Jetzt wollen Kommunal-Politiker zum Selbstschutz greifen
Das staatliche Gewaltmonopol soll den Krieg aller gegen alle bei der Durchsetzung von privaten und politischen Interessen verhindern. Wie sieht die Realität heute aus? Ein Situations-Bericht aus Köln-Porz von Sascha Rauschenberger.
Jeden Tag in jeder großen Stadt in Deutschland:
18.00 Uhr: Feuerwehrmann außer Dienst attackiert. Ein Feuerwehrmann in ziviler Kleidung ist in der U-Bahn von mehreren Jugendlichen beschimpft und geschlagen worden. Die Polizei nahm vier Verdächtige fest.
20.15 Uhr: Am Bahnhof München-Pasing: Jugendliche traktieren wehrlose Frau (43) – Polizei kommt zufällig vorbei. Drei 16-Jährige haben am Freitag eine 43-Jährige im Bahnhof Pasing attackiert.
Angriff auf Güterzug in Augsburg: Lokführer wird mit Laserpointer attackiert
In der Garage der Polizeigewerkschaft in Berlin wurde ein Anschlag auf ein Fahrzeug verübt. Im Internet bekennen sich Linksautonome zu der Tat.
Anschlag auf das Büro von SPD-MdB Karamba Diaby
Rottweil: Angriff im Jobcenter – Mann geht mit Messer auf Mitarbeiterin los und verletzt sie schwer
Die offizielle Kriminal-Statistik klingt nicht beunruhigend. Aber das Sicherheits-Gefühl der Bürger in Deutschland hat massiv gelitten. Viele fühlen sich bedroht und unwohl. Noch immer gibt es zum Beispiel keine bundesweit einheitliche Statistik zu Übergriffen mit Messern. Lediglich einzelne Bundesländer, wie NRW, nennen Fakten. Im größten Bundesland wurden im Jahr 2019 insgesamt 6827 Fälle erfasst, in denen als Tatmittel ein Messer eingesetzt wurde. Es gab 6736 Tatverdächtige, von denen 2645 nicht die deutsche Staatsangehörigkeit haben. Der Anteil der Zuwanderer an dieser Gruppe beträgt 39,8 Prozent (1052). 4091 der Tatverdächtigen waren Deutsche. Die nächst größeren Gruppen sind Türken (436), Syrer (364), Polen (132), Rumänen (123), Afghanen (123), Serben (110) und Iraker (105).
Es ist unverständlich warum es so scheint, als ob immer mehr Polizisten, Feuerwehr-Angehörige, Sanitäter und Hilfskräfte angegriffen und herabgewürdigt werden. 2018 hat es bundesweit 700 registrierte tätliche Angriffe auf Rettungskräfte gegeben. Davon gab es 580 Übergriffe auf Männer und 120 auf Frauen; Tendenz steigend. Gerade in ländlichen Gebieten sind es häufig bürgerschaftlich Engagierte, die im Sine des Gemeinwohls tätig werden. Dass die keinen Respekt mehr geniessen und ihre Arbeit nicht unbelöstigt erledigen können, ist kein gutes Zeichen für unsere Gesellschaft.
Politisch motivierte Kriminalität wird zum fassbaren Problem
Das Bundeskriminalamt hat für 2018 36.062 politisch motivierte Straftaten erfasst.
Damit befindet sich die politisch motivierte Kriminalität auf dem dritthöchsten Stand seit Einführung dieser Statistik im Jahr 2001. Bundesinnenminister Horst Seehofer erklärte dazu: „Die politisch motivierte Kriminalität bewegt sich weiterhin auf hohem Niveau. Wir haben allen Grund, wachsam zu bleiben. Der Rechtsstaat wird auch in Zukunft mit allen Mitteln gegen jede Form politisch motivierter Kriminalität vorgehen.“
Die Straftaten im Phänomenbereich PMK -rechts- bleiben mit 20.431 registrierten Taten auf Vorjahresniveau (2017: 20.520) und machen weiterhin die Hälfte aller registrierten Straftaten aus.
