Wie braun ist das KSK?
Ist die Bundeswehr ein rechter Sumpf? Und das KSK die Keimzelle rechten Terrorismus? Eine Spurensuche von Sascha Rauschenberger.
In letzter Zeit entsteht der Eindruck, dass das Kommando Spezialkräfte (KSK), ein, wenn nicht der Elite-Verband der Bundeswehr, ein rechtsextremer Sumpf sein könnte. Im Standort Calw sich mehr Nazis tummeln könnten, als sonst wo in der Republik. Täglich überschlagen sich die Mitteilungen in der Presse, so dass man glauben könnte, hier würde eine neue politische Auslese, eine Art SS entstehen, der nur noch ein neuer Führer fehlen würde um komplett zu sein.
Selbst Bundesverteidigungsminsterin Annegret Kramp-Karrenbauer („AKK“) schlug in diese Kerbe. Und wo ihre Amtsvorgängerin Ursula von der Leyen noch die ganze Bundeswehr unter Generalverdacht stellte und dieser „Haltungsprobleme“ attestierte, da zerschlug AKK mit dem ihr eigenen profunden Wissen einer Zivilistin jahrzehntelang gewachsene Organisationsstrukturen. Und das, und hier ähnelt sie auch anderen Politikerinnen, via nächtlicher alternativloser Einzelsofortentscheidung. Sie löste gar eine der vier Einsatzkompanien per Dekret auf und verteilte das Personal auf die restliche Bundeswehr. Beispielhaft so handelnd, wie man mit epidemischen Herden umgeht. Man streut die so erkannten Nazis in die ideologisch unverseuchte Truppe. Exakt so wie bei Corona (Ischgl, Karneval, Bierfeste, Tönnies) gelernt. Infizierte müssen verteilt werden. Großflächig. Damit jeder was davon abbekommt.
Spätestens hier wären Fragen angebracht gewesen. Doch sie kamen nicht. Daher ist es Zeit einmal hinter die Kulissen des KSK zu schauen und die Sachlage zu hinterfragen.
Das KSK besteht aus ca. 1.400 Mann und gliedert sich in Ausbildungs-, Unterstützungs- und Einsatzeinheiten. Im Laufe der sehr lebendig wirkenden Einsatzgeschichte des KSK, das am 20. September 1996 gegründet wurde, gab es insgesamt vier Entlassungen. Vier in 24 Jahren. Und der Militärische Abschirmdienst („MAD) gibt an, dass mit Stand Januar 2020 exakt 20 Verdachtsfälle von Extremismus im KSK beobachtet werden.
Der MAD enttarnte im vergangenen Jahr 14 Extremisten (Kategorie „Rot“) darunter: acht Rechtsextremisten, vier Islamisten und zwei sogenannte Reichsbürger/Selbstverwalter, die die rechtmäßige Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat leugnen. Zudem wurde bei 38 Beschuldigten fehlende Verfassungstreue (Kategorie „Orange“) festgestellt: 27 Rechtsextreme, vier Islamisten, drei Reichsbürger/Selbstverwalter, drei aus dem Bereich des politischen Ausländerextremismus und ein Linksextremer.
Dies sind die Zahlen der gesamten Bundeswehr.
Für das KSK betrachtet ergeben sich die folgenden bis dato medial bekannten Fälle, die verbreitet und gelegentlich auch durcheinandergeworfen werden. Durch eine zeitlich versetzte und teils unkorrekte Berichterstattung erscheint dann eine Häufung erkennbar.
Daniel K.: Er wurde wegen diverser Äußerungen ab Februar 2019 vom Dienst suspendiert und erhielt ein Uniformtrageverbot. Er beschwerte sich und mit Beschluss des Truppendienstgerichtes Koblenz vom März 2020 erhielt er in allen Punkten Recht. Die Bundeswehr legte das ihr zur Verfügung stehende Rechtsmittel ein und entließ ihn fristlos. Folglich klagt er in einem noch anhängigen Verfahren. Hier könnte sich die Bundeswehr bis auf die Knochen blamieren.
Ömer S.: Wurde entlassen nachdem er sich im Einsatz in Mali radikalisierte und einen Gottesstaat à la Islamischer Staat propagierte.
Pascal D.: Kompaniechef der aufgelösten 2. Einsatzkompanie hatte eine Geldstrafe für das Verwenden von „Kennzeichen verbotener Organisationen“ akzeptiert.
