Projekt Ruhestand

Wie gestaltet die Generation 60plus den Übergang in die Rente? Was planen ältere Menschen für ihre Zeit nach dem Erwerbsleben? Die Studie Transitions and Old Age Potential (TOP) hat das Leben von Menschen der Jahrgänge 1942 bis 1958 in den Mittelpunkt gestellt und nun die Ergebnisse aus sechs Jahren Forschung veröffentlicht.

In der Studie geht es um die Einstellungen, Absichten und Motive älterer Menschen beim Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand. Über 5.000 Personen wurden interviewt, und zwar dreimal innerhalb eines Zeitraums von sechs Jahren (Panelstudie). In der letzten Befragung von 2019 wurden zur Einschätzung des partnerschaftlichen Entscheidungsverhaltens zudem die jeweiligen Partnerinnen und Partner einbezogen. Die Datenbasis dieser Studie bietet eine wissenschaftliche Grundlage, um die Hintergründe zum Übergang aus dem Erwerbsleben in den Ruhestand besser verstehen zu können.

Immer mehr Menschen erreichen das Rentenalter

Gegenwärtig leben in Deutschland rund 17 Millionen Menschen, die älter als 66 Jahre sind. Aufgrund der demografischen Entwicklung wird die Zahl dieser Menschen in den kommenden Jahren weiter ansteigen: Mit der geburtenstarken Generation der Babyboomer, die in den 1950er und 1960er geboren wurde, werden in naher Zukunft jährlich mehr als eine Million Menschen das Ruhestandsalter erreichen.

Eintrittsalter in den Ruhestand ist angestiegen

Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wird das gesetzliche Renteneintrittsalter schrittweise auf 67 Jahre angehoben. Die Übergangsphase wird im Jahr 2030 mit dem Geburtsjahrgang 1964 abgeschlossen sein. Die längere Erwerbstätigkeit anstelle von Frühverrentungen, wie sie noch in den 1990er Jahren verbreitet waren, hat schon jetzt zu einem spürbaren Anstieg des durchschnittlichen Renteneintrittsalters geführt. 1970 lag das durchschnittliche Renteneintrittsalter bei Männern noch bei 65,2 Jahren, ehe es bis zur Jahrhundertwende auf 62,2 Jahre sank. Mittlerweile ist der Wert wieder auf 64,0 Jahre angestiegen. Bei den Frauen war das Ausgangsniveau in den 1970er Jahren deutlich niedriger als bei den Männern (63,3 Jahre); heute liegt das durchschnittliche Zugangsalter in die Altersrente mit 64,1 Jahren leicht über dem der Männer.

Dauer des Rentenbezugs hat sich kontinuierlich erhöht

Über die letzten Jahrzehnte hinweg hat sich die Bezugsdauer der Rente kontinuierlich erhöht. Alleine seit der Wiedervereinigung vor 30 Jahren stieg sie um knapp 5 Jahre an, wobei es erhebliche geschlechtsspezifische Unterschiede gibt. Bei Frauen kletterte der durchschnittliche Rentenbezug von 17,2 auf nunmehr 21,8 Jahre, bei Männern stieg sie im gleichen Zeitraum von 13,9 auf 18,1 an. Da die meisten Versichertenrenten bis zum Lebensende gezahlt werden, gilt die Zunahme der Lebenserwartung als entscheidende Ursache für den Anstieg der Rentenbezugsdauer. Allerdings spielt auch das Eintrittsalter in den Ruhestand eine wichtige Rolle. So ist der starke Anstieg der Bezugsdauer teilweise darauf zurückzuführen, dass viele Menschen schon vor der gesetzlichen Regelaltersgrenze in den Ruhestand gegangen sind.

Steigende Erwerbsbeteiligung älterer Menschen – und mehr Zweiverdienerpaare

Die Erwerbsbeteiligung älterer Menschen ist in den letzten Jahren beträchtlich gestiegen – bei Frauen sogar noch etwas stärker als bei Männern: So hat sich die Erwerbstätigenquote der 50- bis 69-jährigen Frauen zwischen 1996 und 2018 verdoppelt. Die gestiegene Teilnahme am Erwerbsleben hat gleichsam dazu geführt, dass in vielen Paaren beide Partner erwerbstätig sind: Unabhängig vom Arbeitsvolumen war im Jahr 1996 bei dieser Altersgruppe knapp jedes vierte ein Zweiverdienerpaar, 2018 war es bereits mehr als jedes zweite. „Wir beobachten einen ungebrochenen Trend zu Zweiverdienerpaaren, der bei einem moderat steigenden Renteneintrittsalter weiter anhalten wird“, analysiert Prof. Dr. Norbert Schneider die Daten.