Zurückgegangen sind die Angriffe auf Asyl- und Flüchtlingsunterkünfte. Gegenüber dem Vorjahr ist ein Rückgang auf 173 Straftaten zu verzeichnen (2017: 312). Damit hat sich der seit Februar 2016 rückläufige Trend weiter fortgesetzt und die Zahlen liegen sogar wieder unter dem Niveau des Jahres 2014. „Die Zahl der Übergriffe auf Flüchtlinge ist gesunken. Besonders deutlich wird dies bei den Angriffen auf Asylunterkünfte: Hatten wir im Jahr 2016 noch 995 Angriffe, waren es im Jahr 2018 nur noch 173, also ein Rückgang um über 80 Prozent in zwei Jahren.“, so der Bundesinnenminister Horst Seehofer.
Die Zahl der Straftaten im Phänomenbereich PMK -links- sind im Vergleich zum Vorjahr (2017: 9.752) um mehr als 18 Prozent auf 7.961 Taten zurückgegangen. Von 1.340 Gewaltdelikten im Phänomenbereich „Links“ waren 815 gegen die Polizei gerichtet. Ein großer Anstieg linksmotivierter Straftaten war im Zusammenhang mit den Klimaprotesten im Kontext „Hambacher Forst“ zu verzeichnen. Bundesinnenminister Horst Seehofer erklärte dazu: „Gewaltsame Angriffe gegen Polizeibeamte oder Andersdenkende haben mit Versammlungs- oder Meinungsfreiheit nichts zu tun. Der Rechtsstaat wird auch in Zukunft sein Gewaltmonopol durchsetzen und Straftaten konsequent verfolgen.“
Im Phänomenbereich PMK -ausländische Ideologie- haben sich die Fallzahlen im Vergleich zum Vorjahr mehr als verdoppelt auf 2.487 Straftaten. Den quantitativen Schwerpunkt bilden Straftaten mit Türkeibezug. Die türkische Militäroffensive in Afrin hat zu einem deutlichen Anstieg versammlungstypischer Straftaten, aber auch davon losgelöst zu Straftaten gegen türkische Einrichtungen in Deutschland geführt. Mit dem militärischen Vorgehen der Türkei wurden „die Kurden“ stärker als in der jüngeren Vergangenheit in den Augen der Öffentlichkeit als Opfer wahrgenommen. Trotz dieser sensiblen außenpolitischen Situation bleibt die langfristige ganzheitliche Bekämpfung der in Deutschland trotz des hier vorliegenden Betätigungsverbots weiterhin agierenden Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) oberstes Ziel. „Deutschland ist Resonanzboden von Konflikten in der Welt, insbesondere in den Krisenregionen im Mittleren und Nahen Osten. Deswegen wird der Staat auch weiterhin alles tun, damit ausländische terroristische oder extremistische Organisationen Deutschland nicht als Aktionsfeld nutzen. Das gilt auch und gerade für die PKK.“, so der Bundesinnenminister.
Die Fallzahlen im Phänomenbereich PMK -religiöse Ideologie- sind im vergangenen Jahr um knapp 50 Prozent auf 586 Straftaten (2017:1.012) zurückgegangen. Schwerpunkt bilden weiterhin Taten mit islamistischem Hintergrund. Trotz der rückläufigen Fallzahlen ist weiterhin davon auszugehen, dass die Bundesrepublik Deutschland im Blickpunkt islamistischer Terroristen steht und dass vom islamistischen Terrorismus eine große Gefahr für die Innere Sicherheit ausgeht. Dies machen nicht zuletzt die im Jahr 2018 verhinderten Anschläge bzw. Anschlagsplanungen deutlich.
Der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, erklärte: „Es ist eine gute Nachricht, dass die Fallzahlen der politisch motivierten Kriminalität auch in diesem Jahr wieder zurückgegangen sind. Aber der Anteil der politisch motivierten Gewaltdelikte bleibt hoch. Besorgniserregend ist vor allem der Anstieg von Gewaltdelikten und Propagandadelikten in den Bereichen Antisemitismus, Fremdenfeindlichkeit und Rassismus. Darum werden wir weiterhin und über alle Phänomenbereiche hinweg hochsensibel bleiben und in unseren Anstrengungen nicht nachlassen, politische Tathintergründe zu enttarnen und aufzuklären.“
Am 30.12.2019 fiel gegen Mitternacht in Köln Porz ein Schuss. In bester Wohnlage. Ein CDU-Politiker (72) der Porzer Bezirksvertretung schoss auf einen „jungen Mann“ (20), nachdem es zum Streit gekommen war. Lautstärke zur Schlafenszeit mag der Auslöser gewesen sein, vor die Tür zu gehen. Eine scharfe Waffe mitzunehmen war wohl der Vorsicht geschuldet, denn „junge Männer“ sind in Porz zunehmend gut bewaffnet. Mit bloßen Messern ist man bestenfalls durchschnittlich ausgerüstet.
