Der Kommentar am Sonntag in DNEWS24.

Wenn es dem Bürger zu wohl wird. Gedankenmacher in DNEWS24

Wenn Errungenschaften zur vermeintlichen Selbstverständlichkeit werden, stellen manche Menschen das Erreichte in Frage. Keine gute Idee!

Die Kritik ist laut und nachhallend. Zu viel Bürokratie, zu viel Verschwendung, zu viel Einmischung, zu weit weg. Für viele Bürger ist die EU und ist die EU-Kommission ein rotes Tuch. In der EU ist die EU-Skepsis groß, besonders groß ist sie in Deutschland. Im Herbst 2023 sahen immerhin 17 Prozent der Bürger die EU negativ oder sogar sehr negativ.

Mindestens zwei Parteien werben mit ihrer EU-Ablehnung, die AfD und das BSW sehen in der Globalisierung und der EU den Grund für wesentliche Fehlentwicklungen in unserem Land.

Aber auch die anderen im Bundestag vertretenen Parteien erklären eigenes Versagen oft damit, dass sie ja leider nichts machen könnten, die EU sei Schuld.

Die wirklichen Zahlen geben keinen vernünftigen Grund für die EU-Skepsis. Jeder vierte Arbeitsplatz in Deutschland hängt am Außenhandel. Die Staaten der EU sind die Hauptabsatzmärkte für deutsche Produkte und Dienstleistungen. Deutschland ist im Welthandel die Nummer 3 und fast so bedeutend wie das viel bevölkerungsreichere China. Millionen Bürger reisen zum Urlaub nach Frankreich, Spanien, Polen, Dänemark oder Italien – ohne Grenzkontrollen, ohne lästiges Kopfrechnen bei der Währungsumrechnung. Innerhalb der EU gilt auch für viele der gleiche Kostenrahmen für die Mobil-Telefonie, ganz so, als ob man von Offenbach nach Aschaffenburg telefonieren würde.

Die Kritik an der EU ist auch politisch nicht gerechtfertigt. Die EU-Kommission wird in engster Abstimmung zwischen den gewählten Regierungen der Mitgliedsländer und dem frei gewählten EU-Parlament bestimmt. Wesentliche Entscheidungen fallen im EU-Rat, den die gewählten Regierungen der Mitgliedsstaaten bilden – vergleichbar mit dem Bundesrat in Berlin.

„Europa könnte sterben.“

Emmanuel Macron

Die EU muss weiter entwickelt und sie muss reformiert werden, damit die Mahnung des französischen Staatspräsidenten nicht wahr wird. Das Einstimmigkeits-Prinzip muss weg. Die Hoffnung, dass alle Regierungs-Chefs guten Willens seien und im Sinne des Großen und Ganzen entscheiden würden, hat sich leider nicht erfüllt. Beispiele sind Polen, die Slowakei und Ungarn, die erst viele Milliarden von der EU genommen haben, um ihre Länder auszubauen und zu modernisieren und nun Bremser des Fortschritts und Verhinderer von Reformen sind. Sie sind dies oft auch im Sinne des lupenreinen Anti-Demokraten Wladimir Putin im Moskauer Kreml.

Aber auch Deutschland, die deutsche Ampelregierung, legt Hand an die europäische Einigung. Schon der verstorbene Bundeskanzler Helmut Kohl war skeptisch, ob seine Nach-Nachfolgerin Angela Merkel die intellektuelle Kraft hätte, die Staaten-Union voranzutreiben. Hatte sie nicht, wie sich gezeigt hat. Sie ließ das Werben von Präsident Macron in seiner Rede an der Sorbonne 2017 einfach unbeantwortet, sie war auch nicht in der Lage, die Außengrenzen der EU zu schützen und die massenhafte illegale Migration zu verhindern. Olaf Scholz scheint an Außenpolitik wenig interessiert, er und seine Außenministerin Baerbock haben auch nach 30 Monaten Regierungsarbeit der Ampel wenig Erfolge bei der Integration Europas vorzuweisen. Alleingänge und durch vermeintliche Moral betonte Besserwisserei bei gleichzeitigem Verlust der ökonomischen Kraft wirken halt wenig überzeugend. Arroganz ist nicht attraktiv.

Die Bürger in Deutschland haben am 9. Juni 2024 die Gelegenheit, ein EU-Parlament zu wählen, das kraftvoll und konstruktiv die Europäische Union zu einer politischen, wirtschaftlichen und militärischen Einheit ausbaut. Das ist in einer krisengeschüttelten Welt dringend notwendig. Ein Dexit, wie ihn die AfD und zum Teil das BSW wollen, wäre eine Flucht aus der ökonomischen und machtpolitischen Realität und würde zu einer nicht wieder gutzumachenden ökonomischen Schwächung Deutschlands führen. Das können wir uns nicht leisten. Wir können es aber verhindern.

Europa wird nicht sterben, wenn wir es nicht wollen.


Bild: Markus Spiske, Henri Lajarrige unsplash

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Der Autor

Uwe-Matthias Müller ist Gründer und Vorstand des Bundesverband Initiative 50Plus, des Bundesverband Initiative 50Plus Austria und Sprecher des European Center of Competence for Demography.

Bis 1996 hat er mit seiner Frau und den beiden Töchtern in (West-)Berlin gelebt. Nach zwei Jahren im Ausland lebt er heute in Bayern.

Uwe-Matthias Müller kommt viel und gern nach Berlin. „Als Berliner auf Zeit geniesst man nur die Vorteile der Hauptstadt und kann die vielen Unzulänglichkeiten, unter denen die Bewohner täglich leiden, einfach ignorieren.“

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