Powerfrauen. – Ein Kommentar von Renate Zott

Ende vergangenen Jahres erreichten mich ein paar Zuschriften mit der Bitte, doch mal einen Artikel zum Thema Powerfrauen zu schreiben. Ich freue mich immer über Anregungen und diese hat ehrlich gesagt eine Lawine von Überlegungen bei mir losgetreten.

Quasi zeitgleich hat mir die Presse eine Reihe von Berichten zum Thema serviert. Lady of the Year 2018 (Michelle Obama, gekürt von der MEINS – Powerfrauen in den Chefetagen usw.) Ich hatte also eine Menge zu lesen und zu denken – über die POWERFRAUEN.

Und wer jetzt spekuliert, welche von den großartigen Damen ich mir ausgesucht habe liegt völlig falsch, denn ich stehe auf dem Standpunkt, dass wir uns mit dieser Bezeichnung keinen Gefallen tun. Mehr noch, es ist bei genauerer Betrachtung ein sprachliches No-Go.

Powerfrauen und wie heißt dann der Rest?!

Damit will ich gar nicht in Abrede stellen, dass Frauen eine Menge Power haben. Es gibt gleichermaßen Männer mit ebenso viel Power, die deswegen nicht Powermänner heißen. Folglich gehen wir offenbar davon aus, dass Männer grundsätzlich stark sind, aber eben nicht alle Frauen.

.

Und da liegt der Haken. Wenn wir Gleichstellung und Gleichbehandlung wollen, sollten wir dringend aufhören, in Kategorien zu denken. Worte haben Kraft und formen neue Realitäten. Powerfrauen, Mompreneur, Working-Mom sind Unworte für Frauen, denen wir bestimmte Fähig- und Tätigkeiten zuordnen und sie damit in verschiedene Schubladen toller Frauen stecken. Aber was ist dann mit dem Rest. Sind das dann die Schwachen?! Also doch das schwache Geschlecht?! Und führen solche Klassifizierungen bei all den Frauen und Müttern da draußen dazu, dass man sie ernster nimmt, Care-Arbeit besser anerkannt und im besten Fall vergütet wird? Nein.

Schicke Worte und falsche Signale

Solange wir diese Inszenierung nicht lassen und mit solchen Trend-Wort-Schöpfungen inflationär umgehen, werden wir die geschlechterspezifischen Ungleichheiten nicht loswerden, davon bin ich überzeugt.

Ob ich gegen Emanzipation bin oder gar eine Frauen-zurück-an-den-Herd-Mentalität vertrete, die unter jungen Leuten offenbar wieder im Kommen ist? Nein, da kann ich jeden beruhigen. Das Gegenteil ist der Fall.

Ich bin sehr für Gleichbehandlung, Gleichbezahlung und auf dem Papier haben wir die bei uns. Aber auch in diesem Jahr spielt es nach wie vor eine Rolle, ob wir als Mann oder Frau auf die Welt kommen. Noch immer haben wir Unterschiede in der Vergütung, in der Behandlung und Wertschätzung von Haushalts- und Familienarbeit. Noch immer sind von Altersarmut mehr Frauen als Männer betroffen und auch nach Scheidungen geraten mehr Frauen als Männer in finanzielle Schräglage. Wir müssen also weiter auf bessere, d.h. gleiche Bedingungen hoffen und uns im besten Fall gemeinsam dafür stark machen. Allerdings hege ich in diesem Punkt meine Zweifel. Wir Mädels können uns in vielen Bereichen aufeinander verlassen, können Lippenstifte tauschen und auf die andere aufpassen, wenn das Klo mal wieder nicht abschließbar ist. Wir halten selbstverständlich auch zusammen, wenn es um sexuellen Missbrauch, Po-Tatscher, Busen-Grabscher – also die #metoo Bewegung im weitesten Sinne – geht. Soweit so gut. Wenn es aber darum geht, für ebenso existentiell wichtige Ziele zu kämpfen, Politik zu fordern, zu protestieren und sich gemeinsam zu engagieren, dann ist es nicht so, dass wir uns gelbe Westen überstreifen und auf die Straße gehen. Dabei wäre der Zeitpunkt für eine Frauen-Renten-Debatte (beispielsweise) ideal. Zumindest wäre es ein Anfang. Die Steilvorlage hat uns in diesen Tagen Bundesarbeitsminister Heil geliefert. Immer wieder wird sein Beispiel der Friseurin, die 40 Jahre lang auf Mindestlohnbasis gearbeitet hat und nun 514 EUR Rente bekommt, zitiert. Und vermutlich hat sie in diesen 40 Jahren nicht nur Haare geschnitten, gefärbt und geföhnt und vom Stehen Krampfadern bekommen, sondern auch Kinder großgezogen und den Haushalt erledigt. Auch Powerfrau? Zumindest entspricht sie der Definition laut Duden: >Tüchtige Frau voll Kraft und Stärke<. Oder etwa nicht? Unwürdig findet Herr Heil das und ich auch. Frauen wie sie, die ihr Leben lang im Niedriglohnsegment arbeiten oder gearbeitet haben gibt es zu Hauf, aber still sind sie. Schlucken die Ungerechtigkeiten und haben ganz andere Sorgen als jene, die an der anderen Ecke stehen und sagen: Augen auf bei der Berufswahl. Kann ja nicht jeder Banker, Broker oder Arzt werden. Und wer überhaupt, soll dann Haare schneiden, Brot verkaufen oder Kranke pflegen?!

Der Leidensdruck fehlt

Wenn wir Frauen wirklich etwas ändern und mehr Gleichstellung durchsetzen wollen, haben wir noch ein großes Stück Arbeit vor uns. Und klar muss es dazu auch Frauen geben, die vorangehen, die Interessen für andere Frauen vertreten, Symbolkraft und Außenwirkung haben. Gemeint sind also jene Damen, die aufgrund ihrer gesellschaftlichen, beruflichen, politischen oder medialen Stellung gehört, gesehen und ernst genommen werden.

Ob wir sie nun als Powerfrauen bezeichnen oder nicht – all die gemeinen Wörter im schönen Gewand werden uns nicht helfen und auch nicht die Egoismen, Rivalitäten, Neid und Konkurrenzdenke, die insbesondere uns Frauen oft das ein oder andere Bein auf dem Weg stellt.

Am Rande: das Wort Workaholic gibt es nur in der männlichen Form. Muss mich das beruhigen?

Die Autorin Renate Zott

Renate Zott wohnt in Frankfurt am Main und ist aktive Kämpferin für ein positives Altersbild. Renate Zott, erst Versicherungs-Maklerin und jetzt Managerin einer Haustechnik-Firma, ist verheiratet und Mutter eines erwachsenen Sohnes.

Renate Zott ist Botschafterin des Bundesverband Initiative 50Plus und Kreis-Geschäftsführerin des BVI50Plus in Frankfurt am Main.

Sie betreibt den Blog www.topagemodel.de. Renate Zott ist auch bei Facebook und Instagram.