Temporäre Mehrwertsteuersenkung

Renate Zott war erst Versicherungs-Maklerin und ist jetzt Managerin einer Haustechnik-Firma. Heute kommentiert sie die Tücken des Wumms-Programms zur Ankurbelung der Konjunktur.

Als ich am 12.06.2020 von der temporären Mehrwertsteuersenkung hörte, bin ich nicht in Jubelstürme ausgebrochen. Und zwar mit gutem Grund: ich habe meine Arbeit dahinter gesehen. Nun leite ich kein Kaufhaus mit 45.000 Artikeln, aber immerhin einen kleines Handwerksunternehmen, bei dem die Preise weder gewürfelt noch die Rechnungen in irgendeinem handgeschriebenen Format händisch in den Computer getippt werden. Tatsächlich gibt es eine spezielle Handwerkersoftware, die wir – wie übrigens viele unserer Kollegen aus dem Handwerk – seit Jahren nutzen und für die entsprechende Automatiken hinterlegt sind. So wie uns ging es nun tausenden Unternehmern, die dafür Sorge tragen mussten, dass binnen 3 Wochen alles umgestellt ist und auch, dass sich die Mehrwertsteuersätze zukünftig manuell ändern lassen, denn schließlich gilt es, nach Leistungsdatum abzurechnen. Zudem ist die Geschichte nicht von Dauer, denn vermutlich heißt es per 1.1.21 zurück auf alt. Was auch immer die Regierung sich dann einfallen lassen wird, es hat mich in meinem ohnehin angespannten Zeitplan Zeit gekostet, die ich eigentlich nicht hatte und Geld, das ich nun von Amts wegen ausgeben musste. Als Unternehmer muss man das nicht toll finden. Zum Glück arbeiten wir mit Externen, auf die man sich verlassen kann, wie auch sie sich auf uns verlassen können. Am 1.7.20 lief in unserem Hause also alles rund und ich kann jetzt mit den Mehrwertsteuersätzen spielen. Was mir die „Elster“ (= Online-Finanzamt) dann bei der nächsten Umsatzsteuervoranmeldung für ein Lied pfeift, da bin ich sehr gespannt…

Wie schön, sagen die einen. Muss das sein, fragen die anderen. Nun wird in Reportagen und Berichten analysiert, wie viel beim Verbraucher ankommt, vom Billiger-Kaufen und vom Konsum-Anreiz. Und da trifft man sie dann, die Jongleure, die ihre Waren im Internet anbieten und auch schon vor dem Spiel mit der Mehrwertsteuer jeden Tag andere Preise aufriefen. Andere locken mit 50% Rabatt, jedenfalls hängen große Schilder mit eben solchen Nachlässen in den Schaufenstern vieler ambulanter Geschäfte und als Kunde hat man keine Ahnung, ob das nun schon der Sommerschlussverkauf ist oder die Rabattmaßnahmen irgendwas mit der Mehrwertsteuer zu tun haben. Bei größeren Anschaffungen kann man sparen – wird gesagt – aber ob möglicherweise der Händler oder Hersteller seine Nettopreise vor der Umstellung um 3% erhöht hat? Ich habe keine Ahnung und weder Lust noch Zeit, entsprechende Recherchen zu betreiben. Bewusst habe ich persönlich noch nichts wahrgenommen, von den großen Ersparnissen. Nicht beim Brötchen, nicht auf dem Markt und auch nicht bei unserer sonntäglichen Standard Pizza – 4 a doppelt Käse + Zwiebeln – die sowieso jeden Sonntag einen anderen Preis hat. Und ganz ehrlich: es ist mir auch wurscht.

Glaubt man indes der laufenden Berichterstattung – die in der Hauptsache die Auswirkungen auf den Konsumenten betrachtet – ist die Sache mit der temporären Mehrwertsteuersenkung eine gute Idee. Schließlich soll die Wirtschaft angekurbelt werden. Die Menschen sollen kaufen. Da kommt negative Presse auch nicht so gut.

Bei dem schnellen Schuss geht vergessen, dass sich Softwarehersteller und eben auch die Unternehmer die Nächte um die Ohren geschlagen haben, um diesem allen binnen knapp 3 Wochen Rechnung zu tragen.

Es ist eben damit, wie mit vielem im Leben: einfacher gesagt, als getan.

Aktuelle INSA-Umfrage: Wer nutzt die verringerte Mehrwertsteuer für größere Käufe?

Die absolute Mehrheit der Befragten (75 %) plant nicht, aufgrund der verringerten Mehrwertsteuer in den nächsten sechs Monaten größere Käufe zu tätigen. Ein Zehntel (10 %) hat dies hingegen vor. 15 Prozent (kumuliert) wissen oder geben hier keine Auskunft. Frauen lehnen die Aussage leicht häufiger ab als Männer (78 zu 72 %) und befürworten sie entsprechend seltener (8 zu 13 %).

In sämtlichen Altersgruppen findet sich jeweils eine absolute Mehrheit, die nicht vorhat, wegen der verringerten Mehrwertsteuer in den nächsten sechs Monaten größere Käufe zu tätigen. Je älter die Befragten sind, umso stärker ist diese Ansicht ausgeprägt: Lehnen bei den jüngsten Befragten noch 63 Prozent die Aussage ab, tun es bei den ältesten bereits 85 Prozent. Umgedreht verringern sich mit steigendem Alter die Anteile derer, die der Aussage zustimmen, von 17 Prozent bei den 18- bis 29-Jährigen auf sechs Prozent bei den ab 60-Jährigen.