Kultur-Tipp: Amphitryon an der Schaubühne Berlin
Die beste Inszenierung von Herbert Fritsch an der Schaubühne
Ohne zu übertreiben darf behauptet werden, dass der Schauspieler und Dramatiker Moliere (eigentlich Jean-Baptiste Poquelin, *1622 – †1673) neben William Shakespeare der wohl bekannteste und erfolgreichste Bühnenautor der letzten 400 Jahre ist. Gerade seine Komödien sind quasi ein Erfolgsgarant für jedes Theater, die Stücke wie „Tartuffe“, „Der eingebildete Kranke“, „Der Geizige“ und „Don Juan“ finden sich im Repertoire fast aller großer Bühnen im europäischen Raum. Das Stück „Der Menschfeind“ mit Ulrich Matthes in der Hauptrolle läuft zurzeit überaus erfolgreich im Deutschen Theater – jede Vorstellung ist ausverkauft.
Der besondere Kick bei Molière ist wohl, dass seine Stücke nicht nur lustig, sondern auch intelligent sind. Die Figuren sind präzise durchdacht, die Handlung hat einen schnellen Rhythmus und die Situationskomik passt in jede Zeit hinein. Egal ob wir das Jahr 1668 (Urauffführung), das Jahr 1768, 1868, 1968 oder 2019 schreiben:
Der Zuschauer versteht auf Anhieb worum es geht und kann die Reaktionen der Darsteller nachvollziehen. Es handelt sich sozusagen um universelle Verhaltensweisen des Menschen, die sich wohl nie verändern werden – genau wie bei den Komödien von Shakespeare (*1564 – †1616).
So sitzen wir als Zuschauer, wie schon vor 400 Jahren, auf unseren Theaterstühlen und warten gespannt auf das, was kommen mag.
Handlung
Aus der griechischen Mythologie: Der Feldherr Amphitryon kehrt aus einer erfolgreichen Schlacht gegen die Athener nach Theben zurück, wo er sehnsuchtsvoll zu seiner jungen Frau Alkmene läuft, die er erst vor kurzem geheiratet hatte. Doch zu seinem Erstaunen erzählt sie ihm begeistert von ihrer gestrigen gemeinsamen Liebesnacht, während er allerdings noch auf dem Schlachtfeld weilte. Es stellt sich heraus, dass Göttervater Jupiter sich als Amphitryon verkleidet die schöne Alkmene verführte. Erst nach einigen Verwirrspielen kommt die Wahrheit zur Verblüffung aller ans Licht.
Kritik
Eifrige Theatergänger kennen die Werke von Herbert Fritsch nur allzu gut. Zunächst als Schauspieler unter Frank Castorf an der Volksbühne Berlin tätig, entwickelte er seine eigenen Theaterstücke, die immer eine Verbindung von Drama, Kunstperformance und Musikdarbietung sind.
Stücke, wie „Murmel, Murmel“, „Ohne Titel Nr.1„, „der die mann“oder „Pfusch“sind geniale Bühnenarbeiten voller Einzigartigkeit.
Manchmal übernimmt Herbert Fritsch auch Auftragarbeiten, indem er als Regisseur für die Inszenierung eines bereits existierenden Werkes engagiert wird. Wie z.B. für „Don Giovanni“ an der Komischen Oper 2014. Doch besser finde ich Herbert Fritsch meistens mit seinen eigenen Werken.
Für die Schaubühne Berlin, an die Herbert Fritsch nach dem Ende der Ära Castorf gewechselt war, sollte nun die Komödie „Amphitryon“ einstudiert werden.
Wobei sich sogleich die Frage stellt: Wird es mehr ein Herbert Fritsch oder mehr ein Molière?
Um gleich die Antwort zu geben: Es wurde Beides! Ohne den einen oder den anderen dabei allzu sehr aufzugeben.
Wie immer bei Herbert Fritsch wurde es bunt (das Farbspektrum der Bühnengestaltung und der barocken Kostüme wurde leidlich ausgeweitet), schrill (durch weit überzogenes Spiel, Mimik und Aussprache) und musikalisch.
Pianist und Kompositeur Ingo Günther in Verbindung mit der japanischen Xylophon-Spielerin Taiko Saito spielten die Begleitmusik zur Komödie, so, wie vor 100 Jahren die Pianisten neben der Leinwand die Stummfilme begleiteten.
Die Höhepunkte wurden durch Tastaturkaskaden betont und leise Momente durch leichtes Zirpen eines Geigenbogens.
In der Sprache blieb Herbert Fritsch erstaunlich nahe am Original von Molière, was sicher eine gute Entscheidung war, denn in den wenigsten Fällen mit neuzeitliche Texten wird das Niveau des ursprünglichen Autors erreicht.
Neben der üblichen „Fritsch- Gang“ um Florian Anderer, Werner Eng, Carol Schuler und Annika Meier (siehe „der die mann“) und Bastian Reiber (siehe „Null“von 2018) kamen dieses Mal noch Joachim Meyerhoff dazu.
Joachim Meyerhoff, gefeierter Burgtheaterschauspieler, zweimaliger Gewinner des „Schauspieler des Jahres“und seit dieser Spielzeit im Ensemble der Schaubühne, war im Zusammenspiel mit Bastian Reiber das Highlight des Abends.
Beide, Joachim Meyerhoff wie auch Bastian Reiber, spielen den Sosias, den Diener des Amphitryon. Der eine, gespielt von Joachim Meyerhoff, ist der echte, während der andere, gespielt von Bastian Reiber, eigentlich Merkur ist und sich nur in die Gestalt des Sosias verwandelt hat, um die Liebesnacht des Jupiters mit Alkmene vorzubereiten.
Schauspielerisch geben sich beide nichts; Meyerhoff, mit seinen riesigen blauen Augen, die verzweifelt sein unechtes Alter Ego betrachten, fand ich persönlich noch einen Tick besser.
Fazit: Ein neues Highlight für die Schaubühne! Witz, Schauspielkunst und musikalisches Vergnügen bereiten dem Zuschauer einen mitreißenden Abend.
„Amphitryon“ von Molière
Premiere war am 13.10.2019
Schaubühne Berlin
Regie und Bühne: Herbert Fritsch, Kostüme: Victoria Behr, Musik: Ingo Günther, Dramaturgie: Bettina Ehrlich, Licht: Erich Schneider
Mit Florian Anderer (der echte Amphitryon), Axel Wandtke (Jupiter), Werner Eng (die Nacht), Annika Meier (Alkmene), Joachim Meyerhoff (Sosias), Bastian Reiber (Merkur), Carol Schuler (Cléanthis).
Nächste Termine: 20. und 31. Oktober, 1., 2., und 3. November 2019
Mit freundlicher Genehmigung von Kultur24-Berlin.de.