Philipp S.: Bei ihm wurden nach Hausdurchsuchungen diverse Waffen, Munition und Sprengstoff gefunden. Hier handelt es sich um Zünder für Übungshandgranaten, eine Sprengfolie und vier 500g-Blöcke Sprengstoff. Dazu gibt es die Schilderung, dass er ein altes russisches Sturmgewehr AK47 hätte. Gefunden wurden eine Schreckschusspistole und ein Luftgewehr samt zugehöriger Munition sowie ein Sportbogen und eine Armbrust mit zugehörigen Pfeilen. Dazu kommen noch ein Nebeltopf und Signalmunition aus BW-Beständen. Er sitzt momentan in Untersuchungshaft und es laufen Ermittlungen wegen des Besitzes von Sprengstoff und Verstößen gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz.
Ein weiterer ex-KSK Soldat wurde aus den USA zurückgerufen, weil ihm die Zugehörigkeit zur Identitären Bewegung zur Last gelegt wird. Richtig ist, dass er drei Spenden an diese Organisation geleistet hat, die später dann zum Beobachtungsgegenstand des Verfassungsschutzes wurde.
Weiterhin werden Tausende Schuss Munition vermisst. Laut dem Bericht des BMVg gibt es Über- und Unterbestände an diversen Munitionsarten. Hier wurde der Eindruck vermittelt, dass diese Munition „abgezweigt“ wurde. Vielmehr ist es aber so, dass die Revision nun bemüht ist, mittels einer Inventur mögliche Buchungsfehler hinsichtlich Menge und Losnummern zu verifizieren. Mit der Umstellung der Logistik auf SAP hat die gesamte Bundeswehr nicht unerhebliche Probleme, alte Buchungsfehler und fehlerhafte Datenübertragungen zu korrigieren. Diese erhebliche Problematik betrifft nicht nur das KSK. Und es betrifft nicht nur Munition. Es wurden schon ganze Waffensysteme … “gesucht“. Oder auch Betten und anderes Liegenschaftsmaterial „wiedergefunden“.
Jeder in der Industrie kennt das. Wenn ERP-Systeme flächendeckend neu beschafft werden. Es braucht Zeit, bis dies überhaupt und dann auch noch fehlerfrei läuft. Zumal auch das Personal erst geschult sein will.
Und das war es dann. Mehr ist nicht.
Doch worauf beruft man sich, um das engagierte Handeln von AKK auch hinreichend begründen zu können? Da ist der bereits in der Bundeswehr kursierende anonyme Beschwerdebrief des „Hauptmann J“. Er hat zwar das eigentliche Auswahlverfahren „die Höllenwoche“ bestanden, ist aber während der zweijährigen Ausbildung zum KSK-Soldaten in „zwei Disziplinen durchgefallen“ und wurde abgelöst, sprich aus der Ausbildung genommen. Unter Umgehung der Wehrbeschwerdeordnung, durch Überspringen von sieben (7!) Vorgesetztenebenen hatte er sich unmittelbar an die Ministerin gewandt. Der Brief war eigentlich ein Widerspruch zur Ablösung als KSK-Soldat. Gewürzt mit diversen Behauptungen, Geschichten und Abhandlungen zum rechtsradikalen und nicht-reformierbaren Milieu des KSK und zur Unfähigkeit seines KSK-Kommandeurs. Seit diesem Tag geistert die mögliche Unreformierbarkeit des KSK durch die Presse.
Fakt ist, dass der Offizier die Ausbildung trotz massiver Unterstützung seiner Ausbilder nicht geschafft hat. Er musste im Rahmen des Auswahlverfahrens mehrfach belehrt werden. Es gab auch den Verdacht des stalkens einer Sanitäterin.
Als weiteren „Beweis“ für das Abgleiten des KSK in den rechten Sumpf werden Zitate von Jürgen Rose, einem ehemaligen Offizier, verwendet. Dieser hatte den damaligen Einsatzbefehl zum Kosovo verweigert, weil er den Einsatz als völkerrechts- und grundgesetzwidrig angesehen hatte. Er irrte sich. Die Bundeswehr zeigt ihm hierüber Folgen auf. Nun ist er Vorstand des umstrittenen und eher linksorientierten Arbeitskreises „Darmstädter Signal“.
Das KSK wird in der Bundeswehr durchaus als Eliteverband wahrgenommen. Auch mit dem Neid, der in einer Armee schnell entsteht, wenn A alles zu bekommen scheint, während B bis X jedes Versorgungsgut mehrfach „bestellen“ und dann auch noch abzählen müssen. Und das seit zwanzig Jahren.
Unbestritten ist aber auch, dass jeder Soldat weiß, dass das KSK ihn (und Zivilisten) im Einsatz überall rausholen würde, wenn er entführt oder abgeschnitten wird. Das KSK für jeden bis zum letzten Blutstropfen kämpfen würde. Keinen zurücklassen würde. Nie und niemals.
