Der Kommentar am Sonntag in DNEWS24.

Gedankenmacher: King Charles traut sich was

King Charles besucht Deutschland und setzt Zeichen. Alles klappt, nur das Wetter nicht.

Berlin und Hamburg und selbst die Brandenburgische Provinz sonnten sich drei Tage im royalen Glanz. Mit offenem Charme und britischem Humor eroberten Charles und seine Frau Camilla die Herzen der Menschen. Das britische Königspaar nahm für wenige Tage den Stress von den Leuten, obwohl in jeder Rede, jedem Statement, jeder Geste der Bezug zur angespannten Realität nicht fehlte.

Warmherzig und engagiert ging das Royal Couple auf die Bürger zu, suchte das Gespräch. Alles funktionierte reibungslos (bis auf das (Un-)Wetter in Brandenburg). Alles? Nicht ganz. Zum Staatsbankett im Schloss Bellevue gab es eine Kleiderordnung, an die sich weder die Alt-Bundeskanzlerin Merkel noch die Bundestags-Präsidentin Bas hielten – Hosenanzug und Sportschuhe statt Abendkleid und Pumps. Und der der Öffentlichkeit weitgehend unbekannte Vorsitzende der Partei Die Linke Schirdewan mokierte sich süffisant über Parlamentarier, die sich über den Besuch des britischen Staatsoberhauptes freuten. Meinte er damit vielleicht die Bundestags-Fraktionsvorsitzenden seiner Partei Amira Mohamed Ali oder Dietmar Bartsch, die zum Staatsbankett bei Bundespräsident Steinmeier geladen waren und korrekt gewandet erschienen? War es vielleicht klammheimlicher Neid, weil Schirdewan weder Weidehuhn noch Winzersekt genießen durfte – denn er war nicht eingeladen.

Das Royal Couple fährt ICE

Am letzten Tag seines Staatsbesuches zeigte Charles richtigen Mut. Statt mit dem Bentley von Berlin nach Hamburg zu fahren oder den Helikopter zu nutzen, stieg er am Hauptbahnhof in den ICE und vertraute sich der Deutschen Bahn an. Es ist nicht überliefert, ob die WC-Anlage in seinem Waggon funktionierte, auch nicht, ob der Wagen sauber war und das Bord-Bistro geöffnet hatte. Alles keine Selbstverständlichkeiten beim Staatskonzern Deutsche Bahn, eher selten gewordene Ausnahmen. Und auch ausnahmsweise kam der Zug einigermaßen pünktlich in Hamburg an.

Dem Bahn-Chef gibts der Herr (Wissing)

Ob der viel gescholtene Bundesverkehrsminister Wissing die Verantwortung trägt oder eines der anderen im Aufsichtsrat der DB AG zahlreich vertretenen Bundesministerien, ist nicht bekannt. Offensichtlich brachte niemand die Sensibilität auf, die Brisanz einer Personal-Maßnahme zu erkennen, die die „Menschen da draußen“ irritieren muss.

Viele Bürger werden sich verwundert die Augen gerieben haben, als sie diese Woche lasen, dass Bahn-Chef Lutz sich über ein Gehalts-Plus von mehr als 100% freuen darf. Wie das mit den Verlusten bei der DB, der historisch hohen Unpünktlichkeits-Rate und dem ungelösten Tarifkonflikt zusammenpasst, verstehe, wer will. Anscheinend ticken in Staatsunternehmen die Uhren anders als in der freien Wirtschaft, wo ein Manager mit dieser „Leistungs“-Bilanz längst gefeuert wäre. Und was sagt es über den Charakter von Herrn Lutz aus, dass er den Bonus unverschämt akzeptiert und einsackt, statt ihn verschämt abzulehnen? Ich fürchte, alles. Und so wird sich der Bahn-Chef nicht wundern dürfen, wenn ihn Bahn-Mitarbeiter und Bahn-Reisende künftig als Bahn-Raffke bezeichnen werden.

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Der Autor

Uwe-Matthias Müller ist Gründer und Vorstand des Bundesverband Initiative 50Plus, des Bundesverband Initiative 50Plus Austria und Sprecher des European Center of Competence for Demography.

Bis 1996 hat er mit seiner Frau und den beiden Töchtern in (West-)Berlin gelebt. Nach zwei Jahren im Ausland lebt er heute in Bayern.

Uwe-Matthias Müller kommt viel und gern nach Berlin. „Als Berliner auf Zeit geniesst man nur die Vorteile der Hauptstadt und kann die vielen Unzulänglichkeiten, unter denen die Bewohner täglich leiden, einfach ignorieren.“

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