Der Kommentar am Sonntag in DNEWS24.

Gedankenmacher: Demografie und Demokratie – das kranke Haus

Immer mehr Bürger zweifeln an der Demokratie. Dabei sind vielen Menschen die Herausforderungen der Demografie noch gar nicht bewusst.

Der frühere gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion und jetzige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach will das System der Krankenhäuser in Deutschland reformieren. Er spricht sogar von einer Revolution. Nun sind längst nicht alle Reformen nachhaltig und auch nicht alle Revolutionen segensreich. Ganz im Gegenteil kann es sich auch lohnen, Bewährtes zu bewahren. Das deutsche Gesundheitssystem ist sehr teuer, genießt aber im internationalen Vergleich einen guten Ruf. Genau hier liegt ein Problem. Denn vor allem die Krankenhäuser leiden unter einem System, das Karl Lauterbach wesentlich mitzuverantworten hat. Dabei geht es um gleich zwei strategische Mängel. Zum einen haben die Krankenhäuser nicht genügend Personal. Die Personalsituation in den Kliniken, vor allem in der Pflege, ist besorgniserregend. Zur Jahresmitte 2022 hatten fast 90 Prozent der Krankenhäuser Probleme, offene Pflegestellen auf den Allgemeinstationen zu besetzen. In der Intensivpflege hatten drei von vier Krankenhäusern Stellenbesetzungsprobleme. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Zahl der offenen Pflegestellen um 43 Prozent auf den Allgemeinstationen und um 20 Prozent in der Intensivpflege gestiegen. Im Schnitt bleiben die Pflegestellen rund ein halbes Jahr unbesetzt.

Zum anderen fehlt es den Kliniken an Geld. Nur noch sechs Prozent der Krankenhäuser in Deutschland beurteilen ihre aktuelle wirtschaftliche Lage als gut. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft warnt vor einer Pleitewelle in der zweiten Jahreshälfte 2023. „Wir laufen Gefahr, dass dann zehn bis 20 Prozent der Krankenhäuser Insolvenz anmelden müssen“, so die DKG. Inflation und gesunkene Fallzahlen führen zu einem strukturellen Defizit von 15 Milliarden Euro bis Jahresende. Auch der Interessenverband kommunaler Krankenhäuser rechnet für 2023 mit bis zu 100 Krankenhausinsolvenzen. Die Gefahr ist groß, dass Krankenhäuser entweder aus Personal- oder aus Geld-Mangel schließen müssen.

In dieser Situation will Bundesminister Karl Lauterbach die Krankenhäuser in der Fläche neu strukturieren. Nicht mehr alle Krankenhäuser sollen alle möglichen Leistungen anbieten (dürfen). Es sollen Schwerpunkte gebildet werden. Das kann dazu führen, dass vor allem in ländlichen Räumen die Wegstrecken für Kranke erheblich länger werden. Dieses Manko soll durch den verstärkten Einsatz von Hubschraubern in medizinischen Notfällen und zeitkritischen Extrem-Situationen ausgeglichen werden.

Die Ausdünnung der Krankenhaus-Landschaft in Deutschland läuft synchron mit einem immer dramatischeren Mangel an Landärzten und einem Apotheken-Sterben im ländlichen Raum.

Bei all dem sollte niemand vergessen – und Karl Lauterbach schon gar nicht – dass der demografische Wandel in Deutschland zu einer rapide alternden Bevölkerung führt. Und alte Menschen haben nun mal einen höheren Bedarf an medizinischer Versorgung.

Wohlverstanden: Steuergeld sparen ist eine Tugend. Und wenn sich der Rheinländer Lauterbach in seinem Amt zur schwäbischen Hausfrau mausert, kann das jeder Steuerzahler nur begrüßen. Da passt es nicht ins Bild, wenn der Bundesgesundheitsminister 755 Millionen – manche Medien sprechen sogar von mehr als 2 Milliarden – Corona-Schutzmasken und OP-Masken verbrennen lassen will. Deren Haltbarkeitsdatum sei abgelaufen, heißt es aus Berlin. Wenn dem so ist, stellt sich die Frage, warum die Masken nicht längst an Kliniken und Pflege-Einrichtungen verteilt wurden? Die brauchen das Material und müssen teuer bezahlen, was jetzt verbrannt wird.

So, wie die Lauterbach-Pflegereform vor allem mehr Kostenbelastungen für die Bürger bringt, ist auch die geplante Krankenhaus-Reform vor allem eine Leistungsverschlechterung auf dem Rücken der Bürger. Reformen sind eben kein Wert an sich. Revolutionen auch nicht.

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Der Autor

Uwe-Matthias Müller ist Gründer und Vorstand des Bundesverband Initiative 50Plus, des Bundesverband Initiative 50Plus Austria und Sprecher des European Center of Competence for Demography.

Bis 1996 hat er mit seiner Frau und den beiden Töchtern in (West-)Berlin gelebt. Nach zwei Jahren im Ausland lebt er heute in Bayern.

Uwe-Matthias Müller kommt viel und gern nach Berlin. „Als Berliner auf Zeit geniesst man nur die Vorteile der Hauptstadt und kann die vielen Unzulänglichkeiten, unter denen die Bewohner täglich leiden, einfach ignorieren.“

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