Auffallend sind dabei regionale Unterschiede. Bei jedem vierten Paar unter den 50- bis 69-Jährigen leisteten beide Partner 30 oder mehr Arbeitsstunden pro Woche, was einer Vollzeiterwerbstätigkeit entspricht. Dabei ist der Anteil in den neuen Bundesländern mit 39 Prozent deutlich höher als in den alten Bundesländern mit 23 Prozent (rechte Abbildung). Der Unterschied zwischen Ost und West hat im Zeitverlauf sogar weiter zugenommen.

Altersunterschied ist entscheidend für einen gemeinsamen Ruhestandsübergang

Die zunehmende Verbreitung von Zweiverdienerpaaren hat auch Auswirkungen auf den Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand. Aus den Ergebnissen der TOP-Studie geht hervor, dass bei etwa der Hälfte aller Befragten der Mann zuerst in den Ruhestand gegangen ist (49 Prozent), bei 29 Prozent hingegen die Frau. Immerhin 21 Prozent der Befragten scheiden innerhalb eines Jahres aus dem Erwerbsleben aus.

Für einen gemeinsamen oder getrennten Übergang in den Ruhestand bildet der Altersunterschied der Partner eine wichtige Rahmenbedingung. Wenn Paare mit einem gewissen Altersabstand zeitgleich aus dem Erwerbsleben in den Ruhestand übergehen wollen, können sie dies erreichen, indem der jüngere Partner früher aus dem Erwerbsleben aussteigt und/oder der ältere Partner länger erwerbstätig bleibt. Im Alter von 50 bis 69 Jahren ist bei rund 42 Prozent aller Paare der Altersunterschied größer als 3 Jahre – und damit jedenfalls ein Kriterium, das einen gemeinsamen Renteneintritt unmittelbar beeinflusst.

Während 33 Prozent der Paare einem gemeinsamen Ruhestandsübergang keine große Bedeutung zumessen, geben in etwa gleich viele an (32 Prozent), dass ihnen dies wichtig ist. Bei den restlichen 35 Prozent ist es nur einem der beiden Partner wichtig. Das wiederum ist jedoch eine entscheidende Vorbedingung, denn nur wenn der gemeinsame Übergang wichtig ist, steigt auch die Wahrscheinlichkeit einer entsprechenden Umsetzung. „Der Übergang in den Ruhestand wird durch das veränderte Erwerbsverhalten zunehmend zu einer Gestaltungsaufgabe für beide Partner“, folgert Dr. Laura Konzelmann vom BiB aus den Ergebnissen.

„Spaß an der Arbeit“ als wichtiges Motiv für Erwerbstätigkeit im Ruhestand

Die Gründe für eine Weiterbeschäftigung im Ruhestandsalter sind vielfältig – und unterscheiden sich in vielerlei Hinsicht. Frauen nennen mit weitem Abstand den „Spaß an der Arbeit“ (44 Prozent), den sie damit verbinden. An zweiter Stelle folgt der monetäre Aspekt des Geldverdienens (21 Prozent) sowie der soziale Kontakt zu anderen Menschen (14 Prozent) auf Rang 3.

Bei Männern sind es dieselben Gründe wie bei den Frauen, allerdings in einer anderen Reihenfolge und mit einer anderen Gewichtung: Hier rangiert der Kontakt zu anderen ganz oben (22 Prozent), dann folgen der Verdienst (16 Prozent) sowie der Spaß an der Arbeit (14 Prozent). Menschen im Rentenalter sind in vielerlei Bereichen aktiv. Sie bringen sich beispielsweise im Ehrenamt ein oder übernehmen Betreuungsaufgaben innerhalb der Familie. „Es gilt, frühzeitig die Voraussetzungen für die Vereinbarkeit unterschiedlicher Tätigkeiten im Rentenalter zu schaffen“, meint Dr. Andreas Mergenthaler vom BiB.