicht in den weiblichen Genen oder hängen wir in überholten Glaubenssätzen fest?

Neben dem, dass wir gesellschaftlich, strukturell und institutionell auch vor Corona noch lange nicht bei der geschlechterunabhängigen Gleichstellung waren, kommt die Tatsache, dass wir – grob geschätzt die Mehrzahl der Frauen – die Rolle rückwärts in die 50er Jahre des letzten Jahrtausends mitmachen. Ein paar clevere Zeitgenossen, unter anderem unsere Bundeskanzlerin Angela Merkel, haben die Augen noch offen und sagen: wir wollen nun nicht retraditionalisieren und ich sage doch: wir sind auf dem besten Weg dahin. Zwar geben junge Frauen in neuesten Studien an, dass ihnen finanzielle Unabhängigkeit und berufliches Fortkommen sehr wichtig seien, aber sie schaffen es nicht, stringent danach zu handeln. Auf die Krise bezogen haben Frauen eine historische Chance verpasst. Wenn doch alle im selben Boot sitzen und zu Hause bleiben müssen, wäre die Gelegenheit günstig gewesen, die vielen Aufgaben und Rollen neu und möglicherweise unter ganz gewöhnlichen Aspekten der Fairness und Gleichstellung zu verteilen. Das ist nicht passiert. Wann dann, wenn nicht jetzt? Wann hätte man besser erklären können, dass man die Mittagspause ausdehnen muss, weil noch Matheaufgaben zu erledigen sind. Wann wäre es einfacher gewesen, Verständnis für ins Bild platzende oder quengelnde Kinder aufzubringen. Wann, wenn nicht jetzt, hätten Eltern gemeinsam darauf aufmerksam machen können, dass Job und Familie tatsächlich eine Doppelbelastung sind?

Aber nein. Frauen haben zurückgesteckt, ihre Arbeitszeit zu Gunsten der Familie reduziert, die Männer in der Rolle der Versorger bestätigt. Den Männern alleine dafür die Schuld in die Schuhe zu schieben ist zu einfach, unfair und nicht zutreffend. Und wieder lande ich im Wohnzimmer. Meine Erfahrung ist, dass Männer mitmachen und es gut aushalten können, wenn sie wissen, was Frau will. Vorträge über Mental Load, große Tafeln, wo Frauen all‘ das dranschreiben, was sie so machen und dass sie sogar dafür sorgen, dass Emil morgen nicht ohne Geschenk bei Jan-Henriks Geburtstagsfeier auftaucht, das mögen Männer – so mein Eindruck – nicht ganz so gerne. Stundenlange Diskussionen, wie man die tausend kleinen und großen Aufgaben gerechter verteilen könnte, auch nicht unbedingt. Männer mögen sich vielleicht dann und wann für wichtiger halten (?), aber per se unkooperativ sind sie nicht. Im Gegenteil. Studien zeigen, dass sie sich klar für ein partnerschaftliches Lebensmodell aussprechen. Aber auch ihnen liegen noch viele Steine im Weg.

Gleichstellung – wenn wir sie denn wollen – ist und bleibt eine gesamtgesellschaftspolitische Aufgabe und es nutzt nichts, über den Rückschritt leise zu jammern und die Revolution nicht lautstark anzuschieben.