Dass im KSK oder in der Ausbildung/Auswahlverfahren gescheiterte Soldaten auch mal nicht so gut auf eben dieses KSK zu sprechen sind, ist klar. In diesem Kreis findet die Presse bereitwillige Informanten. Und so entsteht ein oft verzerrtes Bild des KSK.
Gegendarstellungen gibt es aus Geheimhaltungsgründen nicht. Das ist dann auch ein Grund dafür, warum die Öffentlichkeit das KSK als Staat im Staat oder als abgekapselte Zelle innerhalb der Bundeswehr ansieht. Es ist nichts bekannt. Die Soldaten dürfen nichts erzählen. Noch nicht mal dann, wenn sie selbst Hilfe brauchen. Nach Einsätzen, in denen ihre Kameraden fielen, verwundet oder verstümmelt wurden. Sie dürfen darüber nicht mit ihren Familien reden. Nicht mit Freunden. Nicht mit anderen Soldaten. Noch nicht mal mit Ärzten. PTBS gibt es auch beim KSK. Zum Teil gehen die KSK-Soldaten in Behandlungen hinein und dürfen dem Arzt nicht sagen, warum sie Schlafstörungen haben. Das KSK kann also sich selbst auf ungerechtfertigte Angriffe nicht adäquat verteidigen, was mitunter schamlos ausgenutzt wurde.
Weiterhin ist das KSK stets einsatzbereit. Es muss aus dem Stehgreif in Einsätze gehen können. Das hat eine Daueralarmierung des Körpers zur Folge, die bewältigt werden will. Dies aushalten zu können, ist auch ein Bestandteil der langwierigen KSK-Ausbildung. Gut sein allein reicht nicht. Man muss auch diese ständig gelebte Einsatzbereitschaft „erleiden“ können. Davon redet niemand.
Die Soldaten des KSK haben in ihren Einsätzen viel gesehen. Haben kinderschändende Kriegsverbrecher in Bosnien aus ihren Schlupflöchern herausgeholt und der Justiz zugeführt. Haben in Afghanistan Höhlen durchkämmt. Auf der Suche nach bekannten Terroristen und flüchtigen Helfershelfern der 9/11-Mörder. Sie haben im Verbund mit anderen durchaus legendären Einheiten wie den britischen SAS, den US Special Forces und anderen Kommandokräften auf Augenhöhe mitgeholfen Soldaten und Bürger der internationalen Gemeinschaft zu unterstützen oder gar zu retten.
Oft unter erbärmlichen Bedingungen und an Orten, die selbst Extremabenteuerurlauber meiden. Teilweise sind diese Einsätze immer noch so geheim, dass die KSK-Soldaten auch nicht nach Jahren davon erzählen dürfen.
Sie können nicht wie andere zu Militärgeistlichen gehen. Oder zu Ärzten ihres Vertrauens. Sie haben nur ihre Kameraden. Und die müssen – wie sie – schweigen.
Das inoffizielle Motto des KSK ist: „Der Wille entscheidet“.
An dieser Stelle wäre dann auch der Wille der Berichterstatter zu hinterfragen, all die o.g. Punkte mit ins Kalkül ziehen zu wollen, wenn es um eine faire und neutrale Berichterstattung geht. Wo der Bürger wirklich über das informiert wird, was ist, nicht über das, was man denn gern hätte.
Natürlich wird es auch beim KSK schwarze Schafe geben. Ohne Frage. Mitunter sitzen diese schwarzen Schafe aber auch im Ministerium bzw. in den Redaktionen. Oder schreiben unsinnige Briefe.
Es ist in breiten Kreisen mehr als nur sexy geworden, Sicherheitskräfte zu diffamieren, zu verunglimpfen und als Müll zu bezeichnen. KSK, Bundeswehr, Polizei, Feuerwehr, Sanitäter, Notärzte und andere sind für uns da. Sie schaffen mit ihrem Willen zu helfen, entscheidende, oft lebensrettende Lösungen für uns. Sie helfen, schützen und retten. Selbst ihre schärfsten Kritiker.
Der Autor hat das der Ministerin zur Entscheidung zugrundeliegende Empfehlungsdokument zur Umgestaltung des KSK gelesen. Komplett. Mit Anschreiben von Herrn Zorn, dem Generalinspekteur. Es wimmelte nur so von unbewiesenen Behauptungen, einseitigen Entscheidungsalternativen und zum Teil auch nicht vorhandenen Zusammenhängen. Wenn es die Absicht des Ministeriums war, die Ausbildung von der Einsatzstruktur des KSK zu trennen, dann hätte das auch ohne diese krude Konstruktion des die Soldaten entehrenden Zusammenhanges mit Rechtsextremismus erfolgen können.
Bleibt nur zu hoffen, dass die Soldaten des KSK auch diesen Sturm überstehen und weiter unbeirrt ihrem Land dienen wollen.