„Lebensflecken“ – unplugged

Altersbild – was für ein hölzernes Wort. Altersgefühl trifft es besser. Genauso ist es mit Altersflecken; warum nicht Lebensflecken? Von Petra Fritz

Braune Flecken im Gesicht, auf dem Dekolleté, Händen oder Unterarmen? Bei manchen zeigen sie sich schon ab dem 40. Lebensjahr und spätestens ab 60 muß sich wohl jeder damit abfinden. Ich habe bisher nur eine Stelle auf der oberen Wange, was sich mit einem Abdeckstift und/oder Makeup leicht kaschieren läßt. So ist das Leben.

Altersflecken

In der Regel sind die klassischen Altersflecken (medizinisch Lentigines genannt) harmlos und nicht gesundheitsschädlich. Ein Kontrolltermin beim Hausarzt kann darüber Klarheit verschaffen. Manche sind nur Stecknadelkopf groß, andere mehrere Zentimeter.

Im Gegensatz zu Sommersprossen verblassen sie im Winter kaum. Sie bilden sich meist zuerst an den Händen und im Gesicht, weil sie eine Art Pigmentstörung sind, die im Zusammenspiel mit UV-Licht entsteht bzw. Spätfolgen von zu viel Sonne sind.

Natürlich sollte man im Alter weiterhin die Sonne genießen, denn teils sind Altersflecken auch eine genetische Prädisposition und Körper bzw. Hypophyse brauchen das Sonnenlicht zum Anschub des Immunsystems und weiterer lebenswichtiger chemischer Prozesse. Allerdings sollte man verstärkt auf den richtigen Sonnenschutz achten.

Wer Altersflecken optisch als sehr störend empfindet, kann sie mittels Laser oder Peeling entfernen lassen. Das ist mir bisher zu invasiv und die damit verbundene vorübergehende Grindbildung zu unschön. Hin und wieder benutze ich daher eine sanfte Bleichcreme z.B. mit hochkonzentrierter Fruchtsäure oder stärkeren Säuren wie Trichlor-Essigsäure. Da ich bei der Anwendung nicht konsequent genug bin, verschwindet die kleine Stelle nicht ganz, sie wird nur (vorübergehend) blasser und fühlt sich glatter an. Mir genügt das.

Koordinationsflecken

Aber ganz ehrlich, was mich nachhaltiger stört, sind eher gewisse „Koordinations- und Konzentrationsflecken“. Von „Seelenflecken“ ganz zu schweigen. Was ich damit meine?

Manchmal komme ich mir wie ein Tollplatsch vor, obwohl ich immer eine extrem ruhige Hand hatte. Egal, ob beim Zähneputzen, beim Kochen oder Essen, schwups, schon ist die Zahnpasta abgestürzt und sind Herdplatte oder Tischdecke bekleckert. Liegt das an der Alltagshektik, man macht diese Handgriffe doch seit Jahren? Vielleicht ist es gerade die ewige Routine, die uns zu unaufmerksam werden läßt. Ein Großteil davon dürfte jedoch auf die nachlassende Koordinations- und Konzentrationsfähigkeit zurückzuführen sein. Besonders peinlich wird es, wenn das Ganze in der Öffentlichkeit, z.B. im Rahmen einer Einladung passiert. Da hat man sich zwar die Servierte elegant auf den Schoß gelegt, die Soße tropft aber genau daneben auf die Hose und hat bereits weiter oben die Bluse gestreift. Oder man stößt gar ein Rotweinglas um und beschädigt damit Sofa und Teppich des Gastgebers. In der Konsequenz bedeutet dies zusätzliche Reinigungsarbeit und manchmal ist ein gutes Stück gar dauerhaft ruiniert. Dann kommen auch noch „Kostenflecken“ im Geldbeutel hinzu.

Oder man denke nur an „Loriots Nudel“ am Kinn. Da hängt sie im Bart und wandert zur allgemeinen Belustigung auch noch weiter. Keiner sagt etwas (oder weiß, wie er es diskret sagen soll) und man selbst spürt es zunehmend weniger. Oft habe ich auch den Eindruck, man verschluckt sich schneller, weil der Reflexmechanismus bzw. der Deckel zwischen Luft- und Speiseröhre immer langsamer schließt, oder so ähnlich.

Auch mit der Konzentration hapert es täglich mehr, mal davon abgesehen, daß man in Sekunden durch die kleinste Ablenkung vergessen hat, was man eigentlich tun wollte. Multitasking ade. Da will man nur schnell (ohne Brille) mit der Hand ein Glas ausspülen und rums, hat man die Spülbecken- oder Schrankkante damit angehauen. Geht es dann zu Bruch, hat man auch noch Mehrarbeit, gerät erst recht in Zeitverzug und verletzt sich im schlimmsten Fall auch noch, etc. etc. Dasselbe gilt erst recht, wenn man die Tür- oder Tischkante mal wieder zu schnell genommen hat. Schmerzende und unschöne blaue, immer länger anhaltende, Flecken an Ellenbogen oder Oberschenkeln sind da vorprogrammiert.

Was kann helfen? Entwickelt man sich in den Kleinkindstatus zurück und braucht bald ein Lätzchen? Immerhin, eine elegante Version davon wurde mir bereits vor Jahren im Bistro von Bocuse in Lyon gereicht. Dabei handelte es sich um eine 40 x 40 Zentimeter große weiße Damast-Servierte, die am oberen Zipfel ein kleines Loch hatte, um sie in einen Blusen- oder Hemdenknopf einzuhängen.