So fand die Polizei am 15. Dezember 2019 bei vier bereits polizeibekannten Männern (32, 34, 41, 48) im Porz angrenzenden Stadtteil Kalk neben 5.500 Euro, ca. 500 Gramm Marihuana, 14 Ampullen mit Testosteron, einem Schlagring sowie eine scharfe Schusswaffe. Am 17. Dezember 2019 wurde ein Kiosk mit einer Schusswaffe in Porz-Urbach überfallen.
Alles Gründe, als Bürger vorsichtig zu sein. Vor allem und immer dann, wenn es sich bei Ärgernissen um eine Gruppe „junger Männer“ handelt, wie Ende Dezember.
Ob eine persönliche Bedrohung ursächlich war, mit einem Revolver am Körper nach draußen zu gehen und für Ruhe zu sorgen mag die zuständige Staatsanwaltschaft Köln ermitteln. Ob der beschuldigte Kommunalpolitiker, Hans-Josef Bähner (72), ein bis dato unbescholtener und aktiver Bürger, sich proaktiv schützen wollte oder ob der Alkohol beim Verlauf der Tat eine Rolle spielte, ist Gegenstand der Untersuchungen. Jedenfalls nutzte Bähner eine seiner fünf (!) auf ihn zugelassenen Schusswaffen auf offener Straße, ohne für die Waffe auch nur eine Trageberechtigung zu haben. Er hätte sie gar nicht zum Selbstschutz aus dem Haus bringen dürfen. Und bei einer verantwortungsbewussten Stütze der Gesellschaft, die Herr Bähner bisherl war, darf angenommen werden, dass er das auch wusste.
Es kann also vermutet werden, dass der ältere Herr zum Zeitpunkt des Geschehens weniger Politiker war, sondern eher besorgter Bürger mit genug Vorsicht oder gar Angst, um sein Anliegen nicht unbewaffnet vortragen zu wollen. Und das gibt zu denken…
Ein anderer Bürgermeister in NRW fühlt sich von rechts bedroht. Er will nun eine Trageerlaubnis für eine Waffe. Der Fall geht gerade durch die Presse. Er gibt begründend an, in einer Gegend zu wohnen, wo sehr viele Rechtsextremisten leben. Wieder andere Politiker werden regelmäßig von Linken behelligt – beschimpft, bedroht oder körperlich angegriffen.
Alles Anzeichen einer zunehmenden Spaltung der Gesellschaft in Extremlager, die sich jenseits dessen bekämpfen, was die Verfassung zulässt. Doch warum sollten gerade Politiker Rechte einfordern, die sie dem Bürger versagen? Der 72jährige CDU-Politiker ging nicht ohne Grund gut bewaffnet auf die Straße. Er lebt am Ende der Porzer Uferpromenade, einem Hotspot für jugendliche Rabauken, die dort wetterabhängig ihr Unwesen treiben. Gerade abends. Und dass hier auch durchaus enthemmende Drogen im Spiel sind beweisen die überall herumliegenden Plastiktütchen.
Die Fälle Lübcke und Reker sind die brutale Spitze des Eisbergs. Die ungehemmten Hass-Tiraden im Internet, Brand-Anschläge auf Büros und Autos sind die Basis einer brodelnden Stimmung. Da ist es wenig hilfreich, wenn bestimmte Medien über gewisse Ereignisse gar nicht, verspätet oder verklausuliert berichten. Die Bürger, die diese Ereignisse erleben oder von Nachbarn und Bekannten davon erfahren stellen sich die Frage, warum gravierende Ereignisse nicht berichtet werden, dagegen aber solche, die nur ablenkend wirken und die Sorgen und Nöte der Bürger nicht widerspiegeln. In einer solchen Atmosphäre haben es Randparteien mit vermeintlich einfachen Antworten leicht, gegen systemerhaltende Mainstream-Medien zu polemisieren und vermeintliche Solidarität zu heucheln.
Die Lösung kann ja wohl nicht in einer Bewaffnung von Kommunal-Politikern bestehen. Die Lösung muss eine Rück-Besinnung auf Werte und gegenseitigen Respekt sein. Diskurs statt Diskreditierung. Und: die Bürger wollen ernst genommen werden. Das können Lehren aus den schrecklichen Ereignissen in Köln-Porz sein.