14 Jahre sind genug. Aber was kommt nach Merkel? – Advents-Betrachtungen von Uwe-Matthias Müller

Am ersten Advents-Wochenende öffneten sich Türchen und heraus kamen faustdicke Überraschungen. BER, AfD, SPD, Klinsi – und nun?

In der vergangenen Woche fand in Berlin die jährlich wiederkehrende wichtigste Debatten-Runde im Deutschen Bundestag statt. Die Aussprache zum Bundeshaushalt und zum Etat der Kanzlerin ist DIE Gelegenheit für die im Bundestag vertretenen Parteien, ihre Standpunkte öffentlichkeitswirksam klarzumachen. Wie es üblich ist, startete die Aussprache die Oppositions-Führung und das ist seit 2017 die AfD. Der Co-Fraktions-Chef der AfD, Alexander Gauland, kritisierte das Klima-Paket der Bundesregierung als nicht inspiriert genug und gegen die Lebenswirklichkeit der „kleinen Leute“ gerichtet. Und die Bundeskanzlerin? Sie sprach wenig inspiriert über die NATO und den Multilateralismus und die Digitalisierung. Zum Ende Ihrer Rede bestätigte sie, dass sie noch Lust aufs Regieren hätte, natürlich in der bestehenden Bundesregierung, der „#GroKo“.

In den Beiträgen der anderen Parteien ging es häufig um das geplante Museum der Moderne in Berlin. Ich persönlich finde den Entwurf architektonisch langweilig und darüber hinaus droht schon das nächste Finanzdesaster. Denn statt ursprünglich 200 Mio wurden jetzt 364 Mio genehmigt, gerechnet wird aber intern schon mit 450 Mio Euro Baukosten. Es können aber auch 600 Mio Euro werden… Ist eh schon wurscht, Geld ist ja bekanntlich das, was in Berlin die kleinste Rolle spielt. Außer für Bildung, Schulen, Polizei, Feuerwehr und Wohnungsbau. Mehr zum Museum der Moderne inkl. der Entwürfe des Büros Herzog & de Meuron finden Sie hier: https://www.nationalgalerie20.de/home/.

Die SPD hat sich für ihren Untergang entschieden

Die bekundete Unterstützung der Kanzlerin für den Bewerber für den Parteivorsitz der SPD, Olaf Scholz, ging nach hinten los. So wie die CDU bei den zurückliegenden Wahlkämpfen im Osten Deutschlands die ewige Kanzlerin versteckte, weil sie wohl als toxisch galt, so verschaffte ihr als Wahlhilfe gedachter persönlicher Motivations-Bericht dem Kandidaten Scholz eine deftige Niederlage. Nicht er, sondern das Duo Walter-Borjans und Esken, werden neue SPD-Vorsitzende. Und deren Ziel ist die möglichst rasche Beendigung der #Groko. Was das der SPD bringen soll, und wer eine Partei wählen soll, die überhaupt nicht (mehr) regieren will, bleibt das Geheimnis der bisher nur Eingeweihten bekannten Esken und Walter-Borjans…

Übrigens ist auch das Demokratie. Ganze 114.995 Bürger (entspricht etwa der Einwohnerzahl von Reutlingen) und Mitglieder der SPD haben für Esken und „NoWaBo“ gestimmt und damit die Linie zur für deutsche Verhältnisse Unregierbarkeit des Landes vorgegeben. Denn eine stabile und mehrheitsgetragene neue Regierungs-Konstellation ist derzeit nicht zu erkennen.

Eine Partei will nach oben

Die AfD hielt in der Metropole von Heinrich dem Löwen Braunschweig in der Volkswagen-Halle (wo sonst?) ihren Bundesparteitag ab. Durch die Digitalisierung unserer Schulen in Deutschland (sic!) ist Kreide für die Schultafeln wohl überflüssig geworden. Und im Rahmen eines gigantischen klimafreundlichen und natürlich nachhaltigen Entsorgungs-Konzeptes scheint es so, also ob die AfD-Funkionäre die überflüssig gewordene Kreide „gefressen“ hätten. Jedenfalls waren die Reden und Wortbeiträge der Delegierten staatstragend, grenzten sich von rechtsaussen klar ab und betonten den unbedingten Willen, mit einer CDU nach Merkel zusammen die nächste Bundesregierung bilden zu wollen. (Nach Merkels politischem Ende will ja auch Christian Lindner wieder mit der CDU über eine Regierungs-Beteiligung der FDP verhandeln. Das wäre dann das „Bahamas-Bündnis“…)