Wahrscheinlich muß man sich wohl einfach eingestehen, daß alles nicht mehr so flink und reibungslos geht wie früher. Da hilft im Zweifelsfall kein Schönreden. Einfach mehr Zeit einplanen und bewußter handeln. Beim Rennen oder längeren Treppengängen nicht an anderes denken, wie, was sein wird, wenn ich den Zug verpasse, sondern sich sagen: „Ich gehe jetzt Treppen“. Diesen Tipp gab mir mal eine langjährige Stewardess.

Ich weiß dies alles und Sie wissen es sicher auch, aber sich daran zu halten und zu vergegenwärtigen fällt schwer, weil es sich auch ein Eingestehen des Alters bedeutet.

Seelenflecken

Leider gibt es für mich auch noch eine „Fleckensteigerung“, die sog. „Seelenflecken“. Da hat man sich besonders beeilt es jedem recht zu machen, und dann „erntet“ man auch noch Undank oder erfährt gar Häme.

Ich erinnere mich gut an einen Mitarbeiter, der nach einer langen Sitzung nachts noch die 250 Kilometer nach Hause fahren wollte, um der Firma Hotelkosten zu sparen und am Wochenende für die Familie da zu sein. Dort kam er – wohl wegen Übermüdung – nie an und hatte einen schweren Unfall. In der Firma zeigten nur wenige Mitleid, die Mehrheit hatte nur Hohn und Spott; war der „Versager“ doch zu dumm oder nicht mehr leistungsfähig genug, um heil nach Hause zu kommen.

Andererseits mag man sich – zu recht oder unrecht – das ein oder andere Mal auch umgekehrt verspätete Vorwürfe machen, eine Situation falsch eingeschätzt und einem Mitmenschen in Not nicht ausreichend geholfen zu haben. Ich persönlich hoffe, nie in die Situation zu kommen, eine mögliche Suizidgefährdung nicht zu erkennen.

Aber auch harmlose Dinge können jahrelang belasten und zur Erosion eines Vertrauensverhältnisses führen. Es ist fast 40 Jahre her. Gerade waren an der Uni die Prüfungsergebnisse angeschlagen worden, als ich zufällig einen Freund der Familie traf. Dieser überraschte mich mit der Aussage, daß er gerade meinen Vater am besagten Aushangbrett getroffen habe. Damals gab es noch kein Handy und ja, ich hatte bestanden, aber offensichtlich wollte sich mein Vater davon persönlich überzeugen. Dieses Vertrauensdefizit hat mich lange beschäftigt und war meinem Vater, der selbst Chemie studiert hatte, unwürdig.

Für solche Seelenflecken gibt es keine einschlägige Behandlung, sie bleiben und prägen unter Umständen das ganze weitere Leben. Enttäuschungen lasten schwer auf der Seele und jeder muß letztlich einen Weg finden damit umzugehen, d.h. individuell traumatische Erlebnisse für sich zu verarbeiten. Der schnelle Griff zur „Glücklich-Pille“ sollte dabei unbedingt das letzte Mittel der Wahl sein.

Gerade die letzten 12 Monate der Corona-Krise haben das Alltagsleben nicht einfacher gemacht. Man sollte sich aber nicht „jeden Schuh anziehen“ und allen mit Meinung und Tat gefallen wollen. Man kann es nicht jedem recht machen, dann bleibt man selbst auf der Strecke. Vor allem sollte man es sich selbst recht machen und darf durchaus eine andere Meinung vertreten. Lassen Sie sich nicht den Egoismus-Vorwurf einreden, jeder braucht ein Quantum Selbstschutz.

Man kann anderen – bei Bedarf und so sie es wünschen – nämlich nur dann maßgeblich weiterhelfen, wenn man selbst psychisch ausgeglichen, körperlich stabil Ist und reflektiert handelt. Sich jemanden im Gespräch oder anderweitig aufzudrängen, nur um selbst Frust abzulassen, ist eher kontraproduktiv.

In diesem Sinne: der „Fleckenteufel“ lauert überall, zeigen sie ihm rechtzeitig und bewußt die „Rote Karte“.

Die Autorin

Petra Fritz ist von Beruf Dipl-Kfm (Uni Mannheim), Jahrgang 1960, verheiratet, wohnhaft in Speyer am Rhein. Sie war 4 Jahre Personalleiterin bei den US- Streitkräften (AAFES) in Stuttgart und Heidelberg, in Folge 12 Jahre tätig im Pharma-Management von BASF (Auslandsvertrieb), davon 18 Monate bei der Tochtergesellschaft Quimica Knoll in Mexico.

Seit 2002 ist Petra Fritz selbständige rechtliche Berufsbetreuerin (Vormund) und Verfahrenspflegerin für die Amtsgerichte Speyer, Ludwigshafen und Germersheim (teils ehrenamtliche Fallberatung).

Privat war Petra Fritz Leistungssportlerin im Eis- und Rollkunstlauf (u.a. Profi-WM 1978 und 1979), später 14 Jahre lang Vize-Präsidentin des Rheinland-pfälzischen Eis- und Rollsportverbandes sowie Repräsentantin „Frau im Sport“. Heute ist sie in der Freizeit gerne auf dem Wasser und auf Ski unterwegs. Ansonsten vielseitig interessiert und seit 2012 auch wieder semi-professional als Bestager-Model, Darstellerin, Moderatorin und Bloggerin für „Topagemodel.de“ tätig.