Buch-Tipp: Im Wahn – Frontbericht aus einer zerfallenden Nation

Ein subjektiver Bericht aus den USA, gerade rechtzeitig zur bevorstehenden #USElection2020.

Die Vereinigten Staaten von Amerika befinden sich mitten in einem neuen Bürgerkrieg, der mit den Waffen der Mediengesellschaft ausgetragen wird – und erleben in der Pandemie-Weltkrise 2020 eine multiple Katastrophe. So sehen das jedenfalls Klaus Brinkbäumer und Stephan Lamby in ihrem Buch „Im Wahn“, das pünktlich zur #USElection2020 im Verlag C.H.Beck erschienen ist.

Dabei verschweigen sie, dass die Zerrissenheit der USA viel tiefer liegende Ursachen hat, die zudem auch noch viel weiter zurückreichen – mindestens mal bis in die Zeit der Bürgerrechtsbewegung in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts. Damals – zur Zeit von John F. Kennedy und Lyndon B. Johnson – wurde in den Südstaaten der USA eine Rassen-Politik umgesetzt, die von der Mehrheit der Bürger und Politiker dort nicht gewollt war. Es kam in der Folge zu einer scharfen Polarisierung in der Politik, in Demokraten hier und Republikaner dort. Jahrzehntelang wurden die Demokraten und ihre Ansichten durch viele Medien gestützt. Dies änderte sich, als 1987 die Federal Communications Commission (FCC) die sogenannte Fairness-Doktrin aufhob und damit zunächst Talk-Radios, zum Beispiel von Rush Limbaugh, erlaubte. 1996 kam dann Fox News (Rupert Murdoch) dazu, ein TV-Sender, der von Roger Ailes explizit auf die Zielgruppe der konservativen, ja fundamentalistischen Republikaner ausgerichtet wurde. Zu behaupten, erst seit dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump seien die USA zerrissen, bedient leider nur das Narrativ des erratischen, ja durchgeknallten Deal-Makers aus New York. Zudem vernachlässigt dieses allgemein eher anti-amerikanische Narrativ die unbestreitbaren Erfolge der Präsidentschaft Trump, die seine Anhänger jedenfalls bejubeln.

Dabei soll die Zerrissenheit der USA nicht grundsätzlich geleugnet werden. Der Wegfall von Millionen Arbeitsplätzen in der „alten“ Industrie, die endlos scheinende militärische Verstrickung der größten Weltmacht in regionale Konflikte ohne strategische Zielgebung und gar Aussicht auf Siege oder Erfolge, der unglaubliche Einfluß der nicht zur Rechenschaft zu ziehenden Tech-Giganten auf Kommunikations-Wege und neuerdings auch Inhalte sind nur wenige Beispiele für das, wovon viele US-Bürger sich bedroht fühlen. Tiefe Unsicherheit rührt auch aus den Folgen des demografischen Wandels, der eine grundlegende Veränderung der USA mit sich bringen wird – weg von den WASP (White Anglo-Saxon Protestant) hin zu vielfach katholischen, farbigen Latinos.

Amerika „im Wahn“ – es wäre ein wahninnig wichtiger Beitrag zur Diskussion gewesen, wenn die Autoren etwas tiefer geschürft und weniger populistisch bestehende Vorurteile verstärkt hätten.

Amerika vor der Wahl

Ein Gespräch zwischen Klaus Brinkbäumer und Stephan Lamby in DNEWS24TV.

Die Autoren

Klaus Brinkbäumer ging 2007 als Korrespondent des SPIEGEL nach New York. Von 2015 bis 2018 war er Chefredakteur des SPIEGEL. Er gewann u.a. den Egon-Erwin-Kisch-Preis, den Henri-Nannen-Preis und wurde 2016 Chefredakteur des Jahres. Seit 2018 schreibt er für DIE ZEIT und den Tagesspiegel. Zu seinen Büchern zählen „Der Traum vom Leben – Eine afrikanische Odyssee“,“Nachruf auf Amerika“ und „Das kluge, lustige, gesunde, ungebremste, glückliche, sehr lange Leben“ (zusammen mit Samiha Shafy). Er lebt in New York.

Stephan Lamby ist Fernsehautor und Produzent und war als freier Journalist in New York tätig. Er hat mit zahlreichen ARD-Dokumentationen das politische Deutschland abgebildet, darunter „Nervöse Republik“, „Im Labyrinth der Macht“, „Die Notregierung“. Er wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Deutschen Fernsehpreis, der Goldmedaille der New York Festivals, der Goldenen Kamera und als Journalist des Jahres 2018. Ein Teil seiner Familie lebt in Amerika.

Bibliografie

  • Verlag: C.H.Beck
  • Seiten: 391
  • ISBN: 978-3-406-75639-9
  • Preis: 22,95 Euro