Die neue Linie hatten wohl nur Nicole Höchst und Wolfgang Gedeon nicht mitbekommen, denn in deren Bewerbungsreden um den Bundesvorstand der AfD ging es unverdrossen um „Überfremdung“ und „Umvolkung“. Da war selbst der Flügel-Mann Björn Höcke im Interview mit dem Sender „Phoenix“ besser drauf. Anekdoten am Rande: Frau Höchst stammt aus dem Saarland, wie Ingrid Caven, Nicole, Sandra, Gerd Dudenhöfer, Erich Honecker, Oskar Lafontaine und Heiko Maas… Gedeon war früher mal in der Partei KPD/ML (ich weiß jetzt schon, wen ich damit ärgern kann ;-)).

Berlin bekommt einen neuen Flughafen (! oder ?)

Ende Oktober 2020 soll der BER doch noch eröffnet werden. Alle alternativen Nutzungs-Konzepte bis hin zum vom Lufthansa-Vorstand Dirks empfohlenen Abriss haben wohl nicht überzeugt und so hat der Aufsichtsrat der Berliner Flughafen-Gesellschaft bestimmt nicht leichtfertig beschlossen, die Bauruine BER doch als Flug-Terminal zu nutzen. Kein Problem, die Berliner sind, was Verwaltung und deren Zumutungen anbelangt, Kummer gewöhnt. Und wenn auch alle Umfragen signalisieren, dass die große Mehrheit der Bürger mit der Arbeit des Berliner Senats unzufrieden ist, haben die Politiker von RRG in Berlin doch eine feste Jobgarantie. 60% bekämen die RRG-Parteien, wenn heute Wahlen in Berlin wären. Nur die SPD wäre nicht mehr ganz so groß und die einst stolze Partei von Ernst Reuter und Willy Brandt wäre vielleicht sogar einstellig. Dafür hätte die SED-Nachfolge-Partei und die in Berlin besonders irrlichternden und „Staats-Knete“ verschleudernden Grünen – wie Florian Schmidt, Bezirksstadtrat in Berlin-Friedrichshain-Kreuzberg – das Sagen.

Von Klinsi lernen heisst siegen lernen

2006 verpasste der Bundestrainer Jürgen Klinsmann mit der Fussball-Nationalmannschaft das WM-Finale dahoam. Dennoch feierten er und die braven Anhänger der damals noch nicht so gebrandeten MANNSCHAFT den dritten Platz beim Sommermärchen wie einen WM-Sieg. Marketing ist halt alles. Von daher war das gestern auch ein sehr guter Spieltag für Hertha BSC. Die Truppe, die zu Beginn der Saison von einem Investor namens Windhorst mehr als 240 Millionen Euro und jetzt Klinsi als Trainer bekam, verlor im eigenen Stadion gegen den früheren Titel-Aspiranten Borussia Dortmund mit 1:2. Danke, Klinsi…

Offen gestanden, mir graut schon vor den nächsten Advents-Wochenenden…

Der Autor Uwe-Matthias Müller

Uwe-Matthias Müller ist Gründer des Bundesverband Initiative 50Plus. Bis 1996 hat er mit seiner Frau und den beiden Töchtern in (West-)Berlin gelebt. Nach zwei Jahren im Ausland lebt er heute in Bayern.

Uwe-Matthias Müller kommt viel und gern nach Berlin. „Als Berliner auf Zeit geniesst man nur die Vorteile der Hauptstadt und kann die vielen Unzulänglichkeiten, unter denen die Bewohner täglich leiden, einfach ignorieren.“

Mit „Neulich in Berlin…“ erzählt „UMM“ Erlebnisse und Eindrücke aus der Stadt, die sich selbst als arm aber sexy beschreibt und der Gesellschaft, die dem demografischen Wandel unterliegt.