Streiks: Millionen kämpfen um ihre Existenz aber ver.di streikt für mehr Geld

Streiks in den Kitas, Schulen und im ÖPNV. Ver.di setzt den Bürgern die Daumenschrauben an. Und übersieht dabei das Wesentliche. Ein Kommentar von Sascha Rauschenberger.

Jeder will mehr Geld verdienen. Das ist generell so und das ist gut so. Und es ist auch in Ordnung, denn durch mehr Lohn wächst auch die Bereitschaft, mehr zu leisten. Der individuelle Wunsch, mehr haben zu wollen führt letztlich auch gesamtwirtschaftlich zu mehr Wachstum. So die Theorie, die interdisziplinär auch wissenschaftlich untermauert werden kann.

Unterschiedliche Einkommen für unterschiedliche Tätigkeiten beflügeln mitunter Neiddebatten. Sozialen Ausgleich sollen die Sozialpartner – Gewerkschaften und Unternehmens-Verbände – schaffen. Zurückhaltung bei Lohnforderungen führte in den letzten Jahren zu einem Wachstum der Wirtschaft. Davon profitierten alle Bürger. Schlechte Bezahlung ist nicht das Haupt-Problem im öffentlichen Dienst. Der öffentliche Dienst ist überaltert, nicht digitalisiert und in vielen Bereichen überbürokratisiert. Für diese Versäumnisse, die sehr schwer wiegen, können die Mitarbeiter im öffentlichen Dienst nichts. Wohl aber die Arbeitgeber und – auch die Gewerkschaften. Denn statt immer höhere Lohnforderungen zu erstreiten hatten sie viele Jahre Zeit und Gelegenheit, für bessere Arbeitsbedingungen zu kämpfen. Das aber ist nicht geschehen. Und so wird der demografische Wandel in den nächsten Jahren gerade im öffentlichen Dienst zu riesigen Personal-Lücken führen.

Während nun Millionen Arbeitnehmer in der privaten Wirtschaft Angst um ihre Jobs, um ihre wirtschaftliche Existenz haben, kommt ver.di mit Streiks für Arbeitnehmer mit sicheren Jobs um die Ecke. Der unkündbare öffentliche Dienst – und mit ihm Arbeitnehmer in kommunalen Unternehmen – probt die jährlich wiederkehrende Erpressung des Steuerzahlers, der sie finanziert. „Schwerpunktstreik“ heißt die Parole und meint die verkehrstechnische Stilllegung der immer gleichen Regionen in Deutschland. Die Schließung von Kitas, den Streik der Müllabfuhr, von Wasserwerken.

Wohlverstanden: es geht nicht darum, der Pflege-Kraft im Krankenhaus nicht einen fairen Lohn zu gönnen. Es geht um gesamtgesellschaftliche Solidarität und nicht um die verantwortungslose Durchsetzung von Einzelinteressen. Durch die Coronavirus-Pandemie erleben wir eine der schwersten Sozial- und Wirtschaftskrisen unseres Landes. In einer Situation wie dieser, die von uns allen viel verlangt, wäre mehr Sensibilität der Gewerkschafts-Funktionäre sehr willkommen.